Investoren, Konsequenzen, Ermittlungen

Das sagt der Uniklinik-Vorstand zum Heidelberger Bluttest-Skandal

Leitende ärztliche Direktorin und kaufmännische Direktorin stehen im großen RNZ-Interview Rede und Antwort

26.04.2019 UPDATE: 27.04.2019 06:00 Uhr 12 Minuten, 7 Sekunden

"Wir wurden aber in dieser üblen Geschichte benutzt, um dem Ganzen die Weihen der Universitätsmedizin zu geben", beteuern Gürkan (l.) und Grüters-Kieslich (r.). Foto: Philipp Rothe

Von Klaus Welzel, Denis Schnur und Sören Sgries

Heidelberg. Der Bluttest-Skandal an der Heidelberger Uniklinik zieht weite Kreise. Die RNZ bat den Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, leitende ärztliche Direktorin des Universitätsklinikum Heidelberg und der Medizinischen Fakultät Heidelberg, und Dipl.-Volkswirtin Irmtraut Gürkan, Kaufmännische Direktorin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende, zum umfassenden Gespräch.

Frau Grüters-Kieslich, Frau Gürkan, vor zwei Monaten veröffentlichte Ihr Haus eine Pressemitteilung, die einen "Meilenstein" in der Brustkrebs-Früherkennung anpries und behauptete, noch in diesem Jahr werde ein entsprechender Bluttest marktreif sein. Beides stimmte nicht. Wie kam es zu dieser Misere, die jetzt am guten Ruf des Universitätsklinikums nagt?

Grüters-Kieslich: Wir haben uns dafür entschuldigt. Es war ein Präzedenzfall für das Uniklinikum. Die Öffentlichkeitsarbeit lag leider nicht in unserer Hand, sondern wurde von der Beteiligungsgesellschaft Heiscreen GmbH initiiert und durchgeführt. An der HeiScreen GmbH ist das Klinikum nicht direkt, sondern über seine Tochtergesellschaft "technology transfer heidelberg" (TTH) beteiligt. HeiScreen ist folglich die Ausgründung einer Ausgründung des Klinikums. HeiScreen hat, wie wir heute wissen, ein Konzept bei der Düsseldorfer PR-Beratung Deekeling Arndt Advisors in Auftrag gegeben. Dieses Konzept haben wir nie - ich betone: nie - gesehen. Wir haben von der Existenz dieses Konzepts überhaupt erst vier Wochen nach der von HeiScreen initiierten PR-Pressekonferenz erfahren.

Hintergrund

> Irmtraut Gürkan ist seit 2003 kaufmännische Direktorin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg. Die 66-Jährige stammt aus Nordhessen und studierte Volkswirtschaft in Göttingen. Anschließend war sie zwei Jahre bei

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> Irmtraut Gürkan ist seit 2003 kaufmännische Direktorin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg. Die 66-Jährige stammt aus Nordhessen und studierte Volkswirtschaft in Göttingen. Anschließend war sie zwei Jahre bei der Krankenkasse AOK in Frankfurt am Main und danach 23 Jahre am Universitätsklinikum Frankfurt tätig. 1990 übernahm sie dort die Verwaltungsdirektion, 2001 wurde sie Kaufmännische Direktorin.

> Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich ist seit Juni 2017 Leitende Ärztliche Direktorin und Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums. Die 64-Jährige wurde in Gladbeck geboren, studierte Medizin in Bochum und Berlin, wo sie auch promovierte und habilitierte. An der Berliner Charité war sie von 2008 bis 2015 Dekanin und Vorstandsmitglied. Sie gab ihr Amt jedoch nach Streit mit ihren Vorstandskollegen um die Verwendung von Forschungsgeldern auf. dns

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Sie fühlen sich also hintergangen?

