Wie Burellis Plan eines "Stadtraums" am Hauptbahnhof scheiterte
Vor 15 Jahren sollte der Verkehr in einen Tunnel gebannt werden, damit ein riesiger Platz entstehen kann - 2004 wieder aufgegeben

Burellis große Pläne: Am Bahnhof (unterer Bildrand) sollte ein riesiger Platz samt Tunnel für den Verkehr entstehen.
Von Micha Hörnle
Angesichts des momentan extrem tristen Bahnhofsumfelds kann man sich kaum vorstellen, wie heftig vor 15 Jahren von einer grundlegenden Neugestaltung des gesamten Areals geträumt wurde. In die Kommunalpolitik ging dies unter dem Namen "Burelli" ein. Denn der italienische Architekturprofessor Augusto Romano Burelli hatte einen kühnen Plan, um einen Stadtraum am Bahnhof zu schaffen, der Heidelbergs würdig wäre, und zugleich die staureiche Nord-Süd-Achse Mittermaierstraße/Lessingstraße zu entlasten.
Der gesamte Platz vor dem Bahnhof sollte vom Verkehr befreit werden - und zwar mit einem Tunnel. Erst sollte der nur relativ kurz sein, dann wurde er immer länger, satte 1,8 Kilometer von der Ernst-Walz- zur Montpellier-Brücke. Dadurch würde genügend Raum für einen großen, ovalen zentralen Bahnhofsvorplatz gewonnen, der durch neue Gebäude eingefasst werden sollte: das lange geplante Konferenzzentrum - das ja nach bisherigem Planungsstand wieder gute Chancen für einen Platz am Bahnhof hätte - und das "European Business Center". Und schließlich sollte auch noch die Kurfürstenanlage umgestaltet werden und einen weiteren großzügigen Platz direkt an der Verwaltung der Heidelberger Druckmaschinen bekommen. 400 Millionen Euro würden hier investiert, schwärmte die damalige Oberbürgermeisterin Beate Weber. Baubeginn sollte demnach 2003 sein.
Das ganze Projekt war höchst umstritten, denn damals konkurrierten drei Großprojekte miteinander: die fünfte Neckarquerung (als Brücke oder noch besser als Tunnel), der Neckarufertunnel und "Burelli". Alle zusammen hätte sich Heidelberg niemals leisten können, und auch das Land sagte mehrfach deutlich, es gäbe nur Geld für ein Großprojekt. Das "rechte Lager" im Gemeinderat favorisierte den Tunnel am Fluss und die Neckarbrücke bei Wieblingen, das "linke Lager" war von Burelli fasziniert - und setzte sich 2002 mit einem Grundsatzbeschluss durch. Das Ende war absehbar: Gebaut wurde keines der Vorhaben.
Und, zumindest im Falle Burellis, hatte es auch mit dem Geld zu tun. Denn die Stadt Heidelberg versuchte, ihren Finanzierungsanteil daran möglichst klein zu halten, indem man hoffte, der französische Konzern Bouygues würde hier auf eigene Kosten ein Konferenzzentrum bauen. Doch 2003 stellte der Konzern seine Deutschlandaktivitäten ein, das Gratis-Kongresshaus war gestorben. Und als 2004 ein 14-Millionen-Loch im Stadthaushalt klaffte, wurde "Burelli" erst verschoben und dann in aller Stille begraben. Als sich unter OB Eckart Würzner die Kommunalfinanzen dank günstiger Konjunktur wieder erholten, wurde das Projekt nicht mehr wiederbelebt, dafür erlebte der Neckarufertunnel eine kurze Blüte. Was wiederum zu beweisen scheint, dass ein Fluss wohl mehr Emotionen weckt als ein Bahnhofsvorplatz.