Was in Heidelberg bei einem langen Stromausfall passiert
Das Handynetz wäre tot, in den Bergstadtteilen käme bald kein Wasser mehr aus dem Hahn und die Tankstellen fielen aus. Allerdings wäre die Patientenversorgung gesichert.

Von Robin Höltzcke
Heidelberg. Wenn der Strom länger ausfällt, ist nicht nur das Handy bald leer, auch Essen kochen oder das Auto auftanken werden zum Problem. Denn unser gesamtes Leben ist auf Strom angewiesen.
Was passiert in Heidelberg, wenn ein Blackout länger andauert – etwa mehrere Tage? Dazu hat die RNZ bei Vertretern der kritischen Infrastruktur wie den Stadtwerken, der Feuerwehr oder der Uniklinik nachgefragt.
Wie kommunizieren wir während eines Blackouts? Bei einem Stromausfall ist das Festnetz tot. Und selbst wenn die Akkus mancher Mobiltelefone noch einige Tage halten, könnten sie schon nach kürzester Zeit nicht mehr funktionieren – weder Anrufe noch mobiles Internet.
Denn wegen des hohen Gesprächsaufkommens könne die Notstromversorgung der Mobilfunk-Netzanbieter das Netz nur für kurze Zeit aufrechterhalten, wie es in einem Dokument des Ausschusses für Technikfolgenabschätzung des Bundestags heißt.
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In Heidelberg, so ein Stadtsprecher, rücke bei einem Blackout daher die analoge Kommunikation wieder in den Vordergrund. Über Aushänge, Flugblätter oder Lautsprecherdurchsagen könne man dann die Bürgerinnen und Bürger über die Lage informieren.
Zudem sollen dezentrale Orte in den Stadtteilen – etwa die Bürgerämter oder die Gerätehäuser der Feuerwehr – als Anlaufstellen für die Bürger zur Kommunikation mit den Behörden dienen.
Auch viele Massenmedien kämen bei einem Blackout schnell an ihre Grenzen. So reichen die Notstromreserven der RNZ in solch einem Fall nicht aus, um die Zeitung drucken zu können – zu hoch ist der benötigte Energieaufwand, um Computer und Druckmaschinen am Laufen zu halten. Die Notfallbatterien ermöglichen aber eine Sicherung aller Daten auf den Servern.

"Es ist davon auszugehen, dass der Hörfunk am längsten den Betrieb aufrechterhalten kann, da einige Sendestudios notstromversorgt sind", so der Stadtsprecher. Und da manche Radiogeräte mit Batterien, über Solarzellen oder sogar per Kurbeltechnik betrieben werden können, ist der Empfang weiter möglich.
Kommt weiter Wasser aus dem Hahn? Ist der Stromausfall nur kurz, ja. Doch bleibt die Elektrizität etwas länger weg, gibt es in den Hanglagen Heidelbergs schon nach kurzer Zeit kein Wasser mehr – weil die Pumpen, die das Wasser in die Höhe bringen, nicht mehr betrieben werden können. Lediglich für 12 bis 24 Stunden können die Hanglagen dann noch aus Hochbehältern versorgt werden, erklärt Stadtwerke-Sprecherin Ellen Frings.
Danach ist am Berg – also etwa in Ziegelhausen, Schlierbach, auf dem Boxberg und im Emmertsgrund – eine Notversorgung über Trinkwasserausgabestellen erforderlich. Besser sieht es in den tieferen Lagen aus, denn die Wasserwerke Rauschen, Entensee und Schlierbach liefern mit Notstrom weiter Wasser – sie haben eine mehrtägige Treibstoffreserve. "Damit kann die Wasserversorgung in der Tiefebene des Stadtgebietes eingeschränkt fortgeführt werden", so Frings.
Das Wasser hat weiter Trinkwasserqualität. Zusätzlich gibt es über das Stadtgebiet verteilt noch 32 Notbrunnen. "Diese Brunnen sind nicht mit dem Trinkwassernetz verbunden und können über mobile Stromerzeuger autark betrieben werden", erklärt Frings.
Wie holt man im Notfall – etwa bei einem Brand – Hilfe? Wenn das elektrische Licht aus ist, greifen viele auf Kerzenlicht zurück – und das Risiko für Brände steigt. Doch wie ruft man die Feuerwehr, wenn es kein Handynetz gibt? Der Stadtsprecher erklärt: "Dann sind die Gerätehäuser der Freiwilligen Feuerwehren in den Stadtteilen die wichtigsten Anlaufstellen, um Notfälle zu melden."
Von dort aus gelangen die Notrufe über den Behördenfunk zur Feuerwehr. Die Stadt plant, die Gerätehäuser der Freiwilligen Feuerwehr für diesen Fall aufzurüsten: Mit dem Ausbau der Stromersatzanlagen und von Treibstoffreserven soll dort ein normaler Betrieb für 72 Stunden gewährleistet sein. Die Berufsfeuerwehr in der Bahnstadt ist damit bereits ausgestattet.