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Grüters-Kieslich: Wir wurden somit sehr bewusst im Unklaren gelassen und fühlen uns von HeiScreen getäuscht. Dem Vorstand des Klinikums konnte aufgrund dieser und anderer Vernebelungsmanöver noch nicht einmal ansatzweise klar sein, dass es um ein breites Kampagnenkonzept gegangen ist, welches die von HeiScreen beauftragte Agentur Deekeling Arndt mit dem Ziel einer sogenannten "Produktbewerbung" (dieser Ausdruck stammt nicht von uns) entwickelt hatte. Wir haben das Verhalten von HeiScreen in den vergangenen Wochen systematisch aufarbeiten können und sind entsetzt.

Aber Sie haben das Interview mit der Bild-Zeitung vor Erscheinen gelesen, ebenso Dekan Andreas Draguhn und die Presseabteilung der Uniklinik. En détail.

Grüters-Kieslich: Wenige Stunden beziehungsweise Tage vor der Pressekonferenz habe ich den Text des bereits erfolgten Bild-Interviews – ohne Schlagzeile und Foto - lesen können. Ich hatte beim Lesen dieses Textes allergrößte Bedenken und habe alle aus meiner Sicht absurden Bewertungen, die mir in der Kürze der Zeit zu erkennen möglich war, aus dem Text entfernt, wie zum Beispiel: "Das Uniklinikum sagt, dies ist ein revolutionärer Test." Dieser Satz war komplett inakzeptabel. Hätten meine Vorstandskollegen und ich geahnt, dass es aber noch um viel mehr ging – nämlich um eine breite, systematisch angelegte PR-Aktion -, dann hätten wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Pressekonferenz und Pressemitteilung  zu stoppen, auch wenn nicht wir, sondern die Beteiligungsgesellschaft HeiScreen, also die Ausgründung der Ausgründung des Klinikums, Auftraggeber war.

Von der groß geplanten Kampagne wollen Sie komplett überrascht worden sein?

Grütes-Kieslich: Was heißt denn bitteschön "wollen"? Ich wähle den Indikativ: Wir wurden überrascht. Und wir fühlen uns hinters Licht geführt. Auch systematisch. Weil wir nur extrem selektiv von HeiScreen Informationen über eine geplante PR-Aktion – nämlich eine Pressekonferenz mit Pressemitteilung – erhalten haben. Dass alle möglichen Medien angeschrieben wurden, wussten wir definitiv nicht. Und wir konnten es auch nicht wissen. Am 30. Januar hat sich der Fakultätsvorstand mit der Möglichkeit einer Pressekonferenz zu diesem Thema beschäftigt. Selbst der Text des Interviews mit Herrn Prof. Sohn wurde dem Vorstand erst vorgelegt, nachdem das Interview bereits komplett ohne uns geführt worden war. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Und ein Interview, das von einem Professor des Uni-Klinikums bereits gegeben wurde, konnten wir der Bild-Zeitung nicht verbieten. Leider.

Der frühere "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann war offenbar in die Kampagne eingebunden. Welche Rolle spielte er aus Ihrer Sicht?

Gürkan: Nach der Kampagnen-Rechnung, die wir vier Wochen nach der Pressekonferenz gesehen haben, weil in der Buchhaltung des Uni-Klinikums alle Rechnungen sämtlicher Tochtergesellschaften systematisch erfasst werden – bezahlt hat die Rechnung natürlich HeiScreen -, gehen wir davon aus, dass er der Medienberater von Herrn Harder sein könnte. Mehr wissen wir nicht.

Es gibt doch aber Mails auch aus der Öffentlichkeitsarbeit des Uniklinikums, die auch Kai Diekmann erhalten hat.

Gürkan: Es gab Mails zur vorwiegend organisatorischen Vorbereitung einer Pressekonferenz, die an einen großen Verteiler gingen und in dem auch Herr Diekmann aufgeführt war. Irgendwann kam auch das Thema Bild-Zeitung auf. Da sind wir als Vorstand lediglich partiell informiert worden. 

Sie waren nicht Herren des Verfahrens?

