Kirchheimer Landwirte sehen ihre Existenz bedroht
"So sterben kleine Betriebe" - "Heidelberger" wollen Kompromiss im Gemeinderat

Von Denis Schnur
Heidelberg. Wenn der Gemeinderat am Donnerstag (16.30 Uhr, Rathaus) über die Pläne für den neuen Stadtteil in Patrick-Henry-Village entscheidet, schauen die Kirchheimer Landwirte genau hin. Denn für einige von ihnen geht es dabei um die wirtschaftliche Existenz, wie sie am Sonntag bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Wählerinitiative "Die Heidelberger" nochmal deutlich machten. Das Areal, so sieht es die "PHVision" der Internationalen Bauausstellung (IBA) vor, soll nämlich von 97 auf 115 Hektar erweitert werden – und dafür müsste Ackerfläche versiegelt werden.
"Wir haben 20 Prozent unserer Flächen am PHV", berichtete Thomas Jost. Da für die Straßenbahn in den neuen Stadtteil ebenfalls Boden versiegelt würde, geht er davon aus, dass er ein Viertel des Landes verliere, das er derzeit bewirtschaftet. Dann sei es kaum noch möglich, wirtschaftlich zu arbeiten: "So sterben die kleinen Betriebe", fürchtet er.
Mit dieser Sorge ist der Landwirt nicht alleine: Gut 80 Menschen kamen am Sonntag auf dem Kurpfalzhof zusammen, um sich gegen die Pläne auszusprechen. "Wir Landwirte sehen nicht ein, warum immer mehr Fläche versiegelt werden muss", erklärte Dirk Mampel, dessen Hof ebenfalls betroffen wäre. Schließlich habe doch die Coronakrise noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig regionale Lebensmittel seien: "Für jeden Hektar, den wir versiegeln, müssen aus dem Ausland Lebensmittel zugekauft werden." Das sei auch mit Blick auf den von der Stadt ausgerufenen Klimanotstand nicht vermittelbar.
Dabei hatten die Kirchheimer Bauern große Hoffnungen, als mit der Konversion der ehemaligen US-Areale begonnen wurde. "Anfangs hieß es, wir sollen mehr Flächen bekommen", erinnerte sich Volker Kaltschmitt, stellvertretender Vorsitzender der Kreisbauernschaft. "Dann nur noch: Wir sollen nichts verlieren." Jetzt sei nichts davon übrig, obwohl auch bei der Bürgerbeteiligung gefordert worden sei, keine Flächen zu versiegeln.
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Stattdessen wächst PHV vermutlich um 18 Hektar – und das Ankunftszentrum für Geflüchtete wandert ebenfalls auf einen Acker. "Mit der Bachzusammenlegung, der Bebauung im Kirchheimer Weg und der Straßenbahn ins PHV fallen 80 Hektar Fläche weg", ist sich Kaltschmitt sicher. Flächen, die von nachhaltig arbeitenden Betrieben bewirtschaftet werden: "Damit fördert man nur die industrielle Landwirtschaft."
So sehen es auch die "Heidelberger": "Nachhaltiger als die kleinen Betriebe, die seit vielen Generationen hier sind, geht es nicht", so Stadträtin Larissa Winter-Horn am Sonntag. Ihre Fraktion tue deshalb alles, um die Versiegelung zu verhindern. Zumal sie überzeugt ist, dass der neue Stadtteil auch mit weniger Platz auskomme: "Dazu müsste man nur ein klein wenig dichter und höher bauen." Ihre Kollegin Marliese Heldner schlug vor, auf den geplanten Park samt See innerhalb des Stadtteils zu verzichten: "Brauche ich eine solche Anlage, wenn ich einen Stadtteil mitten im Grünen habe?"
Jedoch sei man sich auch durchaus bewusst, dass man als kleine Fraktion "einen schweren Stand im Gemeinderat" habe, so Winter-Horn. "Deshalb hoffen wir auf einen Kompromiss." Demnach wollen die "Heidelberger" vorschlagen, die Erweiterung auf jene sieben Hektar zu begrenzen, die schon der US-Armee für militärische Zwecke zugesichert worden waren. "Und auch die sollte man erst bebauen, wenn das gesamte Verdichtungspotenzial auf dem restlichen Areal ausgeschöpft ist."



