Inszenierung im Tropenhaus des Botanischen Gartens
Luise Voigt inszeniert für das Theater Heidelberg das Stück "Wo die Barbaren leben"

Drei Cousins, gespielt von Raphael Gehrmann, Hendrik Richter und Friedrich Witte (v.l.), pflegen ihre Feindbilder ab 17. September im Theaterstück im Botanischen Garten. Foto: Annemone Taake
Von Birgit Sommer
Es ist tropisch feucht, die Grünpflanzen wuchern unter dem Glasdach. Drei Schauspieler proben. "Ihr macht also Spiele mit Mädchenvergewaltigern?", empört sich Ignacio (Friedrich Witte). Sein Cousin Roberto (Hendrik Richter), Leiter einer erfolgreichen Nichtregierungsorganisation, die sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert, soll trotz der Vorwürfe cool bleiben. "Hendrik, du darfst auf seine Dynamik gar nicht einsteigen", sagt Regisseurin Luise Voigt, "du erklärst dem Laien einfach nur, was dein Job ist." "Der trockene Keks also", interpretiert das Hendrik Richter.
Das Heidelberger Theater hat sich wieder einmal einen besonderen Spielort ausgesucht. Ab 17. September bis Mitte Oktober wird das Stück von Pablo Manzi "Wo die Barbaren leben" zehnmal im Botanischen Garten gezeigt. Manzi, der 2015 als bester Dramatiker Chiles ausgezeichnet wurde, baut die Feindbilder der drei Cousins geduldig auf - bis sie selbst zu Feinden werden und sich gegenseitig bedrohen. "Wo die Barbaren leben", gespielt vom chilenischen Theaterkollektiv "Bonobo", war einer der Höhepunkte des iberoamerikanischen Festivals "Adelante" im Februar am Heidelberger Theater. Jetzt wird die deutschsprachige Erstaufführung zu sehen sein.
Luise Voigt, eine zierliche Blondine aus Berlin, mit vielen Lorbeeren aus der Theaterwelt versehen, inszeniert erstmals in Heidelberg. Ihr "Krieg der Welten" nach Orson Wells aus dem Staatstheater Oldenburg war zum Heidelberger Stückemarkt 2016 eingeladen.
Das üppig bewachsene Tropenhaus im Neuenheimer Feld ist ihr Bühnenbild. Darin schafft sie Punkte, die von allen Zuschauern gesehen werden können - große Ballons mit Videoeffekten, die von den Schauspielern selbst hergestellt werden, was wiederum die Zuschauer genau beobachten können. Video-Künstler ist Stefan Bischoff, doch auch Luise Voigt arbeitet gerne mit solchen Medien. Technische Apparaturen, mit denen man Illusionen herstellen kann, sind ihr Ding. Sie hat auch die Heidelberger Botaniker interviewt, und was diese über die Pflanzen sagen, wird als zusätzliche Ebene in die Inszenierung eingefügt. Hundegebell, ein lautstark Kaugummi schmatzender Raphael Gehrmann als Cousin Nicolas, das tropische Gewucher als Symbol für einen Angstraum: Diese Bühne hat was!
"Ich fand es sofort großartig hier", bekennt Luise Voigt. Ihre Herausforderung besteht darin, in einem solchen Raum die Technik in den Griff zu kriegen. Schließlich ist dem Stativ mal ein Ast im Weg oder ragt aus den Projektionsflächen ein großes Palmblatt.
Heidelbergs Leitender Schauspieldramaturg Jürgen Popig, selbst gerne als Flaneur im Botanischen Garten unterwegs, hatte die Idee mit dem Glashaus als Theater, zumal der "Zwinger" noch bis Oktober wegen des Umbaus der Tiefgarage nicht benutzt werden kann. "Ich habe vorsichtig angefragt", sagt Popig, doch er stieß sofort auf Begeisterung. "Die richten sogar ihre Gießzeiten nach uns", freut sich die Regisseurin. Wegen der Beregnungsanlage müssen Beamer und Kameras allerdings jeden Tag abgebaut werden.
Pflanzenbegeisterte Besucher stoßen bei den sechswöchigen Proben täglich auf das Theaterteam: "Wir haben immer Zaungäste", sagt die Regisseurin, "das gehört zu den Arbeitsbedingungen, wenn man an einem solchen Ort probt."
Die Zuschauer - jeweils 50 können eine der 90 Minuten dauernden Inszenierungen sehen - werden durch den normalen Eingang des Gewächshauses in das Tropenhaus geleitet und können sich dort durchaus auch frei bewegen, ehe sie Platz nehmen.
Info: Karten für das Stück "Wo die Barbaren leben" gibt es an der Theaterkasse, Telefon 06221 / 5820000. Die Kasse macht allerdings von 18. August bis 3. September Sommerpause.



