Wo der Neckar in Heidelberg noch wild ist (plus Fotogalerie)
Die Sommertouristen wandelten auf den Spuren bedrohter Arten am Wieblinger Naturschutzgebiet. Es gab zwar spannende Infos, aber kaum Tiere zu sehen.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Das Wort "Neckar" stammt aus dem Keltischen und bedeutet "der wilde Geselle". "Nur merkt man davon heute nicht mehr viel", erklärte Regine Buyer, ehemalige Biologie-Lehrerin und Naturschutzexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Heidelberg, zu Beginn der RNZ-Sommertour am Altneckar in Wieblingen. Der Fluss ist fast überall begradigt, Schleusen sorgen für einen recht konstanten Pegel.
Doch es gibt noch Bereiche, in denen der Neckar ein wenig seiner ursprünglichen Wildheit behalten hat. Einer davon ist der Wieblinger Altneckar, Heidelbergs größtes Naturschutzgebiet (siehe Hintergrund). Zu diesem Idyll führte die zweite RNZ-Sommertour dieses Jahres mit 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Denn während die Wieblinger Neckarwiese recht bekannt ist, wissen nur wenige, welche seltenen und zum Teil bedrohten Tierarten sich gleich dahinter verbergen: "Man muss weit fahren, um eine ökologisch ähnlich hochwertige Aue zu finden", zitierte Buyer einen befreundeten Naturschutzwart. Als 1927 nämlich der Neckarkanal angelegt wurde, hatte man den Altarm stehen lassen. Deshalb gibt es hier heute Flachwasserzonen, Abbruchkanten, ruhige Inseln, Auwälder, die seit Jahrzehnten naturbelassen sind, und dichtes Buschwerk.
Hintergrund
> Das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Unterer Neckar" wurde 1987 eingerichtet und 2000 zusätzlich zum Flora-Fauna-Habitat. Es erstreckt sich von Wieblingen bis Mannheim und besteht aus sechs kleineren Naturschutzgebieten, die durch Landschaftsschutzgebiete, in denen
> Das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Unterer Neckar" wurde 1987 eingerichtet und 2000 zusätzlich zum Flora-Fauna-Habitat. Es erstreckt sich von Wieblingen bis Mannheim und besteht aus sechs kleineren Naturschutzgebieten, die durch Landschaftsschutzgebiete, in denen weniger strenge Regeln gelten, verbunden sind. Als bedroht gelten hier sechs Fledermausarten, der Biber sowie mehrere seltene Fischarten.
> Das Naturschutzgebiet "Altneckar Wieblingen" beginnt am Stauwehr in Bergheim und umfasst ab dort bis fast zur Autobahnbrücke die Neckarinseln sowie den Altarm des Neckars. Insgesamt ist es 42,5 Hektar groß.
> Besondere Regeln sollen dafür sorgen, dass sich die Natur in den geschützten Gebieten ungestört entfalten kann. So ist das Betreten der Neckarinseln verboten. Hunde müssen an der Leine geführt werden, von Tieren sollte man stets Abstand halten. Außerdem darf man zwar im Kraftwerksauslauf in Wieblingen schwimmen, im eigentlichen Altneckar sowie zwischen Inseln jedoch nicht. dns
Vor allem für die Vogelwelt ist das Gebiet ein Paradies, wie auch die Sommertouristen feststellen konnten: Sobald die Gruppe sich zwischen Neckarwiese und Autobahn dem Altarm näherte, konnte sie etwa einen Schwan beobachten, der unter Wasser nach Algen und Larven suchte. Immer wieder wurden sie zudem aus der Luft von Kormoranen beäugt. Die schwarzen Vögel fühlen sich am Altneckar besonders wohl. In dem flachen Wasser finden sie reichlich Nahrung, am Ufer sitzen sie oft und wedeln mit ihren Flügeln, um die Federn zu trocknen. "Ich denke dann immer, sie winken mir zu", scherzte Buyer. Daneben sah man vor allem ein paar Fische, die sich bei tollkühnen Sprüngen aus dem Wasser zeigten, sowie einige Libellen und aus der Ferne mal einen Reiher.
Die selteneren Tiere ließen sich am Donnerstagabend dagegen leider nicht blicken – weder der farbenfrohe Eisvogel, noch der imposante Fischadler, der gerne am Neckar vorbeischaut, und auch nicht der Biber. Da halfen auch die mitgebrachten Ferngläser nichts. "Das ist sehr schade, aber so ist die Natur nun mal", erklärte die Expertin, die den Sommertouristen viele Arten zumindest auf Fotos zeigte und spannende Fakten dazu lieferte.
So sei mit dem Biber vor gut zehn Jahren das größte in Deutschland lebende Nagetier in die Region zurückgekehrt. Davor war er in Baden-Württemberg ausgerottet. "Er ist vermutlich über das Elsass eingewandert. Da freuen wir uns hier sehr drüber." Etwa zwei bis drei Biberfamilien leben seitdem auf Heidelberger Gemarkung und zeigen sich auch von Zeit zu Zeit. Den Sommertouristen konnte Buyer immerhin einige abgenagte Stämme zeigen: "Man sieht klar: Er war hier." Und der Nager sei lediglich das größte Beispiel für Tierarten, die den Weg zurück an den Altneckar gefunden haben, nachdem dieser 1987 zum Schutzgebiet wurde. Seitdem kommen etwa auch mehr Arten von Wasservögeln zum Brüten. "Im Großen und Ganzen hat sich das Gebiet ganz schön entwickelt."
Umso wichtiger sei es, es weiterhin zu schützen, auch wenn mittlerweile mehr Menschen den Weg ins Grüne fänden. "Als Naturschützerin freut mich das. Aber wer hier unterwegs ist, sollte Respekt für die Lebewesen, die hier zu Hause sind, zeigen." Das heiße vor allem: Abstand von Tieren halten, Hunde an der Leine führen und auf den Wegen bleiben: "Wenn man durch ein Brutrevier läuft, ist das für die Tiere so, als würde ein Wanderer durch unser Schlafzimmer spazieren."
Aber nicht nur für die Tiere sei das Gebiet wichtig, auch der Mensch profitiere enorm davon: "Es ist ein Puffer für eigentlich alles, was mit Wasser zu tun hat." Es wirke als Rückhaltebecken bei Hochwasser, reguliere das Grundwasser im Sommer, speichere CO2 und fungiere als eine Art Kläranlage für das Neckarwasser. "Das ist eigentlich genau der Landschaftstyp, den wir angesichts des Klimawandels brauchen", so Buyer, die deshalb warnte, das Gebiet etwa durch eine fünfte Neckarquerung zu durchschneiden. "Ich hoffe, dass ich in Ihnen Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden habe", beendete sie den zweistündigen Rundgang, bevor ein Teil der Gruppe den Abend in einem Biergarten in Wieblingen ausklingen ließ.
Obwohl sich nur ein kleiner Ausschnitt der Tierwelt des Altneckars zeigte, waren die Sommertouristen begeistert von dem Gebiet und der Tour: "Das hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte etwas sehen, was ich noch nicht kannte", freute sich Petra Drury. Die Wieslocherin war zwar schon oft am Neckar, aber noch nie im Naturschutzgebiet am Altarm. Ähnlich ging es Katja Offenhäuser aus dem benachbarten Pfaffengrund: "Das war eine sehr interessante Führung. Sie schärft nochmal den Blick für den Naturschutz direkt vor der Haustür."
Info: Berichte über weitere Sommertouren finden Sie unter www.rnz.de/sommertour



































