Diese Erfolgserlebnisse hatte Rüdiger Dunst in der Suchtberatung
Rüdiger Dunst verlässt nach über 35 Jahren die Evangelische Stadtmission - Er leitete die Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtkranke

Rüdiger Dunst war jahrelang Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke der Evangelischen Stadtmission/Blaues Kreuz - seit Freitag ist er nun offiziell im Ruhestand. Das "Blaue Kreuz Heidelberg" wurde von Pfarrer Raoul Jassoy, dem langjährigen Geschäftsführer der Evangelischen Stadtmission, gegründet. Foto: Hentschel
Von Marion Gottlob
Heidelberg. Manche Menschen erleben immer wieder Wunder. Zu ihnen gehört sicherlich Rüdiger Dunst. Mehr als 35 Jahre war der 63-jährige Diplom-Sozialarbeiter im Dienst der Evangelischen Stadtmission tätig und hat suchtkranke Menschen begleitet. Viele Jahre war er Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke / Blaues Kreuz in der Plöck 16: "Manche suchtkranke Menschen werden von anderen völlig aufgegeben - sie schaffen es dennoch, von der Sucht freizukommen. Es gibt Wunder, es liegt in Gottes Hand." Nun wird Dunst in den Ruhestand verabschiedet.
DAS PORTRÄT
Nach außen wirkt Dunst zutiefst bescheiden. Man sollte sich nicht täuschen. Hier trifft man auf einen Menschen mit Erfahrung, Know-how und Geduld. Manchmal hat er Menschen beobachtet, wie sie tagelang in der Plöck auf- und abgingen. Sie rangen um den Entschluss, die Beratungsstelle zu betreten. Der Experte ließ ihnen Zeit. Dunst sagt: "Der erste Schritt ist am schwierigsten, doch die nächsten Schritte werden leichter." Er weiß, dass Betroffene diesen allerersten Schritt oft am besten aus eigener Kraft tun.
Hintergrund
Dr. Martina Kirsch wird neue Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke in Heidelberg. Nach einer Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin hat sie an
Dr. Martina Kirsch wird neue Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke in Heidelberg. Nach einer Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin hat sie an der Universität Wuppertal am Lehrstuhl für Psychologie gearbeitet. Auf dem zweiten Bildungsweg hat die Mutter von drei Kindern das Abitur gemacht und anschließend in Gießen und Wuppertal Psychologie studiert und 2018 eine Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin abgeschlossen. In der Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedizin des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim führte sie mehrere Therapiestudien durch. Seit 2016 arbeitet sie in der Heidelberger Suchtberatung. (mio)
Dunst stammt aus dem Schwarzwald. Er ist in der Nähe von Calw mit fünf Brüdern aufgewachsen: "Man streitet sich, man freut sich zusammen. Wir haben engen Kontakt und verstehen uns gut." Als Jugendlicher gehörte er zu einer Clique, die ein unabhängiges Jugendzentrum gründete. Natürlich mit Hilfe von Erwachsenen. Viele Jahre hat er dort mitgearbeitet und Konzerte oder Diskussionsabende organisiert, aber auch den Theken- oder Putzdienst übernommen. Gleichzeitig war er in der Jungschar aktiv.
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Nach dem Abitur entschied er sich für ein Studium der "Sozialen Arbeit" an der Fachhochschule Heidelberg. Wenn er an die Abschlussprüfung zurückdenkt, muss er schmunzeln. Er sollte zu einer Fallgeschichte Stellung beziehen. Es ging um den Konflikt zwischen gesetzlichen Vorgaben und dem persönlichen Bedürfnis eines Sozialarbeiters, mehr Hilfe zu leisten. Der Student Dunst antwortete: "Bei diesem Fall würde ich meinen Job an den Nagel hängen." Er hatte Glück und bestand die Prüfung, denn ein Professor empfand durchaus Sympathie für den ungewöhnlichen Studenten.
Die erste berufliche Station war von 1984 bis 1988 das Wichernheim, ebenfalls in der Plöck, das Obdachlosen ein Dach über den Kopf bot. Es gehörte zu den Aufgaben von Dunst, den Menschen bei der Suche nach Arbeit und einer Wohnung zu helfen. Wenn jemand suchtkrank war, bot er seine Hilfe an. Mit Freude erinnert er sich an einen Mann, der die Alkoholabhängigkeit überwunden, eine Arbeit und eine Wohnung gefunden und inzwischen geheiratet hat.
