"Wir wollten ein anderes Krankenhaus"

Seit 25 Jahren gibt es am Bismarckplatz die Atos-Klinik. Zum Jubiläum sprach die RNZ mit dem Ärztlichen Direktor Prof. Hajo Thermann

30.06.2016 UPDATE: 01.07.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Seit 25 Jahren gibt es am Bismarckplatz die Atos-Klinik. Am 16. Juli gibt es einen "Tag der offenen Tür". Foto: Joe

Von Arndt Krödel

1991 wurde am Bismarckplatz eine Klinik eröffnet, die damit wirbt, dass sie sich nicht wie eine solche anfühlt: Die Atos- Klinik vereinte selbstständige, hoch spezialisierte Mediziner der verschiedensten Fachgebiete unter einem Dach, die interdisziplinär zusammenarbeiten. Sie bot den Patienten das Ambiente eines First-Class-Hotels. Hat sich das Konzept bewährt? Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Praxis-Klinik sprachen wir mit dem Ärztlichen Direktor, Prof. Hajo Thermann.

Hintergrund

> Die Atos-Klinik, zentral am Bismarckplatz in Heidelberg gelegen, hat sich in den letzten 25 Jahren und insbesondere nach der Erweiterung der Klinik um die Gebäude der ehemaligen "Luisenheilanstalt" von einem orthopädischen Zentrum zu einem Kompetenzzentrum mit 50

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> Die Atos-Klinik, zentral am Bismarckplatz in Heidelberg gelegen, hat sich in den letzten 25 Jahren und insbesondere nach der Erweiterung der Klinik um die Gebäude der ehemaligen "Luisenheilanstalt" von einem orthopädischen Zentrum zu einem Kompetenzzentrum mit 50 Fachärzten in 20 Facharztpraxen entwickelt. Jährlich werden rund 4000 Eingriffe vorgenommen. Zu den Patienten gehören seit vielen Jahren auch zahlreiche Profisportler. Zur stationären und auch ambulanten Behandlung stehen fünf Operationssäle zur Verfügung. Vertreten sind fast alle Fachrichtungen. Untergebracht sind die Patienten in 48 Zimmern, sieben Komfortzimmern und zwei Suiten. Insgesamt gibt es 70 Betten. In der "Atos" werden auch Kassenpatienten behandelt.

> Zu einem Tag der offenen Tür lädt die Atos-Klinik am Samstag, 16. Juli, von 10 bis 16 Uhr ein. Im Gebäude in der Bismarckstraße 9-15 erwartet die Besucher ein Programm mit Vorträgen und Unterhaltung.

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Herr Thermann, was war der Grund, eine eigene Klinik zu gründen?

Weil sich mehrere Leute zusammengesetzt haben, die mit dem herkömmlichen Leitbild einer Chefarztposition nicht zufrieden waren, selbstbestimmt arbeiten wollten, um maximale Spitzenmedizin zu machen. Wir wollten ein anderes Krankenhaus haben, einen Hotelbetrieb - das hatten wir in den USA gesehen.

Aber so ganz reibungslos lief das ja anfänglich nicht?

Der Initiator war Prof. Pässler, der wirtschaftliche Motor Prof. Habermeyer, ohne die Herren gäbe es die Atos-Klinik in dieser Form übrigens nicht. Die Immobilie war außergewöhnlich, gebaut vom Unternehmer Jürgen Schneider. Am Anfang war die Atos ein wenig ein "Gemischtwarenladen", ein bisschen Orthopädie, ein bisschen Gynäkologie und ein bisschen Augenheilkunde. Das Konzept war, dass Ärzte als Unternehmer zusammenstehen. Das ist nach fünf Jahren gescheitert, die Klinik musste Konkurs anmelden. Auf Initiative von Prof. Habermeyer wurde die Klinik von Atos-Ärzten übernommen, das war vor 20 Jahren.

