Heidelberg einst und jetzt

Einer der letzten Zeugen der alten Bahnstadt

Im Stellwerk 8 an der Schwetzinger Terrasse wurden einst Weichen und Signale gesteuert. Heute gibt es hier Fastfood und Mediterranes.

18.01.2022 UPDATE: 20.01.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Das Stellwerk 8 im östlichen Teil des alten Güter- und Rangierbahnhofs wurde 1998 stillgelegt. Diese Aufnahme unseres Lesers Werner Schmitt zeigt es im Jahr 2000. Foto: zg

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Es ist ein beliebter Treffpunkt der Heidelberger und zugleich ein Denkmal der lokalen Verkehrsgeschichte: das Stellwerk 8 am östlichen Rand der Bahnstadt. Wo früher Weichen gestellt wurden, werden heute Burger serviert. Wie sich das Gebäude in den vergangenen mehr als 100 Jahren verändert hat.

Erbaut wurde das Stellwerk 1914 im Rahmen der Neugestaltung des Rangier- und Güterbahnhofs. Im Massivbau des Erdgeschosses befand sich der Spannwerksraum mit Drahtzugleitungen zu den Signalen und Weichen. Das Obergeschoss: eine Fachwerkkonstruktion mit gemauerten Gefachen, außen mit Holzbohlen verschalt. Das Dach aus Walm und mit Fledermausgauben.

Hier, im Osten des früheren Rangierbahnhofs, wurden jahrzehntelang die Weichen und Signale für die Strecken in Richtung Karlstor und Kirchheim gesteuert. Und auch als der Rangierbahnhof schon stillgelegt war, hatte das Stellwerk noch eine Funktion: Von hier aus führte man Güterzüge am Hauptbahnhof vorbei – gemeinsam mit den beiden Stellwerken 3 und 5. Das Fahrdienstleiterstellwerk 5 hatte zuvor der Überwachung des gesamten Rangierbetriebs und Zugverkehrs gedient. Alle Stellwerke gingen bis Ende 1998 außer Betrieb.

Fast 20 Jahre lag das Stellwerk 8 von da an brach – bis 2017, als Thomas Esslinger, Bernd Koch, Thomas Dorant und Sylvio Michelitsch das unter Denkmalschutz stehende Gebäude kauften. Die Geschäftsführer des Quartiersentwicklers Deutsche Wohnwerte fanden dort neben schwerem Gerät auch vergessene Regenjacken und Gummistiefel der Arbeiter vor. Das Innere habe gewirkt, "als hätten die Arbeiter es erst gestern verlassen", sagte einer der Käufer später. Er und seine Kollegen bauten einen Erdgeschossboden und an der Südseite eine Fensterfront mit Schiebetüren und Terrassenzugang ein. Auch das Obergeschoss modernisierten sie, dort gibt es nun Raum für Tagungen und Co-Working.

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Mehr als eine Million Euro haben die Käufer in die Sanierung des Projekts investiert, rund neun Monate hat diese gedauert. Ein großer Teil der ursprünglichen Architektur und Apparaturen wurde erhalten – etwa die Fenster oder die Hebelbank zum Einstellen von Signalen und Weichen. Auch eine alte Gleisbelegungstafel aus Schiefer und ein Schild mit der Aufschrift "Nicht unter die Spannwerkdichte treten" findet man noch in dem Gebäude.

Heute verkörpert das Stellwerk 8 an der Schwetzinger Terrasse eine zeitgeistige Mischung aus Industrieromantik und urbanem Hipster-Lebensgefühl. Die Sonnenterrasse gegenüber der Feuerwache ist vor allem bei Eltern angesagt. Hier wird man kulinarisch versorgt und kann die Kinder beim Spielen auf dem nebenan gelegenen Feuerwehr-Spielplatz im Blick behalten. Im Februar 2019 war zunächst das "DO Café" in das Stellwerk eingezogen. Doch schon kurz darauf, während der Pandemie, musste das Café wieder schließen. Inzwischen findet sich darin das Restaurant Nebenan, das mediterrane Küche und Fastfood anbietet.

In einem völlig neu gewachsenen Stadtteil ist das Stellwerk 8 so etwas wie der letzte Zeuge der alten "Bahnstadt", des früheren Rangier- und Güterbahnhofs. Der Letzte? Nicht ganz. Auch das Stellwerk 5 auf Höhe der Simferopolstraße wurde mittlerweile saniert. Auch hier wurde der historische Charakter erhalten. Auch hier wird nun erst einmal Kaffee ausgeschenkt.

Und dann gibt es da noch das Stellwerk 3 hinter dem ehemaligen Areal von Samen Wagner an der Eppelheimer Straße. Es steht ebenfalls unter Denkmalschutz und gehört der Entwicklungsgesellschaft Heidelberg, die Bahnstadtflächen entwickelt und vermarktet. Auch das Stellwerk 3 soll laut Stadt erschlossen werden. Wann und in welcher Form, das ist aber noch offen.

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