Warum einer der wichtigsten IBA-Vertreter vorzeitig ging
Carl Zillich verlässt Heidelberg kurz vor Ende der Internationalen Bauausstellung. Das Jobangebot der Stadt habe nicht gepasst. Das zehnjährige Projekt sieht er aber als Erfolg.

Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Im Sommer endet die Internationale Bauausstellung (IBA) mit einer großen Abschlusspräsentation in den ehemaligen Stallungen der Campbell Barracks, wo danach der Karlstorbahnhof einzieht. Vor zehn Jahren war die IBA mit dem Anspruch angetreten, der Stadtentwicklung in Heidelberg Impulse zu geben. Unter dem Schwerpunktthema "Wissen schafft Stadt" entstanden spannende Projekte – doch gab es auch Enttäuschungen.
Kurz vor ihrem Ende hat Carl Zillich Ende Januar die IBA verlassen. Der 50-Jährige war als Kuratorischer Leiter von Anfang an dabei und neben IBA-Direktor Michael Braum ihr wichtigster Mann. Nun geht er nach Bremen, um dort die "Projektbüro Innenstadt GmbH" zu leiten. Im RNZ-Gespräch erklärt Zillich, warum er vorzeitig geht, wieso die IBA ein Erfolg war – und was die Entwicklung von Patrick-Henry-Village zu einem Stadtteil der Zukunft, in dem Menschen gerne leben, noch verhindern könnte.
Herr Zillich, Sie waren von Anfang an bei der IBA, haben diese neun Jahre lang mit geleitet. Ihr Vertrag in Heidelberg lief eigentlich bis Ende 2022. Wieso gehen Sie jetzt kurz vor der großen IBA-Abschlusspräsentation?
Die Frage war: Wie geht es für mich und meine Familie weiter? Ich hätte mir gut vorstellen können, zum Beispiel die Entwicklung von Patrick-Henry-Village weiter zu begleiten. Aber das Angebot der Stadt passte nicht. Meine Familie und ich haben immer gesagt: Wenn nicht Heidelberg, dann geht es zurück in den Norden, näher zu unseren schon sehr alten Eltern. Und in Bremen habe ich nun eine Aufgabe, die mich sehr reizt.
Das Angebot passte nicht, sagen Sie. War in der PHV-Entwicklungsgesellschaft einfach kein Platz für Sie?
Es gibt in einer kleinen Großstadt eben nicht so viele Leitungspositionen.
Verlassen Sie mit der IBA ein sinkendes Schiff kurz vor dessen Untergang?
Nein, ich verlasse ein Schiff, das in den Hafen eingelaufen ist und dessen Entladung von mir noch auf den Weg gebracht wurde. Nur beim Auspacken der Fracht helfe ich persönlich nicht mehr mit. Die IBA Heidelberg ist ein Erfolg!
Worin liegt der Erfolg der IBA?
Die IBA war wie eine Hebamme für inklusive Stadtentwicklung. Wir haben Menschen, die mit guten Ideen einen Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen, gefördert und ihre Projekte mit ermöglicht. Künftig sind neue Gruppen in der Stadt auch baulich präsent, die vor der IBA nicht sichtbar waren. Meine Lieblingsbeispiele: die Muslimische Akademie und das Collegium Academicum. Die wären ohne die IBA nicht zum Bauen gekommen – weil zwischen Markt und Staat neue Ideen schwer ihren Platz finden.
Aber die Muslimische Akademie hat doch noch nicht mal ein Grundstück.
Aber sie sind auf einem guten Weg, da dürfen Sie gespannt sein auf die IBA-Abschlusspräsentation.
Dennoch: Ist die IBA Heidelberg nicht zu kurz gesprungen? Es wurde viel über die Stadt der Zukunft diskutiert – aber ob diese auch in Heidelberg entsteht, steht in den Sternen.
Die Früchte jeder IBA werden erst in den kommenden Jahrzehnten geerntet, wenn die neuen Räume benutzt werden. Am Ende ging es uns ja um die Wissensgesellschaft, also um das Miteinander der Menschen. Und zur Stadt der Zukunft: Wir haben in PHV alles vorbereitet. Jetzt muss Heidelberg beweisen, dass es dem IBA-Anspruch treu bleibt.
Fürchten Sie, dass mit dem IBA-Ende die grundlegenden Ideen des Dynamischen Masterplans für PHV nun verwässert werden und der Stadtteil am Ende konventionell wird?
Nein, der Masterplan hat die Komplexität bestmöglich geklärt. Wir als IBA haben ja nicht im Süßwarenladen den Korb vollgemacht, und jetzt an der Kasse muss die Stadt schauen, was sie bezahlen will. Sondern wir waren im Vollsortimenter unterwegs: Und wenn man nun aus dem Einkaufswagen Zutaten rausnimmt, dann kann das mit dem Menü schief gehen.