Löschwasser gibt es auch bei einem Stromausfall: Sollte die reguläre Wasserversorgung ausfallen, kann die Heidelberger Feuerwehr Tankfahrzeuge wie den "Abrollbehälter Wasser" nutzen, die etwa mit Neckarwasser gefüllt werden können.
"Es ist der größte zur Verfügung stehende Löschwassertank der Feuerwehr Heidelberg und fasst bis zu 9700 Liter Wasser", sagt der Stadtsprecher. Die Berufsfeuerwehr verfügt zudem über eine mobile Tankstelle mit 1000 Liter Dieselkraftstoff – und eine notstromversorgte Betriebstankstelle für die Rettungsdienste.
Wie werden medizinische Notfälle versorgt? Gibt es ausreichend Medikamente? Krankenhäuser müssen für mindestens 24 Stunden mit einer Notstromversorgung ausgestattet sein. Am Universitätsklinikum Heidelberg verfügt nahezu jede der 21 Trafostationen auf dem Campus über unabhängige Notstromaggregate. Das entspricht etwa 18 Megawatt – dem Bedarf von 1000 Einfamilienhäusern. Laut einer Sprecherin der Uniklinik sei die Versorgung der Patienten auch bei einem mehrtägigen Stromausfall gesichert.

Auch die rund 50 Apotheken in Heidelberg sind Teil der kritischen Infrastruktur. Maximilian Schmitt, Inhaber einer Apotheke in Kirchheim, erklärt, dass sich die Abläufe bei einem Stromausfall sehr schnell ändern müssen: "Erst Mitte Dezember hat der Apothekerverband eine Handlungsempfehlung für diesen Fall gesendet. Viele Apotheken nutzen etwa elektronische Medikamentenschubladen, die bei einem Stromausfall nicht mehr funktionieren. Wir haben zum Glück noch manuell bedienbare Schubladen."
Aber auch bei der Nachbestellung von Medikamenten, die normalerweise automatisiert über den Computer erfolgt, gibt es dann Schwierigkeiten. Zudem müssen viele Arzneimittel gekühlt werden – was nur noch mit der Restkühle im sich nach und nach aufwärmenden Kühlschrank geht. "Wir haben für diesen Fall einen Temperaturschreiber mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung", sagt Schmitt. "So wissen wir, ob die Medikamente noch verwendbar sind."
Kann man noch tanken? Nein. Die meisten Tankstellen haben keine Notstromaggregate, um die elektrischen Kraftstoffpumpen zu betreiben. "Wenn der Strom ausgeht, dann habe ich Feierabend", sagt daher eine Mitarbeiterin der Tankstelle neben dem "Kaufland" im Pfaffengrund. Lediglich die OMV in der Speyerer Straße verfügt über ein solches Aggregat.
Das aber hilft "normalen" Autofahrern nicht, denn: Bei einem Stromausfall dürfen nur Fahrzeuge tanken, die zum Erhalt der kritischen Infrastruktur erforderlich sind – also Rettungsfahrzeuge, Feuerwehrautos und Polizeiwagen. Auch die Shell-Tankstelle in der Rohrbacher Straße steht den Rettungsdiensten dann zur Verfügung. "Wir haben erst 2022 neue Zapfsäulen mit einem Notstromanschluss einbauen lassen, sodass das Technische Hilfswerk die Zapfsäulen betreiben kann", teilt der Betreiber mit.
Wer noch Kraftstoff im Tank hat, kann natürlich auch bei einem Blackout fahren – allerdings muss er das deutlich vorsichtiger tun, denn die Ampeln funktionieren nicht mehr. Dann gelten die allgemeinen Verkehrsregeln – etwa: Rechts vor Links –, und an manchen Ampeln regeln Polizisten den Verkehr.
Ein Blackout ist unwahrscheinlich
Die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden Stromausfalls ist in Deutschland gering. Denn die Stromversorgung hierzulande gehört zu den stabilsten in Europa. Im Mittel dauert ein Stromausfall in Deutschland rund zehn Minuten, in Heidelberg sogar nur halb so lange. Der Stadt zufolge ist die Versorgungssicherheit hier überdurchschnittlich hoch.
Die zunehmende Digitalisierung der Energielieferanten könnte jedoch zu einer Schwachstelle werden. So ist die Stromversorgung anfälliger für digitale Sabotagen wie Hackerangriffe oder Schadsoftware. Neben Sabotageversuchen können auch Umweltkatastrophen einen Blackout verursachen – wenn etwa starke Stürme, Hochwasser oder sehr viel Schnee die Infrastruktur beschädigen. Bisher gab es jedoch keine Naturereignisse oder Cyberattacken, die in Deutschland zu einem länger andauernden Stromausfall geführt haben.