Gürkan: Ganz und gar nicht. Wir fühlen uns getäuscht und benutzt. Das haben wir, wie wahrscheinlich jeder Mensch, nicht so gerne. Und ich sage Ihnen: Das wird uns nicht mehr wieder passieren.

Grüters-Kieslich: Es war ein Präzedenzfall, aus dem wir sehr viele Lehren ziehen. Wir haben bisher mit unseren Ausgründungen ja sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir wurden aber in dieser üblen Geschichte benutzt, um dem Ganzen die Weihen der Universitätsmedizin zu geben.

Das ist Ihnen aber erst jetzt, im Nachhinein, klar?

Grüters-Kieslich: Wenn wir es vor dem Start aller geplanten PR-Aktivitäten gewusst hätten, hätten wir uns nicht benutzen lassen. So einfach ist das. Wir haben an der Pressemitteilung mitgewirkt, aber nur, um Schlimmeres zu verhindern.

Wie hat Professor Sohn auf diese Eingriffe reagiert?

Grüters-Kieslich: Es gab eine Diskussion. Ich habe ihn angerufen und ihm deutlich gemacht, welche Formulierungen nicht gehen.

Wenn Sie schon beim Interview-Entwurf Bedenken hatten, Ihnen dann auch das veröffentlichte Ergebnis missfiel: Warum erfolgte so spät die offizielle Distanzierung?

Grüters-Kieslich: Wir haben uns durchaus direkt im Anschluss an die Pressekonferenz überlegt, ob wir eine Gegendarstellung machen und uns klar positionieren gegen die übertriebenen Darstellungen. Wir haben uns dagegen entschieden aus der Sorge, dass wir das Thema dadurch noch größer machen - was ja trotzdem geschehen ist. Es handelte sich also um eine kommunikative Fehleinschätzung.

Gürkan: Wichtig ist dabei auch die Verantwortung des Wissenschaftlers. Hochschullehrer sind frei, was ihre Wissenschaft angeht. Da kann weder eine ärztliche Direktorin noch ein Dekan ihnen Vorschriften machen. Ein Hochschullehrer vertritt sein Fach in Forschung und Lehre in voller Breite.  Wo kämen wir denn hin, wenn wir jeden Hochschullehrer vor Veröffentlichung eines Medienbeitrags kontrollieren würden? Andererseits darf so etwas nie wieder passieren. Wir überlegen jetzt sehr genau, welches Regelwerk wir einziehen werden, um solche Vorgänge künftig zu verhindern.

Wer hat denn jetzt letztlich eigentlich die Rechnung über 80.000 Euro für die Kampagne gezahlt? Die Uniklinik?

Gürkan: Heiscreen. Das Klinikum übernimmt lediglich die Buchhaltung für Heiscreen - so wie wir es für einige unserer Ausgründungen machen. Das hat Kostengründe. Denn wenn jedes Start-Up – nichts anderes sind die Beteiligungsgesellschaften ja – noch seine eigene Buchhaltung führt, wird es einfach teurer. Es ist effizient, wenn unsere Buchhaltung für einige Töchter unterstützend als Dienstleister tätig ist.

Welche Konsequenzen wird diese Geschichte für Prof. Sohn innerhalb des Uniklinikums nach sich ziehen?

Grüters-Kieslich: Er hat erstmal Urlaub genommen. Wir werden das mit ihm besprechen. Das, was jetzt passiert ist, kommt ja allein schon einer Strafe gleich. Er hat sich auch entschuldigt. In eindrücklicher Weise, in einer Versammlung der Klinikdirektoren. Sein Team, die Naturwissenschaftler, haben nach unserer bisherigen Kenntnis damit übrigens nichts zu tun. Es wäre schade, wenn ihre Arbeit jetzt fallen gelassen würde wie eine heiße Kartoffel. Professor Sohn als der Kopf des Ganzen wird sich Fragen gefallen lassen müssen.

Aber auch Frau Schott ist in der "Bild" mit Foto zu sehen. Das sieht doch nach gemeinsamer Kampagne aus.

