Heidelberger forschen am Coronavirus
Test soll besser werden, um Dunkelziffer zu senken - Impfstoff frühestens in einem Jahr

Das Deutsche Krebsforschungszentrum im Neuenheimer Feld in Heidelberg. Foto: Alfred Gerold
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) steigt in die Forschung am Coronavirus ein. Gemeinsam mit Kollegen von der Universitätsmedizin Heidelberg und Mannheim haben Wissenschaftler um die Professoren Ralf Bartenschlager und Michael Platten die Taskforce "fightcovid@DKFZ" gegründet. "Wir arbeiten mit Hochdruck", sagt der Virologe Ralf Bartenschlager im Gespräch.
Herr Professor Bartenschlager, gut zu wissen, dass auch unsere Virologen in Heidelberg am Coronavirus dran sind. Was haben Sie vor?
Innerhalb des DKFZ forschen wir in mehreren Bereichen. Zum Beispiel: Wann sind die Erkrankten nicht mehr infektiös? Wann entstehen Antikörper gegen das Virus und schützen die Menschen vor der Infektion? Und wie lange sind sie dann durch diese Antikörper vor Neuinfektion geschützt?

Die Wissenschaftler wollen ein neues Testverfahren für den Nachweis von Infektionen entwickeln. Was soll das besser können als der gängige Test? Ginge es schneller?
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Der aktuelle Test weist das Erbgut des Virus, die RNA (Ribonukleinsäure), nach. Auf dieser Diagnostik beruhen auch die Informationen zu Infektionsrate und Sterberate. Aber Personen mit milden Symptomen lassen sich nicht unbedingt testen, weil es ja auch eine einfache Erkältung sein könnte und eine flächendeckende Testung mit dieser Diagnostik nicht zu leisten ist. Deshalb haben wir möglicherweise eine hohe Dunkelziffer bei den Infektionen. Wenn wir die tatsächliche Durchseuchung der Bevölkerung messen wollen, ist es besser, die virusspezifischen Antikörper nachzuweisen. Die sind sehr viel länger – Monate nach der Infektion, vielleicht auch einige Jahre – nachweisbar, während das Virus schon lange verschwunden ist. Mit einem Antikörpertest können wir also nachträglich eine durchgemachte Infektion nachweisen und damit die tatsächliche Infektionshäufigkeit in der Bevölkerung sehr viel besser erfassen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran.
Könnte man die von der Politik eingeführten, starken Abwehrmaßnahmen einfacher zurückfahren, wenn man Genaues über die Infektionsrate wüsste?
Von 70 Prozent Erkrankten und damit von der Herdenimmunität sind wir sicher noch weit entfernt. Aber es wäre gut, zu wissen, wann man nach einer Infektion Antikörper messen kann und ob sie vor neuen Infektionen schützen.
Wie weit sind Ihre Wissenschaftler mit einem solchen Test?
Den Test kann es in wenigen Wochen geben, es kann aber auch noch drei bis vier Monate dauern.
Dann untersucht die Taskforce noch, warum es bei manchen Erkrankten zu schweren Immunreaktionen kommt, während andere nur leichte Symptome zeigen.
Das Virus tötet die infizierten Zellen ab, und wenn es das in großem Maßstab in Lunge und Bronchien macht, trägt das sicherlich zur Erkrankung bei. Daneben gibt es vermutlich noch eine überschießende Immunantwort des Körpers auf die Viren, die dann Gewebe zerstört. Auch eine Influenza kann einen solchen "Zytokinsturm" verursachen. Ich nehme an, bei Covid-19 gibt es beides, und man könnte an beidem ansetzen, also antivirale Medikamente entwickeln und Zytokine mit Antikörpern blockieren und auf diese Weise schwere Symptome mildern.
Auch an der Entwicklung eines Impfstoffs wird bei Ihnen geforscht.
Ein klassischer Impfstoff ist immer ein Protein, ein Bestandteil des Virus selbst, den man aufwendig herstellen muss. Wir bauen auf unser vorhandenes Know-how: Wir entwickeln mit Virusbestandteilen beladene Nanopartikel für eine Impfung und hoffen, auf diese Weise eine Immunantwort des Körpers zu erreichen. Bis zur klinisch erprobten Impfung wird es ein Jahr, vermutlich auch länger dauern.
Das ist ein anderes Verfahren als bei Curevac in Tübingen, das letzthin so im Mittelpunkt des Interesses stand?
Curevac schleust RNA in Zellen ein, die dort die Produktion von Virusprotein veranlasst. Diese RNA kann man schnell und in großen Mengen herstellen, aber man muss auch eine ausreichende Antigenproduktion im Geimpften erreichen. Das ist noch zu beweisen. Vielleicht reicht aber auch eine mäßige Antigenmenge aus, um eine Immunantwort auszulösen, die zwar nicht die Infektion selbst blockiert, aber so weit abdämpft, dass es keine schweren Verläufe gibt. Das ist im Moment aber alles Spekulation, wir müssen die klinische Testung abwarten.
Wie viele Forscher umfasst denn die neue Taskforce?
Es sind schätzungsweise hundert Leute in rund 15 Arbeitsgruppen am Thema dran. Das DKFZ arbeitet hier mit den Unikliniken in Heidelberg und Mannheim sehr eng zusammen, und es ist beeindruckend, wie sich der Campus in dieser Situation zusammenschließt. Im Zentrum für Infektiologie wurde dafür ein gesonderter Bereich im Hochsicherheitslabor freigestellt.