Nachwuchsreporter gehen an die Geruchsgrenze
Recherche bei der Heidelberger Abfallwirtschaft - Häufig landet Metall in der Biotonne

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Am Ende des Tages kommt ein riesiger Abfallberg zusammen. Meterhoch türmen sich auf der einen Seite Kartonagen und Papier, in den anderen Ecken der 14 Meter hohen Halle stapeln sich Plastik-, Rest und Sperrmüll. "Was hier liegt, entspricht der Menge eines Tages", sagt Rolf Friedel, Leiter der Heidelberger Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, als er zusammen mit einigen seiner Mitarbeiter die Nachwuchsreporter von "Schüler machen Zeitung" durch das Gelände in Wieblingen führt.
"Was passiert mit unserem Müll?", lautet der Titel des zweiten Recherchetermins innerhalb des gemeinsamen Zeitungsprojekts von RNZ und Sparkasse Heidelberg. Die 16 Jungjournalisten erfahren, dass jeder der 95 Müllwerker am Tag rund 400 Abfallbehälter leert und damit zehn Tonnen Müll bewegt. Angesichts der großen Haufen, die ein Radlader zusammengeschoben hat, wird ihnen bewusst, was das bedeutet. Einige der Schülerinnen und Schüler zücken ihr Handy und nehmen alles auf. "Ein Fitness-Studio brauchen unsere Mitarbeiter am Ende des Tages nicht mehr", lacht Friedel. "Jeder von ihnen ist dann zehn bis 15 Kilometer gelaufen."
Hintergrund
Interessante Fakten und Daten zum Heidelberger Müll bekamen die Jungreporter von "Schüler machen Zeitung" beim Termin in der Abfallentsorgungsanlage im Wieblinger Mittelgewannweg präsentiert.
Rund 116 Kilogramm Restmüll produzierte jeder der fast
Interessante Fakten und Daten zum Heidelberger Müll bekamen die Jungreporter von "Schüler machen Zeitung" beim Termin in der Abfallentsorgungsanlage im Wieblinger Mittelgewannweg präsentiert.
Rund 116 Kilogramm Restmüll produzierte jeder der fast 160.000 Einwohner Heidelbergs im letzten Jahr, insgesamt 18.533 Tonnen. Hinzu kommen 68 Kilogramm Altpapier, 28 Kilo Plastikmüll (grüner Punkt), 57 Kilo Bioabfall, 29 Kilo Grünschnitt und 33 Kilogramm Sperrmüll pro Einwohner. Im Jahr 1991 waren noch fast zwei Drittel des Abfalls Restmüll, mittlerweile sind es nur noch 43 Prozent.
220 Personen arbeiten bei der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. 1995 waren es noch 380.
64 Laster und Autos zählt der Fuhrpark der Müllabfuhr. Darunter 27 26-Tonner und vier kleinere Müllfahrzeuge, zwei weitere für Sperrmüll. Die Müllwerker beginnen morgens um 5.30 Uhr mit ihrer Arbeit. Ein Team besteht aus einem Fahrer und ein bis zwei Leerern. In ein großes Fahrzeug passen etwa elf Tonnen Müll.
Das Kompostwerk kann bis zu 35.000 Tonnen Bioabfall im Jahr verarbeiten. Kompostiert werden neben dem Inhalt der braunen Tonnen auch die Garten-, Park- und Friedhofsabfälle sowie Grünschnitt aus den Städten Heidelberg, Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis. Am Ende werden daraus 12.000 Tonnen Kompost. Er geht zu rund 80 Prozent direkt und ohne Nachbehandlung an die Landwirtschaft und den Weinbau in der Umgebung. Das restliche Fünftel wird als Fertigkompost an den Garten- und Landschaftsbau abgegeben sowie in Zusammenarbeit mit einer externen Firma veredelt und verkauft.
Fünf Recyclinghöfe gibt es in Heidelberg: In Wieblingen, Kirchheim, Emmertsgrund, Handschuhsheim und Ziegelhausen. Vier davon werden von den "Heidelberger Diensten" betrieben. (hob)
Tobias Barth, der als Betriebsleiter inzwischen für den Heidelberger Sperrmüll zuständig ist, hat selbst jahrelang die Müllfahrzeuge auch noch durch die engsten Altstadtgassen bewegt. Einigen Schülerinnen des Helmholtz-Gymnasiums demonstriert er nun einen hochmodernen 26-Tonner. Auch eingebaut: Eine 3D-Rückwärtskamera, die das große Auto bei jedem noch so kleinen Hindernis sofort stoppt. 280.000 Euro koste solch ein Fahrzeug; Heidelberg habe 27 Müllwagen, verrät Jana Wissing, die als Frau der Boss aller Heidelberger Müllwerker ist. Sie hat selbst einen Lkw-Führerschein und offenbar überhaupt keine Probleme damit, sich in dieser Männerdomäne durchzusetzen.
Während in der Müllverladehalle die Geruchsbelästigung noch erträglich ist, riecht es im benachbarten Kompostwerk deutlich strenger. Bei der kleinen Führung von Ulrich Ringer, der für diesen Bereich zuständig ist, kommen die Schüler gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Sie erfahren, dass die Bioabfälle in der 140 Meter langen, 30 Meter breiten und zwölf Meter hohen Kompostierhalle über zehn Wochen lagern.
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"Dass aus diesem riesigen Müllberg frische Erde wird, hat mich am meisten beeindruckt", wird Louise Sieben vom Helmholtz-Gymnasium am Ende des Rundgangs sagen. Bis es so weit ist, wird es hier und da aber auch eklig: Als Ulrich Ringer die Tür einer Halle öffnet, hat sich an der Wand eine dicke Schicht Bakterienschleim abgesetzt. Es ist feucht, es stinkt. Ein Hinweisschild empfiehlt den Mitarbeitern, Atemschutz und Schutzanzug zu tragen. Nach draußen dringt kein Geruch - in der Halle herrscht Unterdruck.
In der Grobaufbereitung wird in einem Container Metall gesammelt, das die Leute in die Biotonne geworfen haben: Einige Kilo Spraydosen, Konserven und Besteck kommen an einem Tag zusammen. Danach stehen die Abfallexperten den Schülern für Interviews zur Verfügung. Tobias Barth arbeitet mit seinen Kollegen an einem Imagewandel für die Berufssparte. "Früher hieß es immer, die holen den Müll. Die sind Müll", bedauert der Bereichsleiter. Längst gebe man sich aber "bürgerfreundlich, entgegenkommend und nett".
Die Jungreporter hat er überzeugt. Janis Roppelt und Christoph Wegner vom Kurt-Lindemann-Haus interessierten sich vor allem für die Arbeitsorganisation und die Tipps zur Mülltrennung. Wie die anderen 14 Jugendlichen vom Hölderlin-, Helmholtz- und Kurfürst-Friedrich-Gymnasium dürfen sie nun eigene Artikel schreiben.