Grüters-Kieslich: Davon würde ich nicht ausgehen. Ich möchte betonen, dass Frau Schott eine Wissenschaftlerin ist, die ein authentisches Interesse hat, schon früh "Jugend forscht" gewonnen hat und aus ihrer ärztliche Tätigkeit, die sie mit großem Engagement erbringt, wichtige Forschungsfragen verfolgt – das ist genau das, was translationale Forschung braucht.

Sie gehen also davon aus, dass Professor Sohn die Kampagne maßgeblich initiierte?

Grüters-Kieslich: Wer das letzte Wort bei der Kampagnenplanung hatte, das entzieht sich unserer Kenntnis.


Bluttest und Investoren


Schauen wir auf den Test an sich: Nach dem Weggang von Frau Yang war klar, dass die Ergebnisse nicht die Erwartungen erfüllen. Trotzdem steht im Heiscreen-Gründungsvertrag, die Trefferquote betrage 100 Prozent, die Fehlerquote läge bei Null. Wer hat das zu verantworten?

Gürkan: Die von Ihnen erwähnten 100 Prozent beziehen sich auf eine ältere Studie auf Basis einer kleinen Stichprobe, auf der dann die weiteren Forschungsarbeiten aufbauten. Es gibt oft den Ansatz, dass man sich von einem Test viel verspricht und dann Partner sucht, mit denen man das umsetzen möchte. Ich verstehe Ihre Frage nach den Verantwortlichkeiten durchaus, möchte Ihnen aber in diesem Zusammenhang mitteilen, dass es bei solchen Projekten durchaus normal ist, dass sich Testergebnisse im Verlauf von Forschungen verändern.

Uns wurde zugetragen, dass auch das Pharmaunternehmen Roche als Investor angefragt war, aber absagte.

Gürkan: Der Konzern Roche war informiert über den Test und hat dem TTH empfohlen, bei Vorliegen eines guten Entwicklungsfortgangs die Ergebnisse in der Brustkrebsdiagnostik vorzustellen. Danach kam die Idee auf, noch einen deutschen Investor zu beteiligen.

Was gab in diesem Fall den Ausschlag für Jürgen Harder?

Gürkan: Er ist mit dem maßgeblichen Universitätsprofessor gut bekannt. Es war eine Empfehlung von Professor Sohn, ihn als Investor mit zu beteiligen.

Herr Harder war dann derjenige, der auf einer groß angelegten PR-Kampagne bestand?

Grüters-Kieslich: Wir gehen davon aus. In den entsprechenden Besprechungen waren wir zwar nicht dabei. Es gibt aber die Verbindung von Herrn Hader zu der Agentur. Daher denken wir, dass es nicht ohne seine Billigung geschehen ist.

Atmosphärisch ist die Situation der Gesellschafter bei Heiscreen sehr verfahren. Planen Sie eine Trennung von Investor Harder?

Gürkan: Das Vertrauen in die Zusammenarbeit zwischen HeiScreen Gmbh und Universitätsklinikum ist sehr schwerwiegend erschüttert. Deshalb versuchen wir, zeitnah zu einer Lösung zu kommen, wie wir unsere Zusammenarbeit beenden können. Dafür wird es eine Gesellschafterversammlung geben. Wir hoffen, dass wir eine einvernehmliche Lösung finden - zumal klar ist, dass wir noch sehr weit von einer Marktreife entfernt sind.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder der TTH, der mit dem Universitätsklinikum verbunden ist, steigt aus – oder Herr Harder. Was präferieren Sie?

Gürkan: Wir haben beide Optionen in Betracht gezogen. Es ist Aufgabe der Gesellschafterversammlung, sich da zu einigen.

Ist der Test inzwischen als Investment unattraktiv, weil er die Erwartungen nicht erfüllt?

