Die jüdischen Lehrer mussten das "Hölderlin" 1933 verlassen
90 Schülerinnen sammelten noch Unterschriften - Zeichen der Menschlichkeit

Von Marion Gottlob
Heidelberg-Altstadt. Ein Stolperstein beim Hölderlin-Gymnasium erinnert an die jüdischen Lehrerinnen und Lehrer, die unter der Diktatur der Nationalsozialisten entlassen wurden. Indirekt ist der Stein auch ein Gedenken an fast 90 Schülerinnen, die damals Unterschriften sammelten, um die Entlassung von zwei Lehrerinnen zu verhindern. Vergeblich, doch die Mädchen setzten damit ein Zeichen der Menschlichkeit.
Lia Berger, Schülerin im Hölderlin-Gymnasium, hat sich in einer Hausarbeit mit der Vergangenheit ihrer Schule beschäftigt: Das "Hölderlin" wurde 1877 gegründet und war die erste öffentliche Mädchenschule der Stadt, die durch ein Realgymnasium ergänzt wurde. 1927 zählte die Schule 823 Schülerinnen und 58 Lehrer.
Im Jahr 1933 wurden mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten sämtliche jüdischen Lehrer aus dem Staatsdienst entlassen. Dazu zählten auch die Lehramtsreferendarinnen Doris Baum, Dr. Berta Eisenmann und Margot Meyer. Drei Monate später wurden die Lehrerinnen Helene Preetorius und Dora Busch, Tochter des berühmten Staats- und Völkerrechtlers Georg Jellinek, ebenfalls entlassen. Für sie hatten die Schülerinnen Unterschriften gesammelt - ohne Erfolg. Schon 1932 war der jüdische Lehrer Dr. Eugen Ehrmann in den Ruhestand versetzt worden. All diese Menschen wurden in den folgenden Jahren gedemütigt und verfolgt.
Im Jahr 1934 wurde Dr. Otto Uebel der neue Direktor der Schule. Der Nationalsozialist war seit 1930 Mitglied der NSDAP und seit 1932 im Nationalsozialistischen Lehrerbund. 1937 wurde er Mitglied der SS. Er unterrichtete Rassenlehre, kam oft in SS-Uniform in die Schule und zeigte deutlich seine Abneigung gegen das Christen- und das Judentum. Er blieb bis zum Kriegsende im Amt.
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An der Schule richtete man 1936, wie an allen anderen Schulen, einen "freiwilligen Arbeitsdienst" ein, der ab 1939 Pflicht für alle Mädchen und Frauen unter 25 Jahren wurde. Dieser Arbeitsdienst ersetzte gegen Kriegsende den Unterricht für Mädchen des Abiturjahrs. Sie mussten Altstoffe und Heilkräuter sammeln sowie im Kindergarten und bei der Ernte helfen. 1937 wurden die verschiedenen Schulzweige zur einheitlichen Oberschule für Mädchen zusammengeführt. Die Schule bekam einen neuen Namen. Die Vorschläge von Uebel waren: Liselottenschule, Gudrunschule, Eichendorffschule und Hölderlinschule - wobei er Gudrunschule bevorzugte, wie Lia Berger schreibt. Das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichts entschied sich für "Hölderlinschule".
Im gleichen Jahr wurde in Deutschland allen jüdischen Mädchen der Schulbesuch verboten. So mussten auch einige die Hölderlinschule verlassen, darunter Dora und Hedwig Basnizki, Leni Blum, Ursula Borchardt, Dorothee und Annelore Braunschweig, Amalie Freund, Martha Hirsch, Liselotte Hochherr, Gerda Koppel, Hertha von Künßberg, Ilse Meyer und Ruth Mayer.
Schuldirektor Uebel kam nach dem Krieg in ein französisches Internierungslager und später in amerikanische Gefangenschaft. Aus Krankheitsgründen wurde er schließlich entlassen und kam nach Heidelberg zurück. In einem ersten Spruchverfahren wurde Uebel 1948 als Hauptschuldiger eingestuft, in einem zweiten 1949 nur als Belasteter. Er starb 1950 in Heidelberg.
Lia Berger schreibt im Gedenken an die jüdischen Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen: "Die Auseinandersetzung mit der Geschichte meiner Schule hat mir gezeigt, wie wichtig der Zusammenhalt innerhalb einer Klasse über alle Religionsgemeinschaften hinweg ist, und dass wir alle auf eine besondere Art immer noch mit den Schülerinnen der damaligen Zeit verbunden sind. Wir besuchen die gleiche Schule, die sie besucht haben. Obwohl diese Schülerinnen schon lange nicht mehr auf unsere Schule gehen, sind sie doch ein Teil ihrer Geschichte und damit auch unserer Geschichte als derzeitige Schüler des Hölderlin-Gymnasiums. Diese Vergangenheit steckt in den Wänden, den Fluren und den Räumen unserer Schule und begleitet uns bei jedem Schritt, wenn wir nur genauer hinsehen." Für all diese Schülerinnen gilt: "Heidelberg hat uns nicht vergessen. Wir und unsere Geschichte gehören zu Heidelberg."