Klimaschutz in Heidelberg

Die Universität soll Vorbild sein

"Students for Future" stellen Klimaschutzforderungen an das Rektorat - Studierendenversammlung beschloss diese am Montagabend

26.11.2019 UPDATE: 27.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Dieter Teufel (r.) vom Umwelt- und Prognose-Institut kritisierte die Unileitung bei der Studierendenversammlung: Zu wenig und zu langsam würde sie Klimaschutz betreiben. Die Forderungen der „Students for Future“ an das Rektorat sollen das ändern. Foto: Rothe

Von Hans Böhringer

Heidelberg. Nach zwei Stunden Diskussion schnappt sich Paul Wiesemeyer von den "Students for Future" ein Mikrofon – ein Test, ob noch alle wach sind: "Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir es?" Auch um 22 Uhr schallt die Antwort laut aus den Reihen des Hörsaals in der Neuen Uni: "Jetzt!" An die 250 Studierende sind am Montagabend gekommen, um abzustimmen über einen Katalog mit Klimaschutzforderungen an Uni und Pädagogische Hochschule (PH). Die "Students for Future", ein Ableger von Fridays for Future (FFF), beriefen die Versammlung am Montag, dem ersten Tag der Klimastreikwoche, ein. Ein Arbeitskreis der "Students" habe die Forderungen in Rücksprache mit einem Expertennetzwerk – auch von den "Scientists for Future" – konzipiert, berichtet Lukas Pilz, der die Versammlung mit Marianne Bretzel moderiert.

50 Forderungen stellen die beiden zusammen mit anderen Studierenden vor. Um Zeit für Fragen und die Abstimmung über jeden Themenblock zu ermöglichen, ist die dreistündige Veranstaltung auf die Minute genau durchgetaktet. Man versuche, über die Zahl der Anwesenden Druck auszuüben, erklärt Marianne Bretzel. Pilz fügt hinzu: "Ziel ist, dass der Forderungskatalog legitimiert wird." Kurz vor elf Uhr bestätigen die Studierenden diesen Katalog, ohne Gegenstimmen und mit lautem Applaus und Klopfen. Die RNZ stellt die wichtigsten Forderungen vor:

> Allgemein: Die Uni müsse "ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, indem sie spätestens bis 2035 klimaneutral und nachhaltig wird", heißt es in dem Katalog. Sie solle den Klimanotstand ausrufen, sich mit den Forderungen von FFF solidarisieren und mit Stadt und Land kooperieren. Zudem fordern die Studierenden "eine ganzheitliche nachhaltige Neuausrichtung" und jährlich "einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht durch unabhängige Gremien".

> Gebäude und Energie: "Um Klimaneutralität zu erreichen, spielen Gebäude eine entscheidende Rolle", so die "Students". Sie fordern energietechnische Sanierungen für alle Altbauten und Passivhausstandard für Neubauten. Energie solle gespart und – wo möglich – auch selbst produziert werden; für den Ausbau der Solarenergie sei eine Lockerung des Denkmalschutzs nötig.

> Forschung und Lehre: Die Uni solle "mit der Ausrichtung der Forschung und Lehre zur Lösung der aktuellen Klimakrise beitragen". Dafür fordern die Studierenden mehr Professuren und interdisziplinäre Kooperation. Ergebnisse und Lehre zum Thema Klimaschutz sollten öffentlich sein, sofern Patente dies erlauben.

> Flächennutzung und Mobilität: Ökologie müsse bei der Flächennutzung eine hohe Priorität haben. Das Fahrrad und den Nahverkehr solle die Uni durch Infrastrukturausbau stärken. "Wir fordern eine drastische Reduktion der Flugreisen", schreiben die "Students" – dies gelte auch für Forschungs- und Fortbildungsreisen.

> Institutionen: Eine "Nachhaltigkeitsrichtlinie" mit Bekenntnis zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens müsse in das jeweilige Leitbild von Uni und PH aufgenommen werden. Für den Klimaschutz brauche es zweijährliche Zielsetzungen sowie eine Verwaltungsstelle für Nachhaltigkeitsfragen.

"Die PH und die Uni sind dem Wissenschaftsministerium unterstellt, sie sollen sich dem Staatsziel Klimaschutz verpflichten", betont Marianne Bretzel. Wo sie selbst nichts direkt ändern kann, etwa bei der Gebäudesanierung, fordern die Studierenden die Uni auf, sich beim Land zu bemühen. Dieter Teufel, Leiter des Umwelt- und Prognose-Instituts in Heidelberg, lobt den Katalog: "Es stehen alle wesentlichen Sachen drin." Rektor Bernhard Eitel hingegen kritisiert er scharf: Aufgrund ihrer internationalen Reputation habe die Uni eine besondere Verpflichtung, Vorbild zu sein. Auch Medizinstudentin Noemi Cramer im Publikum schätzt die Forderungen nach Verbesserung: "Es gab Stichpunkte, bei denen dachte ich: Wow, das ist richtig gut."

Wie die Pressesprecherin der "Students", Franca Leutloff, mitteilt, sollen die Forderungen am Freitag, dem Tag des großen Streiks, an das Rektorat überreicht werden. Dieses ist dann bis zum 10. Januar aufgefordert, Stellung zu nehmen. Und falls das nicht passiert? Bretzel setzt auf den Druck der Demonstrationen: "Der Rektor hat jahrelang nicht mit der verfassten Studierendenschaft geredet. Der einzige Grund, warum wir jetzt mit ihm reden können: Weil wir auf der Straße sind."

Info: Der Forderungskatalog findet sich im Internet unter www.fridaysforfuture-heidelberg.de/forderungen_lang

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