Grüters-Kieslich: Wir waren davon ausgegangen, dass der Test schon viel näher an einer Produktentwicklung ist, als sich jetzt herausgestellt hat. Im Prinzip sind solche liquid biopsy-Tests etwas, das in den nächsten zehn Jahren eingesetzt werden wird in der Diagnostik. Für ein komplexes Geschehen wie einen Tumor eine taugliche Markerkombination zu finden, ist alles andere als trivial. Wir sind noch nicht an dem Punkt.

Ist der Test also unbrauchbar?

Grüters-Kieslich: Eine gewisse Brauchbarkeit in näherer Zukunft ist vielleicht gegeben. Nicht als populationsbasiertes Screening, als Ersatz der Mammografie - davon war ich sowieso nie ausgegangen und habe es auch nicht in der Pressemitteilung oder im Interview von Herrn Sohn so gelesen. Aber beispielsweise als Verlaufskontrolle könnte der Test durchaus funktionieren.

Wenn Sie auf das Jahr zurückblicken: Haben Sie Grund zu der Annahme, dass Sie durch das Forscherteam Sohn und Schott über die Mängel des Bluttestes im Unklaren gelassen wurden?

Grüters-Kieslich: Frau Schott hatte die Aufgabe, die Ergebnisse von Frau Dr. Yang zu reproduzieren. Das hat sie von 2017 bis Frühjahr 2018 versucht. Es ist ihr mit mehreren Konstellationen nicht gelungen. Es kam eine Sensitivität von rund 70 Prozent heraus. Und das wurde auch kommuniziert.

Bis zur Pressekonferenz wurde also alles richtig gemacht?

Grüters-Kieslich: Ich kenne die Details nicht, die da abgelaufen sind. Wir sind der Vorstand, wir stehen nicht neben dem Team im Labor. Aber was im Frühjahr und im Sommer 2018 an Daten präsentiert wurde, ist auch in etwa das, was jetzt in der Pressekonferenz dargestellt wurde. Ich habe keinen Anhalt, daran zu zweifeln, dass etwas an der Labordiagnostik schiefgelaufen ist. Auch eine interne Wissenschaftlergruppe hat keine Zweifel an der Datenlage als solcher geäußert. Definitiv anders verhält es mit der Interpretation der Daten. Falsch war die Aussage, dass man nahe an einer Produktentwicklung sei. Auch ist die Basis, auf der die Berechnungen basieren, zu klein, um von einem Früherkennungstest zu reden.

Für einigen Unfrieden hat der Wechsel von "Team Yang" zu "Team Sohn" geführt. Können Sie da nachvollziehen, was tatsächlich abgelaufen ist?

Gürkan: Rein vom arbeitsvertraglichen Status hatte Frau Dr. Yang einen befristeten Arbeitsvertrag, der über Drittmittel finanziert wurde. Der wäre im Jahr 2017 ausgelaufen. Sie ist einige Monate früher ausgeschieden, weil es über Art und Weise des Umgangs mit dem chinesischen Investor Differenzen gab. Davon haben wir über die TTH mitbekommen. Wir wissen nicht, wie die menschlichen, die Teamverhältnisse im Labor waren. Nach alldem, was wir wissen, war zum Ende des Arbeitsverhältnisses von Frau Yang auch das Vertrauensverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber stark  belastet.

Wie üblich sind solche Teamwechsel bei Wissenschafts-Start-ups? Klingt doch eher ungewöhnlich, dass ein Forscher "sein" Projekt verlässt.

Grüters-Kieslich: Einen Fall, dass jemand im Unfrieden rausgegangen ist, den kenne ich persönlich jetzt nicht. Es gibt es aber, dass jemand lieber ein anderes Projekt weiterverfolgt und daher ein Team verlässt.

Gürkan: Wenn Wissenschaftler auf Drittmittel angewiesen sind, gibt es auch immer eine gewisse Fluktuation. Unstimmigkeiten kann es geben, wenn ein Team nicht funktioniert.

Frau Yang wurde aber nicht rausgedrängt, weil es andere auf den Ruhm, auf das Geld abgesehen hatten?

