Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Heidelberg: "Die Stimmung auf den Revieren ist schlecht"
Die Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Christiane Eiermann, sieht nur Nachteile, seitdem es das neue Mannheimer Präsidium gibt - und fordert ein eigenes für Heidelberg

Das Gebäude der ehemaligen Polizeidirektion Heidelberg. Foto: Kreutzer
Von Micha Hörnle
Wie kommt die Polizeireform bei den ganz normalen Polizisten, also an der Basis, an? Die RNZ fragte Christiane Eiermann, die Personalratsvorsitzende des Polizeipräsidiums Mannheim. Allerdings antwortet sie in einer anderen Funktion, als Vorsitzende des Kreisverbandes Heidelberg der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) - weil sie dann deutlich "freier" antworten kann.

Christiane Eiermann ist Vorsitzende des Kreisverbands Heidelberg der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (nicht zu verwechseln mit der Gewerkschaft der Polizei, die dem Deutschen Gewerkschaftsbund angehört). Foto: privat
Wie ist die Stimmung auf den Heidelberger Polizeirevieren?
Die Stimmung ist schlecht! Überall herrscht Unzufriedenheit, was auch die Mitarbeiterbefragung im Rahmen der Evaluation, also der Auswertung, der Polizeireform deutlich gemacht hat. Die Kolleginnen und Kollegen der Heidelberger Polizeireviere haben den Eindruck, dass alles von Mannheim dominiert wird. Nur ein Beispiel: Dem für die Polizeireform zuständigen Staatssekretär Martin Jäger wurde bei seinem Besuch des Polizeipräsidiums Mannheim lediglich das Polizeirevier Mannheim-Innenstadt präsentiert. Ein Heidelberger Revier, beispielsweise Heidelberg-Mitte, stand nicht zur Disposition.
Trifft der Eindruck zu, dass die beiden "Polizeikulturen" in Heidelberg und Mannheim seit dem gemeinsamen Polizeipräsidium nicht zusammengewachsen sind?
Das trifft zu. Das muss man auch nicht schön reden.
Was hat sich seit der Einrichtung des neuen Polizeipräsidiums Mannheim konkret verändert? Was wurde besser, was schlechter?
Zunächst: Eine wirkliche Verbesserung in unserer täglichen Arbeit sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die Einsatzbelastung für die Heidelberger Kollegen ist gestiegen. Individuelle Absprachen des Polizeipräsidiums, was interne Arbeitsabläufe angeht, wurden nicht eingehalten. Sogar wenn es den landesweiten Regelungen entgegensteht. Das erschwert erheblich unsere Arbeit. Heidelberg hat das Nachsehen, wenn es um Brennpunkteinsätze geht. Die gehen überwiegend nach Mannheim. Ausgenommen hiervon waren nur die besonderen Einsätze im Aufnahmezentrum, dem Patrick Henry Village.
Und wie kommt das?
Begründet wird das überwiegend mit dem höheren Kriminalitätsaufkommen in Mannheim. Das stimmt natürlich, rein zahlenmäßig. Bezieht man aber die Einwohnerzahlen in diese Überlegungen mit ein, relativiert sich vieles. Mannheim hat nahezu doppelt so viele Einwohner wie Heidelberg. Die Heidelberger Reviere sehen sich eindeutig als Verlierer. Auch in puncto Personal mussten sie Federn lassen.
Christiane Eiermann
Ja, denn die Arbeitsweise des Führungs- und Lagezentrums im fernen Mannheim ist mit vielen Gegebenheiten nicht vertraut. Mangelnde Orts- und Personenkenntnisse der Funksprecher wirken sich katastrophal aus, so berichten uns die Kollegen. Ursache hierfür ist nicht die fehlende Professionalität der Mitarbeiter im Führungs- und Lagezentrum, sondern Ergebnis der zentralen Einsatzführung. Heidelberger und Mannheimer Kollegen müssen jeden Bereich abdecken. Die Arbeitsbelastung in der Zentrale ist extrem hoch und die Personaldecke ziemlich löchrig. Das ist ein permanenter Spagat, dem kaum einer gewachsen ist.
