Sechs Minuten nach Abpfiff ist der Spielbericht fertig (plus Fotogalerie)
Sommertour in der RNZ-Druckerei - Leser konnten live erleben, wie die Zeitung entsteht

Von Julia Lauer
Heidelberg. Es ist später Donnerstagabend, die Straßen im Pfaffengrunder Industriegebiet liegen längst im Dunkeln, aber in der Druckerei in der Hans-Bunte-Straße brennt Licht. Die ersten Exemplare der Freitagsausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung sind gerade in Druck gegangen – und 20 Leserinnen und Leser sind mit dabei. Die Maschinen rattern und brummen, als gegen Mitternacht eine Leserin nach einem Blick auf ihr Mobiltelefon ruft: "Leipzig hat beim Fußball 2:1 gewonnen. Das muss noch mit!" Aber wovon hängt ab, ob das klappt? Im Rahmen der Sommertour konnten die Teilnehmer nicht nur den Druckern bei der Arbeit zusehen, sondern auch all ihre Fragen zur Zeitung stellen. Eine Auswahl samt Antworten im Überblick.
Wann müssen Informationen spätestens vorliegen, damit sie es noch in die Zeitung des nächsten Tages schaffen? "Die Redaktion ist täglich von 7 bis 23 Uhr besetzt. Theoretisch ist um 23 Uhr Schluss", sagt RNZ-Chefredakteur Klaus Welzel, den die Leser bei der Sommertour mit Fragen löchern. "Aber wenn etwa ein Champions-League-Spiel stattfindet, lässt sich das Ende noch etwas nach hinten schieben."
Das Spiel RB Leipzig gegen Atlético Madrid wird am Donnerstag – mit viel Verspätung – um Punkt 23 Uhr abgepfiffen. Die Druckmaschinen laufen da schon seit einer halben Stunde, aber noch langsam. Um 23.06 Uhr – sechs Minuten nach Abpfiff – gibt Sport-Redakteur Nikolas Beck die Zeitungsseite mit dem Spielbericht frei, der bei fast allen Lesern am nächsten Tag in der Zeitung steht.
Die Drucker sorgen mit dafür, dass die Zeitung möglichst aktuell ist. Die belichtete Platte der Sport-Seite setzen sie ab 23.30 Uhr ein. Die RNZ erscheint in neun verschiedenen Ausgaben, sie gehen nacheinander in Druck – zuerst die Eberbach-, zuletzt die Wiesloch-Ausgabe. Bis 3 Uhr morgens muss alles gedruckt sein, damit bis 6 Uhr alle Zeitungen bei den Lesern sind. Die E-Paper-Variante ist ab 21 Uhr abrufbar, spätestens ab 0.30 Uhr gibt es eine aktualisierte Variante.
Wie hoch ist die Auflage der RNZ? Die gedruckte Auflage der Rhein-Neckar-Zeitung beträgt 75.000 Exemplare, am Wochenende liegt sie bei rund 85.000. "Corona hatte ein gesteigertes Informationsbedürfnis zur Folge, vor allem im April", berichtete der RNZ-Chefredakteur. Da sei die Zeitung im Handel sogar manchmal ausverkauft gewesen. Eine hohe Nachfrage sei zwar schön, aber: "Dass alle Exemplare vergriffen sind, ist nicht unser Ziel." Schließlich sollten möglichst viele Leser Zugang zur Zeitung und damit zu Informationen haben. Die Abonnenten sind für die Zeitung besonders wichtig – weit über 90 Prozent der Auflage werden im Abonnement verkauft.
Warum ist das Zeitungspapier so riesig? Zunächst einmal: Die Rhein-Neckar-Zeitung bietet nicht nur ein Format an, das Magazin "Zett" zum Beispiel ist nur halb so groß. Aber warum gilt das nicht für alle Teile der Zeitung? "Wir haben diese Frage im Haus diskutiert, aber wir fanden ein kleineres Format für uns nicht so richtig gut", berichtete Welzel. Der wichtigste Grund: "Auf den großen Titelseiten werden rund 20 Themen angerissen, die weiter hinten in der Zeitung ausführlich behandelt werden." Wenn die Seite nur halb so groß sei, komme weniger als die Hälfte dieser Anreißer unter. "In der Großstadt, wo man die Zeitung in der U-Bahn liest, wäre das vielleicht anders. Für uns fanden wir das große Format besser." Viele Leser stimmen dem offenbar zu: Auch neue Abonnenten entscheiden sich noch immer mehrheitlich für die Papierzeitung.
