Nach dem Kluthe-Chemieunfall

"Es gibt kein besseres Warnsystem als die Sirenen"

Katastrophenschutz-Chef der Heidelberger Feuerwehr wünscht sich neues Alarm-Netz - Es wurde Anfang der 90er abgebaut - Vorbild Mannheim?

05.02.2019 UPDATE: 06.02.2019 15:50 Uhr 1 Minute, 34 Sekunden

Die tellerförmigen Sirenen kennen viele Heidelberger noch: Bis in die 90er standen 91 von ihnen über die Stadt verteilt. Foto: dpa

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Wer am Samstag etwas länger schlief, blieb ahnungslos. Von der Qualmwolke, die sich nach dem Chemieunfall bei der Firma Kluthe in Wieblingen ausbreitete, wusste nur, wer Radio hörte oder sein Smartphone checkte. Passiert so etwas in Mannheim, kriegen es alle mit: Dort warnen seit eineinhalb Jahren 65 im ganzen Stadtgebiet verteilte Sirenen vor solchen Gefahren.

Frank Karlein, Leiter des Bereichs Katastrophenschutz bei der Feuerwehr Heidelberg, fände solch ein System auch für Heidelberg wünschenswert: "Es gibt einfach kein besseres Warnsystem als diese Sirenen." Der Heulton sei durchdringend, wecke auch Schlafende. "Und dann ist klar, wie die Leute reagieren: Sie gucken aufs Handy, machen das Radio an oder fragen den Nachbarn, was los ist."

Bis Anfang der 90er Jahre war in Heidelberg das alte Alarm-Sirenennetz der Nachkriegszeit in Betrieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der Staat es im ganzen Bundesgebiet installiert und zwar nur für den Luftschutz. Mit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges änderte sich die Situation. "Das Geld war knapp und wurde für den Wiederaufbau im Osten gebraucht, zeitgleich schätzte man die Kriegsgefahr als gering ein", so Karlein. "Da fand man das Sirenennetz obsolet." An andere Gefahren wie Terroranschläge, Umweltkatastrophen, Großbrände, Chemieunfälle sei damals nicht gedacht worden.

Die meisten Kommunen schlugen das Angebot des Bundes aus, das veraltete und wartungsintensive Sirenennetz zu übernehmen. Auch Heidelberg wollte die Sirenen nicht erhalten. Also wurden die 91 Sirenen, die es in Heidelberg gab, zwischen 1992 und 1994 abgebaut. "Heute bräuchte man wohl nicht mehr so viele Sirenen-Standorte, weil wir technisch inzwischen viel weiter sind", schätzt Karlein, obwohl die Stadt in den letzten 25 Jahren natürlich gewachsen sei.

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Die Nachbarstadt Mannheim hat im Sommer 2017 ein komplett neues Sirenennetz aufgebaut, das die Bevölkerung in allen Stadtteilen vor Gefahren warnt: Die 65 Sirenen kosteten rund 1,4 Millionen Euro, von denen ortsansässige Firmen knapp ein Drittel übernahmen. Heidelberg wiederum hat rund ein Viertel weniger Fläche als Mannheim und bräuchte daher wohl auch weniger Sirenen.

"Natürlich ist die Situation in der Industriestadt Mannheim - mit der BASF gleich über dem Rhein - eine andere", sagt Karlein. Aber auch in Heidelberg gebe es das Universitätsklinikum und die Forschungseinrichtungen - auch da könne immer mal was passieren. "Letztlich ist es eine Frage des politischen Willens", so Karlein.

Einen anderen wichtigen Schritt für die Sicherheit gab es aber gestern schon: Die Warn-Apps "Nina" und "Katwarn" senden ab sofort überall die gleichen Warnungen aus, wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz mitteilte. Jeder Smartphone-Nutzer braucht jetzt also nur noch eine App.

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