Das klingt wie eine Warnung an die Stadt.
(lacht) Nein, ich glaube, die Verwaltung ist bereit, den Masterplan umzusetzen. Entscheidend ist die Politik – die muss sich schon fragen: Soll PHV alle akuten Probleme, etwa die Wohnungsnot, lösen? Oder eben ein vielfältiger, nachhaltiger Stadtteil der Zukunft, der den Menschen Freiräume gibt? Das ist es, wovor ich warne: Dass man in PHV am Ende doch nur Quantität statt Qualität will, dass man den Masterplan amputiert. Dann entstünde aber kein krisenfester Stadtteil, in dem die Menschen gerne leben.
Sie haben Ihre Lieblingsprojekte erwähnt, bei denen die IBA als Ermöglicher wirkt. Aber was bringt das IBA-Label auf Projekten wie dem Konferenzzentrum oder dem EMBL-Mikroskopiezentrum, die so oder so gebaut worden wären?
Auch die Sowieso-Projekte sind wichtig, weil sie zur Wissensstadt gehören, die wir in ihrer Vielfalt dieses Jahr ausstellen. Die IBA wirkte auch dort an kleinen Stellschrauben – beim EMBL Imaging Centre gibt es ein Besucherzentrum, beim Konferenzzentrum eine einladende Gastronomie.
Und was sagen Sie zu den Projekten, die gescheitert sind oder auf Eis liegen? Der Landwirtschaftspark, die Entwicklung des Campus Bergheim, das Forum Adenauerplatz …
Zumindest die ersten beiden von Ihnen genannten Projekte sind komplexer als andere. Für den Landwirtschaftspark bleibe ich aber optimistisch. Da kommt es auch auf die politische Gemengelage an. Und zu welchem Campus auch immer muss man sagen: Das Land hat die IBA Heidelberg leider nie wirklich lieben gelernt. Eine vom Land mitgetragene IBA hätte natürlich auch beim Masterplan Neuenheimer Feld eine bedeutende Rolle gespielt.
War das nicht der Geburtsfehler der IBA: Dass die Stadt einfach alleine losgelegt hat, ohne dass Land oder Bund mit in die Finanzierung eingestiegen sind? Dadurch fehlte ja nicht nur Geld, sondern auch das Interesse.
Ich sage es Ihnen ehrlich: Anfangs habe ich das nicht geglaubt, dass das Land hier schlicht ein Versprechen gebrochen hat. Heute glaube ich genau das. Es ist schon erstaunlich, wie das Land Heidelberg behandelt, das sieht man ja auch beim "Faulen Pelz". Die Förderung der IBA Stuttgart möchte ich hier nicht thematisieren. Offensichtlich habe ich mir den nordbadischen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Stuttgart zu eigen gemacht.
Hätte die Heidelberger Grünen-Landtagsabgeordnete und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer da mehr Engagement zeigen müssen?
Ich nehme Theresia Bauer ihr Engagement für Heidelberg ab. Aber ihre Parteifreunde im Finanzministerium und in der Staatskanzlei haben zumindest unsere IBA ausgebremst.
Die zwei großen Heidelberger Probleme sind Wohnen und Verkehr: Was hat die IBA hier zur Lösung beigetragen?
Obwohl nicht unsere Aufgabe haben wir da tatsächlich Beiträge geleistet: Mit dem Collegium Academicum beim Wohnen und mit der Radbrücke über den Neckar beim Verkehr haben wir beispielgebende Projekte, die gleichzeitig die Wissensstadt fokussieren. Thematisch waren wir, wie übrigens geplant, eine vorausschauende IBA, keine Reparaturwerkstatt.
Wird der IBA-Geist, der so häufig beschworen wurde, in Heidelberg erhalten bleiben? Werden Politik und Verwaltung auch künftig freier und unbürokratischer denken, wenn es um Stadtentwicklung geht?
Bürgermeister Odszuck hat das im Blut. Und viele Amtsleiterinnen sowie einige Stadträte haben sich mit dem IBA-Virus infiziert. Die konnten mit uns als Querulanten und Ermöglichern umgehen. Davon wird einiges bleiben. Aber klar: Verwaltung darf immer agiler werden.
Zehn Jahre IBA Heidelberg: Ihr Fazit?
Heidelberg kann stolz sein, dass es sich diese IBA angetan hat, denn bei der Abschlusspräsentation werden die Menschen sehen, dass das Geld gut investiert war für strukturelle Veränderungen bei der Stadtentwicklung und in großartige Projekte für alle.



