So wurde in Heidelberg über das Essen von morgen diskutiert
"Wir brauchen kein Superfood" - Auf der Konferenz diskutierten Wissenschaftler und Politiker

Im Rahmen der Jungen Klimakonferenz Deutschland, der "Local Conference of Youth" (LCOY), diskutierten an der IGH (v.l.): Peter Jung, Jutta Kienzle, Christoph Then, Moderatorin Alexandra Struck, Karl von Koerber, Friedlinde Gurr-Hirsch und Ralph Neuner. Foto: Rothe
Von Daniela Biehl
Heidelberg. Als Ralph Neuner am Samstagabend in der Aula der Internationalen Gesamtschule endlich zum Mikrofon greift, muss der Heidelberger Rinderzüchter erst einmal tief durchatmen, die Gedanken ordnen. Denn zuvor hatten Jutta Kienzle (Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau) und Karl von Koerber (Dozent für Ernährungsökologie an der TU München) schon recht leidenschaftlich die Abkehr vom Fleischkonsum beschworen. Neuner, Kienzle und Koerber sitzen mit weiteren drei Teilnehmern auf Einladung der "Jungen Klimakonferenz Deutschland" (LCOY) auf einem Podium zum Thema "Ernährung der Zukunft."
Neuner hat einen schweren Stand: Als Alexandra Struck ihm das Mikrofon gibt, geht ein Raunen durch den Saal. "Im Publikum sitzen ausschließlich Veganer", scherzt die Moderatorin daraufhin. Und auf dem Podium sitzen ebenfalls jene, die andere Wege beim Thema Ernährung einschlagen wollen. Gerade deswegen betont Neuner eindringlich: "Wir brauchen die Tierhaltung, um bestimmte Flächen offenzuhalten." Denn die Wiesen, auf denen seine Rinder weiden, seien für den Ackerbau unbrauchbar. Ohne die Tierhaltung, ist er sich sicher, würde das Land brach liegen. Es würde zugebaut werden oder verwildern und der Artenvielfalt schaden. Denn die Grünflächen und der Kot seiner Tiere seien für Insekten – und damit für das Ökosystem – essenziell.
Doch Neuner sagt an diesem Abend auch: "Der Verbraucher muss sich umstellen. Er sollte nicht mehr zum günstigen Fleisch aus dem Supermarkt greifen." Immerhin stammt ein Drittel aller Treibhausgase aus der Landwirtschaft. Etwas für das Klima zu tun, heiße auch, seine Ernährung umzustellen. Zumal die Welt in den nächsten Jahrzehnten auf eine Ernährungskrise zusteuere.
Wie also sieht die Ernährung der Zukunft aus? Auf dem Podium ist man sich schnell einig. Es müsse wieder regional eingekauft werden. "Wir brauchen kein Superfood, keine Chiasamen, keine Avocado aus dem Ausland", sagt Koerber. "Wir haben tolle Nahrungsmittel in Deutschland: rote Beete, Birnen, Haselnüsse, Sauerkraut im Winter." Man müsse die heimischen Produkte nur wieder entdecken. Zumal man diese auch im Frühjahr noch ohne Gewissensbisse verzehren könne. Die meisten Obstbauern hätten auf ihren Kühlhäusern inzwischen Solaranlagen angebracht - und sind damit "nahezu autark", so Kienzle.
Wie aber sehe es mit gentechnisch veränderter Nahrung aus, will Moderatorin Alexandra Struck wissen. Könnte das den Hunger in der Welt besiegen? Christoph Then, Experte für Bio- Gentechnologie, glaubt nicht daran. In den Medien sei zwar oft von solchen Projekten die Rede. "Doch da geht es großen Unternehmen nur um Profit", meint Then. Rentabel sei das nicht, und auf die Gefahren, die von solchen Lebensmitteln ausgehen, weise kaum jemand hin. Säe man in Afrika beispielsweise einen gentechnisch veränderten Reis aus, könne das die heimischen Pflanzen verdrängen, verändern, oder sogar zerstören. Dabei seien die an die Trockenheit angepasst - und damit im Kampf gegen den Hunger "von unschätzbarem Wert."
Am Ende des Abends fällt dann schließlich ein Satz, der das ganze Dilemma auf den Punkt bringt. "Wir sind es, die die Lebensmittel verschwenden, die uns umstellen müssen, nicht die Entwicklungsländer", sagt Koerber. Sei die Politik da nicht längst am Zug, fragt Moderatorin Struck daraufhin Friedlinde Gurr-Hirsch, die baden-württembergische Staatssekretärin des Ministeriums für ländlichen Raum. Gurr-Hirsch will die Freiheit des Einzelnen durch neue Gesetze nicht einschränken, plädiert aber für Gärten und Hochbeete in Schulen - aus gutem Grund: "Um schon die Kleinsten mit heimischen Nahrungsmitteln wieder vertraut zu machen."