Plus Metropolink-Festival 2022

Diese Kunst in Heidelberg macht Lust auf mehr

Beim Festival für urbane Kunst in Patrick-Henry-Village hinter dem alten US-Supermarkt herrscht sommerlich-mystische Atmosphäre.

30.07.2022 UPDATE: 30.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
„Make Art Not War“: Ein alter Pershing-Panzer auf dem Festivalgelände kommt in friedlichen Regenbogenfarben daher. Foto: Philipp Rothe

Von Alexander R. Wenisch

Heidelberg. Großstadt-Gefühl: Die Kulisse des diesjährigen Metropolink-Festivals erinnert mehr an den Holzmarkt 25 im Berliner Stadtteil Friedrichshain als an die ehemalige US-Army-Kaserne an der Autobahn A5. Urbane Kunst trifft auf urbanes Lebensgefühl. Mit Sprayern, Musikern, Lichtinstallationen und gut gelauntem Geplauder.

Okay, der Eröffnungsabend am Donnerstag läuft etwas zäh an. Theresia Bauer und Eckart Würzner, die um den Bürgermeister-Sessel konkurrieren, bemühen sich, vor dem jungen Publikum locker zu wirken und möglichst wenig den Eindruck von Wahlkampf zu erwecken – was natürlich nicht geht. Also loben sie Festivalmacher Pascal Baumgartner für dessen Vision und Durchhaltevermögen.

Erwähnen, wie wichtig Kultur für das gesellschaftliche Miteinander ist. Aber vor allem geht es ihnen um den neuen Stadtteil, der hier, auf dem Gelände des Patrick-Henry-Village (PHV), entstehen soll. Im Speziellen: die notwendige Anbindung mit ÖPNV und für Radfahrer. Beide betonen natürlich, mit dem Rad zum Festivalgelände gekommen zu sein. Abgehakt.

Elf Tage wird rund um den ehemaligen Supermarkt der Kaserne, im vergangenen Jahr noch Corona-Impfzentrum, gefeiert, gepinselt und gesprayt. Der erste Abend lieferte bei lauen Sommertemperaturen einen angenehmen Vorgeschmack. Herzstück ist der ehemalige Versorgungshof des Supermarkts.

Im Halbrund stehen dort nun Industriecontainer, die das kleine Team um Baumgärtner zu Essens- und Getränkeständen verwandelt hat. Darüber thront eine DJ-Kanzel. Die wuchtigen ehemaligen Lkw-Tore wurden verlängert zu hölzernen Terrassen.

Über der Szenerie schwebt und glitzert eine Discokugel. Zusammen mit warmen Lichterketten entsteht eine sommerlich-mystische Atmosphäre. Alte Sofas oder Sonnenliegestühle komplettieren das Ensemble und erzeugen eine industrielle Gemütlichkeit. Was sich wiederum deutlich von der nebenan gelegenen, mit alten Bäumen sehr natürlich gehaltenen Ausstellungsfläche am Straßenzug South Gettysburg Avenue abhebt, wo das Festival in den vergangenen drei Jahren stattfand.

Der zweite Teil des Innenhofs wird dominiert von einer hohen metallenen Sprossenwand, abends blau angestrahlt, und einer Bühne, auf der am Eröffnungsabend die Band "Zouj" aus Leipzig spielt. Etwas artifizieller, bass- und keyboardlastiger Power-Punk. Die Stimme des Sängers mit voll aufgedrehtem Autotune ins Mickey-Maus-hafte verzerrt.

Über allem schwebt die Discokugel: Der Hinterhof des ehemaligen US-Supermarktes in Patrick-Henry-Village versprüht gemütliche Industrieromantik. Im Halbrund gibt es hier Essen, Getränke und DJ-Musik aus mit Graffiti verzierten Containern. Foto: Philipp Rothe

Man kann also vor der Bühne tanzen, was auch einige Gäste tun, die an diesem Abend aus allen Altersklassen kommen. Oder auf dem in Regenbogenfarben lackierten ehemaligen Pershing-Panzer, der dort steht, sitzen und staunen. Es sind solche Kontraste, die irritieren und faszinieren zugleich. Und die die Besucher ebenso ins Gespräch bringen wie die Wandkunst. 19 internationale Künstler werden in den kommenden Tagen hauptsächlich das ehemalige PHV, aber auch die Heidelberger Altstadt (Baumgärtner: "Puppenstubenhausen") um neue Graffiti-Kunst erweitern und bereichern.

Am Abend konnte man den Künstlern PRSNR (gesprochen: Prisoner) und Mona Harth bei der Arbeit zuschauen – was aber im Trubel der Eröffnungsparty etwas in den Hintergrund geriet. Der ehemalige US-Supermarkt ist heute bereits eine riesige Street-Art-Galerie. Leider fehlt an den beeindruckenden Werken jede Information zu Künstler, Motiv oder auch nur Technik, was wahrscheinlich den Ursprüngen der Sprayer-Kunst geschuldet ist, die ja anonym im öffentlichen Raum entstand.

Das achte Festival steht unter dem Motto "Umwelten – Umbrüche – Umdenken". Wir erleben eine Krisenzeit und die Metropolink-Macher wollen mit Kunst positive Momente dagegensetzen und zur Debatte anregen: "Wie wollt ihr in Zukunft leben?" Das Schönste sei für ihn, so Baumgärtner, wenn sich die Menschen vor den öffentlichen Kunstwerken treffen und über die Motive miteinander ins Gespräch kämen. Zeit dafür ist in den kommenden Tagen ab 18 Uhr (Sonntag ab 14 Uhr Kinder- und Jugendprogramm). Das Festival geht noch bis Sonntag, 7. August.

Infos und Tickets: www.metropolink.art

Die „Metropolink’s Commissary“, eine riesige Kunstgalerie in dem alten US-Supermarkt, lädt dazu ein, Künstlern bei der Arbeit zuzuschauen. Foto: Philipp Rothe
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