Heidelberger Altstadt

Parker und Plöck als Problemkinder

Gutachter entdeckte 253 Gefahrenstellen - "Kleine Heidelberger" werden aufgestellt

09.01.2018 UPDATE: 10.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden

Im September ließ das Amt für Verkehrsmanagement einen Teil der Hauptstraße mit Flatterband absperren. So sollten die Lieferanten dafür sensibilisiert werden, Platz für einen sicheren Schulweg zu lassen. Foto: Alex

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Wie kann die Verkehrssicherheit für Kinder und Senioren in den Stadtteilen verbessert werden? Was schlägt der Sicherheitsauditor Jens Leven vom Büro für Forschung, Entwicklung und Evaluation (Bueffee) vor? Und was davon wurde bereits umgesetzt? Die Stadtredaktion stellt einige Zwischenergebnisse von Levens Untersuchung in einer losen Reihe vor. Für drei Stadtteile gibt es bereits eine erste Bilanz. Nach der Weststadt und Bergheim geht es heute um die Altstadt.

Wie gefährlich ist die Altstadt? In der Unfallstatistik der Polizei fällt der Stadtteil negativ auf: 200 verunglückte Fußgänger und Radler wurden dort von 2012 bis Oktober 2016 registriert. Zwar tauchen Bergheim, die Weststadt, Neuenheim und Handschuhsheim noch häufiger in der Statistik auf. Doch besonders der tödliche Unfall vom Januar 2016, bei dem ein neunjähriger Junge in der Theaterstraße, mitten im verkehrsberuhigten Bereich, vor der Ebert-Grundschule von einem Lieferwagen überrollt wurde, hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Wegen dieses schrecklichen Ereignisses kam überhaupt erst die Diskussion um die Verkehrssicherheit von Kindern in Gang. Deshalb wurde auch das auf zwei Jahre ausgelegte Sicherheitsaudit vom Gemeinderat in Auftrag gegeben. Die gefährlichste Straße in der Altstadt ist - nach den offiziellen Zahlen - die Plöck mit acht Unfällen mit Fußgängerbeteiligung und 29 mit Radlern. Die Dunkelziffer könnte jedoch weit höher liegen.

Wie sehen es die Bewohner des Stadtteils? Die Altstädter sind sehr engagiert und kämpfen für die Verkehrssicherheit ihrer Kinder. In der Bürgerliste machen sie 50 Problemstellen aus - mehr als in jedem anderen Stadtteil. Immer wieder ist von Geschwindigkeitsüberschreitungen im verkehrsberuhigten Bereich und Falschparkern, die die Sicht oder die schmalen Gehwege in den Gassen versperren, die Rede. Auch der Lieferverkehr in der Hauptstraße und den Nebengassen wird als Problem wahrgenommen. Die Altstädter selbst sind selten das Problem: Nur fünf Prozent der Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Friedrich-Ebert-Grundschule. Diese niedrige Elterntaxi-Quote ist für Leven rekordverdächtig. Der Sicherheitsauditor selbst konnte dieses Ergebnis aus den Elternfragebogen kaum glauben und überprüfte es selbst, indem er Videokameras aufstellte.

Bei der Begehung in der Altstadt identifizierte Leven 253 Problemstellen, mehr als in jedem anderen Stadtteil: Falschparker, die die Sicht auf den Eingang des Kindergartens in der Theaterstraße versperren, zu schmale Gehwege, fehlende Ladebereiche in der Hauptstraße. Kurzum: Die Sichtweise der Altstädter wurde in weiten Teilen bestätigt.

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Großen Handlungsbedarf sieht Leven in der Plöck. "Sie ist auffällig bei Unfällen zwischen Radlern. In der engen Straße ist einfach zu viel los", so der Gutachter. Daher begrüßt er die Bemühungen der Stadtverwaltung den Radverkehr in Richtung Adenauerplatz ab der Schießtorstraße über die Friedrich-Ebert-Anlage umzuleiten. Wenn der Radweg über den Adenauerplatz fertig ist, werde diese Ost-West-Verbindung auch angenommen, so Levens Hoffnung.

Welche Verbesserungsvorschläge wurden bereits umgesetzt? Mehr als in jedem anderen Stadtteil. Im morgendlichen Lieferverkehr in der Fußgängerzone sperrte das Amt für Verkehrsmanagement zum Beispiel übergangsweise einen Bereich der Hauptstraße für Fußgänger mit Flatterband ab. Die Paketdienste und andere Anlieferer waren somit gezwungen, auf die Mitte der Hauptstraße auszuweichen und entlang der Häuserfront Platz für einen sicheren Schulweg zu lassen. Die Aktion soll sensibilisieren. In einem weiteren Schritt sollen in der Hauptstraße und vor Kitas, Spielplätzen und Schulen kleine Kinderfiguren aufgestellt werden, die die Aufmerksamkeit von Autofahrern erhöhen sollen. Ein Modell für solche "kleinen Heidelberger" wird derzeit erstellt. In der Friedrichstraße wurden zudem Piktogramme "Achtung Kinder!" angebracht, weil dort der Zugang zum Anna-Blum-Spielplatz nur schwer erkennbar ist. Dasselbe gilt für die Karl-Ludwig-Straße als sicherer Schulweg. Am meisten für die Verkehrssicherheit geschah allerdings in der Theaterstraße: Dort ließ das Amt für Verkehrsmanagement Parkplätze entfernen und Bodenschwellen anbringen. Außerdem wurden Geländer angebracht, sodass die Kinder nicht vom Schulhof auf die Straße rennen können.

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