Videoüberwachung an zentralen Heidelberger Plätzen ist "durchaus zulässig"
Der Heidelberger Jurist Ekkehart Reimer sieht Chancen für Würzners Idee, Kameras auf dem Bismarckplatz und vor dem Bahnhof aufzustellen.

So könnte eine Videoüberwachung am Bismarckplatz aussehen. Fotomontage: RNZ-Repro
Von Micha Hörnle
Letzte Woche stellte Oberbürgermeister Eckart Würzner seinen Plan vor, den Bismarckplatz und den Bahnhofsvorplatz mit Videokameras zu überwachen - um nach Köln das Sicherheitsempfinden der Heidelberger wiederherzustellen. Die Polizei hat sich dazu noch nicht offiziell geäußert, sie will noch prüfen, was sie davon halten soll.
Dabei geht es vor allem darum, eindeutig belegbare Zahlen zu erhalten, ob beide Orte auch wirklich Kriminalitätsschwerpunkte sind. Und da sie es in den letzten Jahren nicht waren, hatte sie Kameras zumindest auf dem Bismarckplatz auch bis dato abgelehnt.
Ekkehart Reimer (46), der in Heidelberg einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europäisches und Internationales Steuerrecht innehat, nimmt im RNZ-Interview zu den juristischen Aspekten der Videoüberwachung Stellung.
Ist der Plan von OB Würzner, den Bahnhofsvorplatz und den Bismarckplatz von Videokameras überwachen zu lassen, rechtlich zulässig?
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Ja. Das baden-württembergische Polizeigesetz erlaubt den Städten und Gemeinden die Ton- und Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Allerdings muss die Stadt eine Reihe von Voraussetzungen beachten.
Was sind denn die Voraussetzungen für eine solche Überwachung?
Das Polizeigesetz verlangt viererlei: Erstens dürfen die Kameras nur Bereiche erfassen, in denen sich die Kriminalitätsbelastung von der des übrigen Gemeindegebiets deutlich abhebt. Zweitens muss auch die Kriminalitätsprognose negativ sein. Drittens: Auf die Kameras muss hingewiesen werden. Viertens: Wenn es nicht nur um Live-Bilder, sondern um Aufzeichnungen geht, müssen die Aufzeichnungen spätestens nach vier Wochen gelöscht sein. Soviel zum Polizeigesetz. Daneben sind die deutschen und europäischen Grundrechte zu beachten. Die Stadt muss prüfen, ob es für den Bahnhofsvorplatz und den Bismarckplatz nicht mildere Mittel gibt, mit denen die Sicherheit ebenso effektiv gewahrt werden kann. Das kann heißen: Verzicht auf eine Tonübertragung, die Beschränkung auf Live-Überwachungen statt der Aufzeichnungen oder auf eine kurze Speicherung statt einer langen.
Sind diese rechtlichen Hürden eher hoch oder niedrig?
Verglichen mit Großbritannien und anderen Ländern sind sie hoch. Unsere Gerichte sind streng. Aber verglichen mit den Regeln, die sonst im deutschen Polizeirecht gelten, sind sie moderat. Die Videoüberwachung zielt auf Gefahrenvorsorge. Das hat zwei Konsequenzen. Erstens ist die Videoüberwachung auch zulässig, wenn die Schwelle zur sogenannten konkreten Gefahr noch nicht erreicht ist. Und zweitens umfasst die Vorsorge auch die Nachsorge. Wenn die Videoüberwachung erfolgreich ist und durch sie ein Kriminalitätsschwerpunkt entschärft wird, müssen die Kameras nicht gleich abgeschaltet werden. Der Erfolg schafft sich nicht selbst ab.
Wie misst man eigentlich einen "Kriminalitätsschwerpunkt"?
Durch eine ortsscharfe statistische Dokumentation von Straftaten. Dabei genügen glaubhafte Anzeigen; hier gilt also nicht die Unschuldsvermutung. Die Kriminalitätsstatistik führt allerdings nicht die Stadt. Die Stadt muss die Daten von Polizei und Staatsanwaltschaft anfordern. Sie muss dann eine ortsbezogene Lagebeurteilung schreiben - und diese Beurteilung ist gerichtlich voll überprüfbar.
Reicht es aus, wenn sich der OB erhofft, dass sich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wieder erholt?
Nein. Der Rechtsstaat ist kein Placebo-Staat. Er muss Gefahren vorbeugen und sie abwehren - nicht mehr und nicht weniger. Das Sicherheitsgefühl allein rechtfertigt keine staatlichen Maßnahmen. Aber wenn die Videoüberwachung die Kriminalität spürbar senkt, stärkt das natürlich das Sicherheitsgefühl.
Angenommen, die Polizei sagt, sie wolle die Plätze nicht überwachen: Dürfte das die Stadt tun? Und wenn ja, welche Möglichkeiten hätte sie?
Ja, die Stadt darf es genauso - sie ist immerhin die Ortspolizeibehörde. Aber sie müsste es dann auch voll bezahlen. Das ist nicht ganz billig. Neben den Kameras müssen ja auch Überwachungsräume mit Monitoren, Joysticks und Aufzeichnungsgeräte eingerichtet werden. Und nicht zu vergessen: Gebraucht wird auch aufmerksames Personal.
Wäre es rechtlich auch zulässig, wenn auch die RNV ihre eigenen Bahnsteige überwacht - wie man es von U-Bahnen in Großstädten kennt?
Ja, aber das ist rechtlich komplizierter, weil die RNV formal eine GmbH ist. Hinter ihr stehen Kommunen aus verschiedenen Bundesländern. Damit gilt das Bundesdatenschutzgesetz, zusätzlich aber weiterhin das jeweilige Polizeirecht und die Grundrechte. Die Kommunen können sich durch eine Flucht ins Privatrecht von diesen Bindungen nicht befreien. Für Baden-Württemberg verlangt das Polizeigesetz, dass bahnsteigtypische Straftaten drohen.
Macht es einen Unterschied, was mit den Aufnahmen geschieht und wie lange sie gespeichert werden?
Der Grundrechtseingriff ist geringer, wenn die Bilder nur live auf die Wache übertragen, aber nicht gespeichert werden. Dann ist die Überwachung aber sehr personalintensiv. Eine Dauerüberwachung der Bildschirme wäre kaum finanzierbar. Deshalb drängt das Haushaltsrecht auf die Speicherung der Daten. Die Grundrechte begrenzen sie zeitlich: Gespeichert werden darf nur, solange es unbedingt nötig ist - und längstens vier Wochen.
Wenn Sie als Jurist OB Würzner einen Rat in punkto Videoüberwachung geben sollten, was wäre der?
Aus rechtlicher Sicht sind seine Pläne sinnvoll. Im Interesse der Sparsamkeit würde ich die Abstimmung mit der Polizei und eine Kostenteilung empfehlen. Wenn dann die Fäden bei der Polizei zusammenlaufen, kann die Polizei flexibel reagieren, Straftaten verfolgen und Informationen über Ordnungswidrigkeiten an die Stadt weitergeben.



