Wohnen in Heidelberg

Grundstückskosten und Baustandards führen zu hohen Mieten

GGH-Chef Peter Bresinski im Gesräch - Feste Quoten für preisgünstigen Wohnraum hält er für keine gute Idee

16.06.2017 UPDATE: 18.06.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 57 Sekunden

"Jeder hat momentan auf dem Wohnungsmarkt Probleme": Peter Bresinski steht nicht nur der städtischen Wohnungsgesellschaft GGH vor, sondern auch neuerdings dem Verband der baden-württembergischen Wohnungswirtschaft. Foto: Philipp Rothe

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Vor 14 Jahren wurde Peter Bresinski Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH. Seitdem hat er nicht nur viel neu gebaut (vor allem in der Bahnstadt), sondern auch einen Gutteil der über 7000 GGH-Wohnungen modernisiert. Dabei entstanden zwei Viertel ganz neu: Wieb᠆lingen-Ost und der Höllenstein in Kirchheim. Zugleich engagiert sich der 51-Jährige auch ehrenamtlich: Erst unlängst wurde Bresinski zum Vorsitzenden des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen gewählt, der als die Stimme der Wohnungswirtschaft gilt. Er vertritt die Interessen von derzeit 285 Mitgliedsunternehmen mit fast 460.000 Wohnungen - das sind gut neun Prozent aller 5,2 Millionen Wohnungen im Land. Seit acht Jahren ist Bresinski außerdem Vorsitzender der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen. Sie vertritt rund 60 Unternehmen mit einem Bestand von über 150.000 Wohnungen.

Die RNZ wollte von Bresinski wissen, vor welchen Problemen die Wohnungsunternehmen stehen - und was ihm gerade auf dem Heidelberger Wohnungsmarkt am meisten Sorgen macht.

IM GESPRÄCH

Herr Bresinski, teilen Sie die Einschätzung des Mietervereins, dass in Heidelberg am Bedarf vorbei gebaut wird?

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Das ist eine Frage der Definition. Ich würde eher sagen, dass es immer schwieriger wird, die Wohnwünsche jedes Einzelnen zu verwirklichen. Denn, rein ökonomisch betrachtet, funktioniert ja ein Markt, solange ein Angebot die entsprechende Nachfrage findet. Und das ist wohl der Fall.

Wo kommen dann jene unter, die nicht zu den Besserverdienenden zählen?

Sie kommen schon unter - die Frage ist nur, wo? Ich glaube eher, dass manche Nachfrager ihre Wohnwünsche derzeit korrigieren müssen - was die Lage oder die Größe der Wohnung angeht, oder dass man andere Ausgaben kürzen und aufs Wohnen umlenken müsste. Allerdings ist es unter dem Gesichtspunkt der sozialen Durchmischung wünschenswert, wenn es überall preisgünstiges Wohnen geben würde.

Wer sind denn dann die Sorgenkinder des Wohnungsmarktes?

In jeder Gruppe gibt es Probleme - denn seit 2010 steigen die Preise rasant. Im Prinzip wird es heute immer schwieriger, dort zu wohnen, wo man wohnen will. Und das gilt nahezu für alle. Zwar gibt es deutschlandweit, und auch in der Region, hinreichend günstige Wohnungen. Das sind dann aber die vermeintlich schlechteren Lagen, die nicht so nachgefragt sind. Wir beobachten, dass das Preisgefälle größer wird.

Sind gerade in Heidelberg die Standards nicht zu hoch? Lässt sich denn eine Passivhauswohnung für weniger als zehn Euro Miete pro Quadratmeter bauen?

Die Standards werden auch sehr stark von den Landes- und Bundesgesetzen bestimmt, zum Beispiel durch die Bauleitplanung oder die Landesbauordnung. Die Kommunen haben aber in diesem Rahmen gewisse Handlungsspielräume. Generell kann man einen Neubau, der noch nicht einmal ein Passivhaus ist, heute nicht mehr für weniger als zehn Euro pro Quadratmeter Miete bauen - sofern er nicht subventioniert wird. Schon gar nicht in einer Stadt, in der die Grundstückskosten hoch sind. Heute liegt allein deren Anteil bei 500 Euro pro Quadratmeter, in guten Lagen bei 1000 Euro. Das eigentliche Bauwerk samt Ausstattung und Außenanlage kostet ohne Schnörkel 2500 Euro pro Quadratmeter.

Dann kostet ein Quadratmeter 3000 Euro. Was heißt das für die Mieten?

Wie schon gesagt, mindestens zehn Euro kalt. Das entspricht einer Bruttoanfangsrendite von vier Prozent, die man für eine vernünftige Bewirtschaftung einer Bestandsimmobilie auch benötigt. Diese Gesamtherstellungskosten sind bei der aktuellen Zinssituation aber leider auch die Untergrenze. Wenn Sie die 1000 Euro für das Grundstück nehmen, sind Sie bereits bei mindestens 11,70 Euro pro Quadratmeter.

Man hört viel von anderen Modellen des Bauens, also beispielsweise Baugruppen. Schaffen die das auch günstiger?