Dunst wechselte zum Haus Kraichtalblick, eine Frauenklinik für Suchterkrankungen unweit von Bruchsal. Er sagt: "Eine Suchterkrankung bei Frauen ist oft versteckt. Niemand soll erfahren, dass die Mutter, Ehefrau oder Tochter unter einer Suchterkrankung leidet. Die Scham ist riesig." Doch auch hier kann eine Therapie gelingen: Eine Frau war alkoholkrank und nahm Medikamente. Die Mitarbeiterin einer Tierarztpraxis stibitzte Betäubungsmittel für Pferde und verlor ihren Job. Nach der Therapie fand sie eine neue Arbeit und ist bis heute abstinent.
Im Jahr 2000 übernahm Dunst die Leitung der Psychosozialen Beratungsstelle (PSB) für Suchtkranke / Blaues Kreuz in Heidelberg. Der Wechsel war eine Herausforderung. In der Klinik gab es eine feste Struktur. Das war und ist in der PSB ganz anders. "Man weiß an keinem Tag, wer an der Tür klingeln wird. Man muss flexibel sein." Beim Erstgespräch geht es vor allem um den Aufbau von Vertrauen. "Wer hierher kommt, muss keine Angst haben, dass er sofort sein Innerstes nach außen kehren muss." In den weiteren Gesprächen können Probleme in der Familie oder am Arbeitsplatz besprochen werden: Wer suchtkrank ist, macht häufiger im Job Fehler und wird unzuverlässig. In der Familie kann es zu Gewalt kommen. Dazu gibt es oft finanzielle Schwierigkeiten. Schritt für Schritt suchen Klient und Berater nach Lösungen. Dunst betont: "Kein Mensch ist wie der andere. Die Lösungen sind oft sehr individuell." Sein Dank geht besonders an die haupt- wie auch ehrenamtlichen Mitarbeiter. "Das ist ein großer Schatz."
Wer sich für eine Therapie entscheidet, hat gute Chancen. Ein Beispiel: Der Besitzer eines Hotels fühlte sich von den beruflichen Aufgaben überfordert. Er war rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche das ganze Jahr aktiv - und wurde alkoholkrank. Nach der Therapie verwandelte er sein Haus in ein alkoholfreies Hotel - und hatte damit richtig Erfolg. In der "Ära Dunst" wurde 2004 für die PSB die ambulante Reha entwickelt. Sie kann eine Ergänzung oder ein Ersatz für einen stationären Aufenthalt in einer Fachklinik sein. Denn gerade berufstätige Menschen wollen nicht zu lange vom Arbeitsleben eine Pause machen. Von 2008 bis 2011 wurde in der PSB eine Beratung für Menschen mit Spielsucht aufgebaut. Es war eines von fünf Angeboten dieser Art in Deutschland.
Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der Kapellengemeinde in der Plöck 47. Beim Abendmahl gibt es dort grundsätzlich keinen Alkohol. Mit Pfarrer Florian Barth gründete Dunst die "Franziskuskinder", eine Gruppe für Kinder suchtkranker Eltern. "Die Aktion wird nur durch Spenden finanziert." Einmal im Jahr gestalten Mitglieder der Selbsthilfegruppen unter dem Motto "Kunst sucht Kirche" eine Ausstellung in der Kapelle. In Gottesdiensten werden ehemalige Suchtabhängige für die Abstinenz für ein, fünf, zehn, 15 oder mehr Jahre geehrt. Dunst sagt: "Manchmal bin ich mit Klienten einfach so in die Kapelle gegangen. Das waren Menschen, die seit vielen Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen haben. Wir haben den Raum auf uns wirken lassen. So konnten Ängste abgebaut werden."
Im Ruhestand wird Dunst nun sicherlich mehr Zeit für seine zwei Katzen Oskar und Käthe haben und öfter Konzerte besuchen. Sobald er sich gesundheitlich erholt hat, wird er sich einem Ehrenamt widmen: "Da gibt es so viele Möglichkeiten."