Welche Ressorts gibt es? Gibt es ein eigenes Ressort für investigative Recherchen? Die RNZ besteht aus neun Lokalredaktionen und dem "Mantel", der klassische Ressorts wie Politik und Wirtschaft, Sport und Kultur umfasst, zudem das Wochenend-Magazin und das Veranstaltungsmagazin "Zett". "Ein eigenes Investigativ-Ressort haben wir nicht", erklärte Chefredakteur Welzel. Das brauche es auch nicht. "Die Fluktuation an Mitarbeitern ist bei uns gering. Das ermöglicht uns auch, gute Kontakte und Vertrauensverhältnisse aufzubauen." Journalismus lebe von diesen Bindungen. "Wenn ich einer Person vertraue, kann ich ihr auch Hinweise geben." Auf diese Art konnten Welzel und sein Kollege Sebastian Riemer etwa den Bluttest-Skandal am Uniklinikum aufdecken, der der RNZ den renommierten "Wächterpreis der deutschen Tagespresse" einbrachte.
Hintergrund
> Wie es früher war: Seit die erste RNZ vor 75 Jahren in Druck ging, hat sich vieles verändert. Damals transportierten noch Pferdekutschen das schwere Papier zur Druckerei, erzählte Frank Griesbaum, Schichtleiter in der Druckerei. Doch auch das Druckverfahren selbst ist
> Wie es früher war: Seit die erste RNZ vor 75 Jahren in Druck ging, hat sich vieles verändert. Damals transportierten noch Pferdekutschen das schwere Papier zur Druckerei, erzählte Frank Griesbaum, Schichtleiter in der Druckerei. Doch auch das Druckverfahren selbst ist mit der Zeit immer einfacher geworden – insbesondere mit der Einführung des Offset-Drucks vor rund 30 Jahren. "Das Hochdruckverfahren, das wir vorher hatten, war mit einem Riesen-Aufwand verbunden. Es bedeutete auch viel mehr Handarbeit."
> Wie es heute geht: Wenn die Redakteure ihre Seiten abmelden, gelangen diese auf elektronischem Weg in die Druckerei. Dort belichten die Mediengestalter Aluminiumplatten vom Computer aus ("Computer-to-Plate-Verfahren"). Für jede Zeitungsseite sind vier Platten nötig. Jede von ihnen druckt eine der vier Grundfarben Schwarz, Gelb, Rot und Blau übereinander und nebeneinander. Aber es geht nicht sofort aufs Papier. Beim sogenannten Offsetdruck, einem indirekten Druckverfahren, gelangen die Farben erst auf ein Gummituch und von dort aufs Papier.
> Was das in Zahlen heißt: Vier Aluminiumplatten pro Seite, mindestens 24 Seiten je Zeitung am Werktag, neun Regionalausgaben täglich. Was kommt da zusammen? "Wir belichten rund 220.000 Platten pro Jahr", berichtet Produktionsleiter Marco Theil. Die Platten sind nur einmal verwendbar, sie werden aber recycelt. 100 Kilo Schwarz werden jede Nacht verbraucht und damit 50 Tonnen im Jahr, außerdem 75 Tonnen bunte Farben. Rund zwölf Tonnen Papier werden jede Nacht bedruckt, knapp 4000 Tonnen jährlich. Das Papier ist zu 90 Prozent recycelt. jul
Wo verortet sich die Rhein-Neckar-Zeitung politisch? Die RNZ berichtet für ein breites Publikum – und über eine breite Palette von Themen. "Wir sind eine bürgerlich ausgerichtete Zeitung. Dabei sind wir parteipolitisch ungebunden", so Welzel. Das sei gerade bei einer Regionalzeitung wichtig, die ja grundsätzlich für alle Themen offen ist, die eine Region bewegen. Im Politik-Ressort sei sogar Bedingung, dass man kein Parteibuch habe. "Glaubwürdigkeit ist unser Kapital."















