Selbstversuch Lockdown

Die Johannes-Gutenbergschule probte einen Tag Heimunterricht

Was, wenn die Schulen wieder schließen müssen? - So gut klappte der Versuch

13.11.2020 UPDATE: 14.11.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 4 Sekunden
Die Johannes-Gutenberg-Schule im Wieblinger Weg übte am Freitag für den Ernstfall eines erneuten Lockdowns. Lehrer 
Markus Türpe probte vom Lehrerzimmer den Online-Unterricht für angehende Konditoren. Foto: Philipp Rothe

Von Anica Edinger

Heidelberg. Mit sinkenden Temperaturen und erhöhtem Infektionsaufkommen rückt auch die Möglichkeit flächendeckender Schulschließungen wieder in greifbare Nähe. Sind die Schulen vorbereitet, wenn es wirklich erneut so weit kommt? Die Heidelberger Johannes-Gutenberg-Schule (JGS) hat sich diese Frage gestellt – und jetzt für den Ernstfall geprobt: Am Freitag blieben weit über 400 der insgesamt 1500 Schülerinnen und Schüler der gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsschule im Wieblinger Weg zuhause – und wurden fernunterrichtet.

Lediglich diejenigen, die praktischen Unterricht hatten – etwa in der Metall-, der Holz- oder der Druckwerkstatt –, oder diejenigen, die kommende Woche Meisterprüfung haben, hatten Präsenzunterricht. Dazu kam eine kleinere Zahl an Schülerinnen und Schülern, die besondere Unterstützung benötigen, etwa Jugendliche aus den Flüchtlingsklassen oder auch aus Klassen der Berufsorientierung. Wie lief der Selbstversuch Schul-Lockdown? Die RNZ sprach mit der Schulleitung, einem Lehrer und der Schülersprecherin.

> Die Ausgangssituation: Schon am Morgen meldete sich Schulleiter Martin Schmidt bei der RNZ – mit erfreulichen Nachrichten: "452 Schülerinnen und Schüler haben sich aufgeschaltet. Ich bin begeistert." Dazu etwa rund 30 Lehrerinnen und Lehrer, die von zuhause und vom Schulgebäude aus unterrichteten. Die JGS arbeitet mit "Microsoft Teams" – und das lief bis zum frühen Vormittag dem Schulleiter zufolge stabil. Er erklärte, was hinter der Aktion steckt: "Wir wollen vorbereitet sein, wenn es zu Schulschließungen kommt." Sein Stellvertreter Johannes Laule ergänzt: "Damit wir im Fall der Fälle nicht wieder so überrascht werden wie im März." Im letzten halben Jahr habe das EDV-Team auch deshalb gemeinsam mit der städtischen Schul-IT unter Hochdruck an der Verbesserung der Bedingungen fürs Heimlernen gearbeitet. "Jetzt ernten sie die Früchte ihrer Arbeit", sagte Schmidt – auch ein wenig stolz.

> Die Vorteile: Schülersprecherin Annika Beyerer, die im zweiten Jahr das Berufskolleg für Grafikdesign an der JGS besucht, freute sich besonders darüber, dass am Freitag "ausnahmsweise", wie sie sagt, einmal alle pünktlich zum Unterricht erschienen sind. Heimunterricht macht es möglich. Sie selbst kommt aus Rauenberg und hat normalerweise einen Schulweg von eineinhalb Stunden – jeweils hin und zurück. "Ich bin da noch in der Mitte. Andere Mitschüler brauchen noch länger", sagt sie. Insofern käme Heimunterricht manchen da schon entgegen. Überhaupt befand die Schülersprecherin: "Das war eine wichtige Aktion und es hat mich gefreut, dass sie gemacht wurde." Sie zieht eine positive Bilanz: Über "Teams" habe man sich auch in Diskussionen per Videokonferenzen gut austauschen können. Ganz im Gegenteil zum ersten Lockdown im Frühjahr. Damals sei der "Unterricht" doch sehr beschränkt gewesen aufs Aufgabenerledigen und anschließend abgeben – per E-Mail und ganz ohne richtigen Lehrerkontakt. "Da habe ich persönlich nicht so viel mitgenommen – und ich hatte das Gefühl, dass einige Mitschüler gänzlich auf der Strecke blieben." Der jetzige Selbstversuch habe gezeigt, dass es anders geht.

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Einen großen Anteil daran habe natürlich die Plattform, auf der gearbeitet wird. Mit "Teams" habe man an der JGS eine gute Lösung gefunden, findet auch Schulleiter Schmidt. Gut geklappt hat das Programm auch bei Lehrer Markus Türpe, der am Freitag Fachtheorie für angehende Konditoren und Bäcker gemach hat. Schüler hätten Rückfragen gestellt und sich beteiligt – dadurch habe er gemerkt, dass alle wirklich dabei waren. "Es ist gut gelungen für das erste Mal", sagt Türpe. Und Beyerer berichtet noch: "In Kunstgeschichte hat ein Lehrer als seinen Videohintergrund passend zum Unterrichtsthema eine römische Villa eingeblendet – das war nett."

> Die Probleme: Laut Schülersprecherin Beyerer müsse daran gearbeitet werden, dass Lehrerinnen und Lehrer Dokumente online stellen, die direkt am Computer oder auf dem Tablet bearbeitet werden können. Denn: "Nicht jeder hat einen Drucker." Dementsprechend konnten nicht alle Dokumente ausgedruckt, bearbeitet und zum Korrigieren abfotografiert und wiederum online gestellt werden. Zudem habe es auch Verbindungsprobleme gegeben: "Bei manchen hat die Internetverbindung nicht gut funktioniert", so Beyerer.

Lehrer Türpe berichtet, dass einige zudem keine geeigneten Endgeräte zur Verfügung hatten – und ausschließlich mit dem Handy zugeschaltet waren. Da funktioniere das Lernen natürlich nicht so gut wie mit Tablet oder Laptop. Zudem sagt Türpe: "Wenn man mal Fernunterricht macht, weiß man, was man am Präsenzunterricht hat." Es fehle doch der Augenkontakt zur Klasse, das direkte, auch mimische Feedback, findet der 36-Jährige. "Vorm PC ist das für den Lehrer doch schon sehr leblos." Daran anknüpfend erklärte Laule, dass einige Schülerinnen und Schüler erst gar nicht zugeschaltet waren. "Da müssen wir nun schauen, was die Gründe waren", sagt der stellvertretende Schulleiter.

> Die Evaluation: Über 450 Online-Evaluationsbögen sind bis zum Nachmittag eingegangen – sie werden nun bis etwa Mitte nächster Woche ausgewertet. So wird sich laut Schulleiter Schmidt ganz genau zeigen, wo die Probleme liegen – und dann kann gezielt nachgebessert werden. Bei einer schulinternen Fortbildung übernächste Woche werde das dann Thema sein. Dank der Stadt hat die JGS zudem noch rund 200 Tablets zu verteilen. Wohin diese gehen, könne nach dem Selbstversuch jetzt ausgewertet werden.

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