Gürkan: Die Situation ist  für uns unklar. Wir waren nicht dabei. Wir hoffen, dass die Kommission auch diese Frage aufklärt.

Wer hat über die neue Projektleitung nach dem Abgang von Frau Yang entschieden?

Gürkan: Der verantwortliche Hochschullehrer, Prof. Sohn.


Konsequenzen an der Uniklinik


In der Fakultät wird heftig über die Konsequenzen diskutiert. Haben Sie als Vorstand den Rückhalt der Mehrheit der Ordinarien?

Gürkan: Davon gehen wir aus.

Ein Rücktritt war bisher kein Thema?

Grüters-Kieslich: Nein.

Gürkan: Nein. Für uns nicht. Wir müssen aufarbeiten.

Wie sieht Ihr weiteres Krisenmanagement aus?

Grüters-Kieslich: Vielleicht zunächst das mediale Krisenmanagement. Solange immer wieder Neues auftaucht, von dem wir selber noch gar nichts wissen, sind wir damit schwer beschäftigt, dem selber nachzurecherchieren. Gleichzeitig sind wir intensiv mit der Aufarbeitung der Vorgänge im Inneren beschäftigt.

Und strukturell?

Grüters-Kieslich: Wir wollen sicherstellen, dass wir bei Ausgründungen, die mit dem Namen des Universitätsklinikums verbunden sind, maßgeblichen Einfluss auf alle für uns relevante Aktivitäten haben. Das ist für uns keine Frage des Krisenmanagements, sondern eine Frage der Haltung. Was die Ausgründung unternehmerisch tun , wird immer auf uns als Uniklinikum projiziert werden. Da müssen wir sicher sein, dass das, was diese Ausgründungen machen, auch gesellschaftlich akzeptiert ist. Wir können als Universitätsklinikum nicht irgendwelche Dinge tun, mit denen wir hinterher in Konflikte geraten. Dafür stehen wir nicht, das wollen wir nicht. Da brauchen wir Strukturen und Prozesse, die das unmöglich machen.

Warum gibt es denn bislang - bei 13 Ausgründungen - noch keine solchen Durchgriffsrechte?

Gürkan: Weil es bis jetzt sehr gut gelaufen ist. Künftig gilt aber für die Öffentlichkeitsarbeit: Immer wenn Aktivitäten mit dem Namen des Uniklinikums verbunden sind, müssen wir maßgeblich mit eingebunden sein - und nicht erst fünf Minuten vor Zwölf. Das ist für uns eine elementare Erkenntnis aus der aktuellen Diskussion.


Ermittlungen der Staatsanwaltschaft


Es ermittelt ja auch die Staatsanwaltschaft. Behindert das die Abläufe bei Ihnen im Haus?

Gürkan: Das sehen wir nicht. Wir sind gut vorbereitet. Wir haben die Innenrevision eingeschaltet, die dafür sorgt, dass alles, was die Staatsanwaltschaft an Unterlagen haben will, auch kurzfristig zur Verfügung steht.

Wieso haben Sie überhaupt "Strafanzeige in allen rechtlichen Belangen" gestellt?

Gürkan: Wir sind von dem von der Rhein-Neckar-Zeitung aufgebrachten Verdacht des Insiderhandels sehr überrascht worden. Das war bei uns nicht auf dem Schirm. Wenn aber so ein Hinweis kommt, muss man dem nachgehen. Wir haben alle Mitarbeiter, die in irgendeiner Form in die Ausgründung Heiscreen involviert waren, abgefragt, ob sie oder Kollegen und Angehörige Aktien oder Aktienoptionen erworben haben. Uns wurde schriftlich von allen Mitarbeitern, die wir angefragt haben, bestätigt, dass das nicht der Fall ist. Alles andere liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft.

Sie haben also erst nachträglich Compliance-Erklärungen angefordert?

Gürkan: Wir hatten ja vorher keine Veranlassung dafür.