Hat sich für die Bürger überhaupt etwas verändert, seitdem es das Polizeipräsidium Mannheim gibt?
Durch weniger Beamte im Streifendienst gibt es längere Wartezeiten auf den Streifenwagen, beispielsweise bei Unfällen oder Ruhestörungen, und auch weniger Präsenz in Heidelberg, beispielsweise durch Fußstreifen. Aber ich glaube nicht, dass jeder Heidelberger das mitbekommt, weil jeder Polizist bemüht ist, die durch den Organisationsabbau verursachten Mängel zu kompensieren, um die Bürger zu schonen.
Eine Begründung für die Polizeireform war, dass mehr Polizisten wieder auf die Straße kämen, wenn man die Verwaltung entschlacken würde. Ist das denn eingetreten?
Das war wohl eher ein Märchen. Die Reviere sind personell absolut auf Kante genäht. Und eine Erleichterung ist in naher Zukunft nicht in Sicht!
Wäre die Einrichtung eines eigenständigen Polizeipräsidiums Heidelberg nicht zu viel Aufwand - und würde die Polizeiarbeit eher erschweren?
Das sehe ich nicht so. Alle Beamten, die seit der Umsetzung der Reform mit der Verwaltung nach Mannheim umsiedeln mussten, könnten, sofern sie das wollten, wieder nach Heidelberg zurück. Die Polizeiarbeit auf der Straße tangiert das eher wenig. Zudem würde ein eigenständiges Polizeipräsidium Heidelberg auch ein eigenes Führungs- und Lagezentrum haben und somit die Arbeit der Streifenbeamten erleichtern. Derzeit sind beispielsweise die Wartezeiten von Sprechwünschen zwischen Streifenwagen und der Zentrale viel zu lang. Das behindert die Kollegen des Streifendienstes erheblich, da sie bei jedem Einsatz mit der Zentrale kommunizieren müssen.
In Heidelberg sind die Kriminalitätszahlen gestiegen. Würde da die Einrichtung eines eigenen Polizeipräsidiums etwas bringen, um eventuell eigene Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung zu entwickeln?
Natürlich. Im Moment ist unsere "Manpower" meistens in Mannheim konzentriert. Denn hier müssen mehr Brennpunkteinsätze geplant werden, gleichzeitig finden aber auch mehr Einsätze, wie zum Beispiel Kundgebungen oder Demonstrationen, statt. Einheiten wie unsere Einsatzzüge sind dann überwiegend für Mannheim verplant. Heidelberg sieht sich benachteiligt, weil es "normale" Einsätze und "besondere" Brennpunkteinsätze mit Personal aus den Dienstgruppen stemmen muss - ohne personelle Verstärkung durch die speziell andernorts angeforderten Einsatzzüge. Das ist bei der bereits geschilderten Personalknappheit für uns in Heidelberg eine große Belastung.
Wäre es sinnvoll, ein Polizeipräsidium Heidelberg einzurichten, zu dem auch der Rhein-Neckar-Kreis und der Neckar-Odenwald-Kreis gehören sollten?
Sicher wäre das sinnvoll. Der Rhein-Neckar-Kreis gehörte auch früher schon zur damaligen Polizeidirektion Heidelberg. Das sind gewachsene Strukturen. Der Neckar-Odenwald-Kreis ist eher nach Heidelberg ausgerichtet als nach Heilbronn, liegt also im Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidium Karlsruhe, wie Heidelberg auch - und würde somit besser zu Heidelberg als zu Heilbronn passen.
Wenn sich Polizeipraktiker etwas wünschen könnten, was eine Reform der Reform angeht, was wären das?
Diese Frage ist mit einem Satz zu beantworten: ein eigenständiges Polizeipräsidium Heidelberg.



