Uniklinikum Heidelberg

Aus Angst vor dem Coronavirus kommen viele erst gar nicht

Das kann lebensgefährlich sein - Ärzte appellieren: "Lassen Sie unklare Symptome abklären!"

10.04.2020 UPDATE: 11.04.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 44 Sekunden
Die Klinik im Neuenheimer Feld, in dem sich auch die Corona-Ambulanz befindet. Foto: PR-Video

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Die Corona-Pandemie kann dramatische Folgen auch für Menschen haben, die sich gar nicht mit dem Virus infizieren: Denn offenbar meiden viele zurzeit den Gang ins Krankenhaus – auch bei Symptomen, die auf schwere Erkrankungen hindeuten können.

Allein in der "Chest Pain Unit" (Brustschmerzeinheit) des Universitätsklinikums Heidelberg hat sich in den vergangenen drei Wochen die Zahl der Patienten halbiert. "Das ist ein riesiges Problem, das uns große Sorgen bereitet", sagt Prof. Hugo Katus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie. Brustschmerzen, starke Engegefühle, Schwindel oder Atemnot können auf einen Herzinfarkt hindeuten – und müssen sofort abgeklärt werden.

Prof. Hugo Katus. Fotos: Hentschel/Rothe

Katus ist alarmiert: "Viele kommen auch deutlich später als sonst, wenn die Symptome schon viel weiter fortgeschritten sind – aber bei einem Herzinfarkt und auch bei vielen anderen Krankheiten zählt jede Minute." Manche kämen aus Angst vor Ansteckung nicht oder viel zu spät, andere seien offenbar der Meinung, die Kliniken seien ja ohnehin überlastet. "Nichts davon stimmt", sagt Katus. "Wir haben zwischen Covid-19- und anderen Patienten eine komplette Trennung." Die Ansteckungsgefahr am Uniklinikum sei viel geringer als etwa beim Einkaufen. Katus appelliert an die Menschen: "Lassen Sie unklare Symptome sofort abklären!" Alle Bereiche am Uniklinikum würden sicher und verlässlich funktionieren, genauso wie Notaufnahme und Notarztstrukturen.

Prof. Wolfgang Wick. Fotos: Hentschel/Rothe

Ein Kollege von Katus schließt sich an: Prof. Wolfgang Wick, Chef der Neurologischen Klinik. In der Notfallambulanz der Neurologie seien die Patientenzahlen um 40 Prozent gesunken, in der "Stroke Unit" (Schlaganfalleinheit) um 20 Prozent. "Bei uns kommen fast nur noch schwer kranke Patienten an", sagt Wick. "Die leichten und mittelschweren Fälle sehen wir viel weniger." Das sei alarmierend, denn ein schwerer Schlaganfall kündige sich häufig mit kleineren Vorereignissen an: "Da sieht man mal beim Frühstück zwei Stunden doppelt und dann ist das wieder weg", erklärt Wick. Auch Sehausfall, Sprachstörungen oder eine Halbseitenschwäche können Schlaganfall-Anzeichen sein.

All diese Symptome müssen sofort abgeklärt werden – doch zur Zeit warten viele einfach ab. Eine fatale Entscheidung: "Wir haben Patienten, die kommen freitags mit einem schweren Schlaganfall und berichten, dass sie schon montags Symptome hatten", sagt Wick. Manche zögerten auch deshalb, ins Krankenhaus zu kommen, weil sie dort wegen der Corona-Einschränkungen aktuell nicht besucht werden dürfen. "Aber wir haben einen guten Weg gefunden: Ich bin bei vielen Visiten mit Handy am Bett und habe die Angehörigen dran."

Der Schlaganfall-Experte sieht eine der wichtigsten Aufgaben der Medizin in der Vorbeugung von Krankheiten. "Und dieser Hauptaufgabe können wir gerade nicht nachkommen, weil viele Menschen nicht rechtzeitig in die Klinik kommen." Das sei in der Rhein-Neckar-Region und deutschlandweit ein großes Problem. Wick sagt ganz deutlich: "Ich möchte, dass alle wissen: Sie dürfen, Sie sollen und Sie müssen auch kommen, wenn Sie unklare Symptome haben!"

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