Grüters-Kieslich: Wir werden uns aber künftige Verträge ansehen, um das auch vorher zu klären.

Gürkan: Wir haben zahlreiche Ausgründen. Wir betreiben 13 Töchter des Klinikums – eine davon ist der Technologie-Transfer, der sich wieder an Firmen wie Heiscreen beteiligt. Immer dann, wenn Mitarbeiter mit beteiligt an Ausgründungen sind, werden natürlich die Compliance-Themen sehr ernst genommen. Da  haben wir auch bisher mit unserem Erfahrungswissen sehr sauber gearbeitet.

Könnten die sehr strikten Vorgaben für Universitäten in den USA ein Vorbild sein?

Gürkan: Man muss nicht bis in die USA gehen. Wir waren im November in Leuven, in Belgien. Die sind sehr erfahren mit Ausgründungen und haben ähnliche Strukturen wie wir. Umgekehrt ist es so, dass unsere Technologie-Transfer GmbH durchaus als Best-Practice-Beispiel für andere Uniklinika gilt, die es gerne genau so machen würden. Wir haben gute Erfahrungen und einen guten Leumund.

Innerhalb der Heiscreen scheint es Probleme bei der Beteiligung von TTH gegeben zu haben. Ab Herbst 2018, so wurde es uns geschildert, hatte man dort das Gefühl, nicht mehr richtig eingebunden worden zu sein.

Gürkan: Das hat eher mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen des Gesellschafters Mammascreen über Beteiligungsanteile und ähnliches zu tun. Es ist sicher so, dass die Abwicklung an der Stelle unbefriedigend für die Mitarbeiter des TTH war.

Was war der konkrete Auslöser für Konflikte innerhalb des Heiscreen-Gesellschafterkreises ab Herbst 2018?

Gürkan: Die ursprünglichen Testergebnisse mit mindestens 90 Prozent Sensitivität und Spezifität konnten nicht bestätigt werden. Das hat Herrn Hader, den Investor, und seine Anwälte veranlasst, uns den gutgemeinten Vorschlag zu machen, dass wir ihm wegen seiner Enttäuschung über diese Ergebnisse höhere Anteile geben sollten. Über diese Frage sind wir nicht abschließend in Einklang gekommen.

Es existiert das Gerücht, Mammascreen würde rechtlich gegen die Universitätsklinik vorgehen. Ist das richtig?

Gürkan: Das ist bei uns noch nicht angekommen.


Ruf des Uniklinikums


Und abschließend: Welche Folgen hat diese Affäre für den Ruf des Uniklinikums?

Grüters-Kieslich: Wir müssen klar differenzieren: Dieses Klinikum, dieser Campus, ist großartig. Da gibt es eine Vielzahl von exzellenten Wissenschaftlern, die überhaupt nichts damit zu tun haben, was in der Ausgründung einer Ausgründung passiert ist. Dort ist wirklich etwas schief gelaufen. Dazu stehen wir auch. So etwas soll nie wieder passieren. Das aber in einen Topf zu rühren mit all den anderen Leuten, die hier eine so tolle Arbeit leisten, das wäre fatal. Es sollte kein Anlass sein, an der Qualität und der Exzellenz dieses Standorts zu zweifeln.

Gab es noch keine verschreckten Rückmeldungen, beispielsweise auch von Drittmittelgebern?

Grüters: Ich bin sicher, dass es die Patienten nicht verschreckt. Sie wissen, dass sie hier exzellente Ärzte haben. Von Investoren gab es aber Rückfragen im Sinne von "Was ist da los?". Wenn ich Investor wäre, würde ich auch genauer hingucken. Wir werden uns aber nicht davon abhalten lassen, künftig auch Ausgründungen als wichtiges Mittel zu sehen, um die Erkenntnisse der Forschung an die Patienten zu bringen.

Ort des Geschehens

Gürkan: Das Törichteste wäre, wenn wir uns von so einem sehr ärgerlichen Vorgang aufhalten lassen würden.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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