Gänseschreck erschreckt die Gänse nicht (plus Video)
Tiere sitzen einfach drumherum - Ernst Baader: "Sie sind zu clever" - Für die Stadt ist das Experiment gescheitert

Die Gänse auf der Neckarwiese sind einfach zu clever: Schon wenige Stunden, nachdem die Gänseschrecks Mitte September an der Neckarwiese aufgestellt worden waren, merkten sie wohl, dass es sich um Attrappen handelt. Foto: Dorn
Von Anica Edinger
Heidelberg. Er hätte die einfache Lösung sein können: Der Gänseschreck auf der Neckarwiese. Mitte September wurden zwei der drachenartigen Raubvogel-Imitate links und rechts der Wasserschachtel auf die Wiese gestellt. Die Hoffnung: Die Gänse bekommen Angst und meiden die Wiese.
Im Waldschwimmbad in Bammental ist dieses Konzept im Sommer auch tatsächlich aufgegangen. Nur: Auf der Neckarwiese ist dem nicht so. Die Gänse, oft in ganzen Pulks, sitzen munter um diese Art von "Vogelscheuche" herum, beeindrucken lassen sie sich von den zwei Gänseschrecks keineswegs.
Ernst Baader, der Leiter des Landschafts- und Forstamtes, hatte es befürchtet. "Aber wir wollen auf dem Neckarvorland nichts unversucht lassen", sagt er auf RNZ-Anfrage. Laut Baader haben die Gänseschrecks etwa einen halben Tag lang die gewünschte Wirkung gezeigt. "Doch dann hat der Gewöhnungseffekt eingesetzt." Baader weiß: "Die Tiere sind clever." Sie hätten schnell verstanden, dass da zwar etwas herum flattere, dieses Ding aber nie angreife.
Hinzu komme, dass die Gänseschrecks ja auch nicht ständig flögen, sondern etwa bei Regen oder Windstille "runterhängen wie ein nasser Sack". Und das kann weder Nil-, Schwanen-, Kanada- noch Kurzschnabelgänse beeindrucken. Baader bilanziert deshalb: "Für unsere offenkundig weder menschen- noch störungsanfälligen Gänse taugen die Gänseschrecks nicht." Und deshalb werden die Vorrichtungen auch zeitnah wieder abgebaut. "Es hat keinen Wert, sie da stehen zu lassen", sagt Baader.
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Immerhin: "Von Vandalismus sind sie verschont geblieben." Auch das sei eine große Befürchtung der Verwaltung gewesen. Jetzt sei es denkbar, die Gänseschrecks etwa in den städtischen Freibädern einzusetzen - sofern Interesse bestehe. Schließlich hätten die Kollegen vom Waldschwimmbad in Bammental ja auch gute Erfahrungen gemacht.
Auch deshalb seien die Drachen auf der Neckarwiese ein Versuch wert gewesen, zumal die Verwaltung auch von vielen Bürgern darauf angesprochen worden sei. Doch Baader vermutet, dass die Fläche auf der Neckarwiese schlicht zu groß ist im Vergleich zu eingezäunten Freibädern.
Der Biologe Michael Wink, der in der Vergangenheit mit dem Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität die Gänse zum Beringen einfing, ist auch da skeptisch: "Die Tiere sind cleverer als wir denken." Generell findet Wink: "Sie auf irgendeine Art und Weise zu verscheuchen, wird schwierig." Auch Baader sieht das ähnlich. Er sagt: "Es gibt kaum ein Thema, das so polarisiert wie die Gänse auf der Neckarwiese."
Immer wieder, wenn die Stadt einen neuen Vorschlag unterbreite, der irgendetwas damit zu tun habe, Gänse einzufangen oder gar zu erlegen, meldet sich nämlich die andere Seite: Tierschützer. "Uns wird mit Klagen gedroht, wenn wir nur einer einzigen Gans einen Flügel krümmen", berichtet Baader.
Deshalb werde man in Zukunft auf viele andere, kleine Maßnahmen setzen: Schon im Sommer verkündete so die Stadt, die Bußgelder für das Füttern der Tiere zu erhöhen. Auch die Jagd auf den angrenzenden Feldern solle intensiviert werden. Und auch wenn der Gänseschreck eine Hoffnung gewesen sei, sagt Baader: "Das Experiment muss als gescheitert betrachtet werden."