War es nicht ein ziemliches Wagnis, eine solche Klinik in einer Stadt zu eröffnen, in der sich eine der größten Universitätskliniken Deutschlands befindet?

Als Prof. Pässler, Prof. Habermeyer und ich als ausgewiesene Spezialisten kamen, wurde die Klinik mit dem Produkt einer orthopädischen Spitzenmedizin, die sehr konkurrenzfähig zu allen Top-Universitäten war, als überregionaler Versorger zu einem wirtschaftlichen Erfolg. Allerdings gab es anfangs noch keine IT-Plattformen und Ärztelisten, insofern war das schon ein gewaltiges Risiko. Aber wir haben immer gesehen, dass die Chancen größer sind als das Risiko.

Wie wollten Sie die Patienten, die sonst in die Uniklinik gegangen wären, überzeugen, zu Ihnen zu kommen?

Unser Erfolg bestätigt, dass wir nicht schlechter waren: das hotelähnliche "Setup" war damals fast konkurrenzlos, wir hatten mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung und sie wurden ausnahmslos von den Topspezialisten behandelt. Und operieren konnten wir auch! Es gab wenig Komplikationen und ein gutes Standing - das hat eigentlich den wirtschaftlichen Erfolg ausgemacht. Wir haben hier einen kompakten internationalen Wissensfundus, sind in allen internationalen Zirkeln unterwegs, und das nicht nur als Zuhörer. Wir haben hier Therapien entwickelt, konnten etwas von dem verwirklichen, was wir wollten. Den Spielraum haben andere nicht, und im öffentlichen Gesundheitsbetrieb ist es aufgrund der Reglementierungen fast unmöglich, eine schwarze Null zu schreiben.

Als Kassenpatient könnte ich jetzt aber nicht zu Ihnen kommen?

Sie können sich von mir beraten lassen, ich schaue mir das an und sage Ihnen, wohin Sie damit gehen können. Das kostet Sie mit allem drum und dran zwischen 60 und 100 Euro, und Sie haben dann eine Expertise. Einige Kollegen haben eine Kassenzulassung, aber Sie könnten dann nicht in der Atos operiert werden.

Aber trägt so ein Haus wie die Atos-Klinik nicht zur Zementierung eines Zwei-Klassen-Systems bei?

Das haben wir ja schon seit Jahren, das ist Realität. Sie können nicht S-Klasse fahren, ohne entsprechend dafür zu bezahlen. Darüber beschwert sich doch auch niemand.

Was ist für Sie wichtig im Arzt-Patienten-Verhältnis?

Es ist natürlich nicht nur die medizinische Kompetenz des Arztes. Alles, was wir machen, ist evidence-based medicine, also wissenschaftlich überprüft. Wir selber führen viele Studien durch. Ganz wichtig ist, dass der Arzt offen gegenüber den Problemen des Patienten sein muss, und das bedeutet wiederum Zeit. Ich nehme mir immer so viel Zeit, wie ich brauche. Ich muss den Patienten ins Boot holen, ohne ihn gibt es keine optimale Behandlung. Meine Kriterien für eine Operation sind einfach: meine Frau, meine Kinder, meine Schwester, meine Eltern - wenn ich’s bei denen machen würde, mache ich es bei dem Patienten.

Wenn Sie als Klinikdirektor einen Ausblick in die Zukunft wagen: Woran denken Sie dann zuerst?

Ich denke, dass unser Konzept, unsere Mission, stimmt: Patientenorientiertes Handeln auf höchstem Niveau. Was wir brauchen, sind Ärzte und Unternehmer, die darin ihre Erfüllung finden, gute Mediziner, die dieses Gesamtbild und unsere Vorstellung, wie wir Patienten behandeln, weitertragen. Man muss aber auch sagen, dass die Politik an diesen Modellen gräbt und die Erlössituation immer schlechter wird. Der Medizintourismus ist deshalb ein wichtiger Faktor für uns.

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