Die Baugruppen müssen im Prinzip dieselben Preise am Markt bezahlen wie die Wohnungswirtschaft - dabei haben wir aufgrund unserer Größe noch am ehesten die Chance auf bessere Preise. Baugruppen sind also nicht per se günstiger. Man darf ganz allgemein nicht vergessen: In den letzten zehn Jahren sind die Baukosten um 40 Prozent gestiegen. Das liegt nicht nur an höheren Löhnen oder teurerem Material, sondern auch an neuen Vorschriften wie beim Brandschutz, bei der Dämmung oder an der Pflicht zu Tiefgaragenstellplätzen. Die sind richtig teuer. Rein betriebswirtschaftlich müsste so ein Stellplatz mindestens 100 Euro Miete im Monat kosten.

Was halten Sie von Quoten - also beispielsweise 70 Prozent preisgünstigem Wohnraum, wie er im Mark Twain Village geplant ist?

Mark Twain Village genießt eine Sondersituation - auch was ein gutes Ergebnis beim Grundstückskauf von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) angeht. Das wird jedoch keine Option für die gesamte Stadt sein, denn das würde unter anderen Bedingungen an der Finanzierung scheitern. Selbst wenn es in der Stadt einen Konsens gäbe, dafür richtig viel Geld in die Hand zu nehmen. Der Anteil von 30 Prozent an frei verkäuflichen Wohnungen reicht ohne zusätzliche Förderprogramme niemals aus, um die 70 Prozent preisgünstigen Wohnraum zu finanzieren.

Okay, dann sagen wir fifty-fifty.

Daran scheiden sich die Geister. Eine fes᠆te Quote ist einfach schwer umzusetzen, gerade bei besonders begehrten Lagen. So machen die acht geförderten Mietwohnungen im ehemaligen Schlosshotel ja wenig Sinn.

Wie wäre es stattdessen mit einer Renaissance des sozialen Wohnungsbaus?

Das wiederum hielte ich für gut. Denn schließlich gab es ja mal eine Zeit, da bauten außer den kommunalen und öffentlichen Wohnungsunternehmen auch alle möglichen anderen Akteure Sozialwohnungen, aber das endete, als sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in den späten neunziger Jahren entspannte. Jetzt ziehen die Preise an, sodass gerade in zentralen Lagen die Kosten für die allermeisten zu hoch sind. Ich würde empfehlen, bei geförderten Wohnungen die Einkommensgrenzen anzuheben, damit auch der Mittelstand noch etwas davon hat, und differenzierte Mietpreisspannen einzuführen.

Hat denn wenigstens die Mietpreisbremse etwas gebracht?

Nein, viele Vermieter halten sich nicht daran - auch weil man die Mietpreisbremse nicht kontrollieren kann. Ich wäre eher für Anreizprogramme für Investoren, die neue, preisgünstige Wohnungen bauen wollen. Nur: Das kostet die öffentliche Hand viel Geld. Wir sind zwar auf einem guten Weg: Der Bund hat zunächst einmal seine Förderung wieder hochgefahren. Aber wenn er das richtig ernst nimmt, muss er da noch mehr Geld reinstecken, auch über 2019 hinaus, wofür wir allerdings eine Verfassungsänderung benötigen.

Sie haben ja auch etliche Ehrenämter bei den Verbänden der Wohnungswirtschaft. Haben alle Unternehmen dort dieselben Sorgen?

Ja, im Prinzip schon: Die Kosten ziehen an, es kommen immer neue Vorschriften dazu - ich nenne nur die neue Landesbauordnung mit überdachten Fahrradstellplätzen oder der Pflicht zur Fassadenbegrünung. Wir bräuchten endlich mal eine Atempause, in der nicht immer weiter an dieser Schraube gedreht wird. Nicht alle Vorschriften sind auch für jedes Bauvorhaben gut. Wir müssten ab und an auch mal Abstriche zulassen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Stimme der Kommunalen Wohnungsbauunternehmen in Bund und Land gehört wird?

Die neue Landesregierung hat eine Wohnungsbauallianz ins Leben gerufen, und da diskutieren wir seit neun Monaten in vier Arbeitsgruppen. Dort wird unsere Stimme durchaus gehört, und es wurden bereits erste Ergebnisse erzielt. Die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zeigt einen wirklichen Willen zur Verbesserung, indem nicht weiter an der Vorschriftenschraube gedreht werden soll. Mit Städte- und Gemeindetag, Haus und Grund und dem Mieterbund sind wir uns als Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen im Übrigen in unseren Forderungen nahezu zu hundert Prozent einig und arbeiten gut zusammen.

Wenn Sie sich etwas von der Stadt, dem Land oder dem Bund wünschen dürften: Was wäre das?

Ganz allgemein, dass die Politik nicht dogmatisch an die Fragen des Wohnungsbaus herangeht. Wir sind bereits eines der wenigen Länder auf dieser Welt mit hoher sozialer Ausgewogenheit und anspruchsvollen Standards in Umwelt- und Naturschutz. Vor allem wünsche ich mir eine sozial orientierte Bodenpolitik, welche geeignet ist, das Anziehen der Spekulationsschraube zu begrenzen. Das schließt auch ein angemessenes Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau ein. Wir müssen auch dezentrale Attraktivität schaffen, indem die technische und soziale Infrastruktur des ländlichen Raums verbessert wird. Und was unsere kommunalen Regelungen betrifft: Im Rahmen des Baulandmanagements sollten die vergünstigten Wohnungen einer längeren Bindungsdauer unterliegen: Zehn Jahre sind zu kurz.

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