Heidelberg

So will die Pädagogische Hochschule den Nachwuchs fördern

"Eine Promotion ist durchaus belastend" - Die Verantwortlichen erklären wie

23.07.2019 UPDATE: 24.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden

Nicole Flindt und Christian Spannagel sind an der Pädagogischen Hochschule für die Betreuung der Promovierenden zuständig und kennen deren Probleme: "Viele setzen sich selbst unter Druck, weil sie die tollste Arbeit aller Zeiten schreiben wollen", sagt Spannagel. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Wer seinen Doktor macht, wird häufiger krank. Denn Promovieren bedeutet für viele Stress pur. An der Pädagogischen Hochschule (PH) soll das anders laufen. Dazu wurde dort vor fünf Jahren die "Graduate School" eingerichtet, die Doktoranden und junge Wissenschaftler betreut. Was das bringt, erklären Nicole Flindt, die die Institution leitet, und Prorektor Christian Spannagel.

Frau Flindt, Herr Spannagel, wer promoviert, wird öfter krank. Gilt das auch für die Doktoranden der PH?

Spannagel: Ich glaube, das gilt für Promovierende generell - also auch an der PH. Die Promotion ist eine persönliche Weiterbildung, die durchaus belastend ist.

Hintergrund

61 Prozent davon sind Frauen, die an der PH auch unter den Studierenden klar die Mehrheit stellen.

58 Prozent der Promovierenden waren 2018 Mitglied der Graduate School.

Inhaltlich geht es meistens um schulnahe Themen, Schwerpunkte liegen in der

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61 Prozent davon sind Frauen, die an der PH auch unter den Studierenden klar die Mehrheit stellen.

58 Prozent der Promovierenden waren 2018 Mitglied der Graduate School.

Inhaltlich geht es meistens um schulnahe Themen, Schwerpunkte liegen in der Lehrerprofessionalität, der Unterrichtsentwicklung und der Bildung in den MINT-Fächern (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).

Die Bedeutung der Forschung ist in der 115-jährigen Geschichte der PH stetig gewachsen. Seit 1977 kann man dort promovieren, seit 1995 auch habilitieren. (dns)

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Wieso ist das so?

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Spannagel: Da gibt es unterschiedliche Gründe. Wie etwa die eigene Erwartungshaltung: Viele setzen sich selbst unter Druck, weil sie die tollste Arbeit aller Zeiten schreiben wollen. Aber auch externe Belastungen können die Promotion stark beeinträchtigen.

Flindt: Da geht es häufig um Themen wie die Finanzierung. Auch private Probleme - wie Trennungen oder Todesfälle in der Familie - können Promovierende aus der Bahn werfen.

Wie reagiert man da als Hochschule?

Spannagel: Mit der Einrichtung der Graduate School haben wir uns des Problems angenommen. Seitdem gibt es bei uns zahlreiche Angebote für Promovierende und Postdocs, die merken, dass die Belastung zu hoch ist.

Wie darf man sich das vorstellen?

Flindt: Wir bieten bereits Promotionsinteressierten Unterstützung. Wir fordern die Promovierenden zudem auf, Leistungen wie einen jährlichen Zwischenbericht oder die Teilnahme an Tagungen zu erbringen, was ihnen im Selbstreflexionsprozess hilft. Zum anderen bieten wir ihnen vielfältige Angebote wie Mentoren- oder Coachingprogramme wie das "Heidelberger Kompetenztraining", ein Präventionsprogramm zum Aufbau mentaler Stärke. Sie legen fest, bis wann sie ihre Promotion beenden wollen, was sinnvolle Schritte sind, und befassen sich mit Anlaufstellen, wo sie sich im Zweifel Unterstützung holen können. Daneben bieten wir Beratung und Vernetzungsangebote, ein eigenes Qualifikationsprogramm und Bezuschussung von Tagungsteilnahmen.

Wie wird das angenommen?

Flindt: Zu diesem Thema promoviert bei uns aktuell eine Doktorandin. Wenn ihre Arbeit fertig ist, haben wir auch gesicherte Zahlen dazu. Aber ja, es wird nachgefragt.

Spannagel: Wir wissen nämlich noch nicht, wer Probleme hat, damit aber nicht zu uns kommt. Darüber soll die Befragung Aufschluss geben.

Wie helfen Sie denen, die kommen?

Flindt: Geht es etwa um die Finanzierung, suchen wir nach Möglichkeiten, etwa in Form von Stellen oder Stipendien. Wir hatten auch schon Fälle, in denen Menschen krank wurden. Da muss man gemeinsam überlegen, was das Beste ist. Einige konnten ihre Promotion fortsetzen; manchmal macht das aber einfach keinen Sinn. Es gibt aber auch Fälle, wo man recht einfach eine Lösung findet. So kamen immer wieder Promovierende zu uns, die sich beim Schreiben eine Sehnenscheidenentzündung zugezogen haben. Hier haben wir reagiert und eine Spracherkennungssoftware angeschafft. Damit kann man Texte diktieren und die Arme schonen.

Müsste man angesichts der oft prekären Bedingungen jungen Menschen nicht ohnehin von einer Promotion abraten?

Flindt: Nein, nicht so lange man intrinsisch motiviert ist und ein gutes Umfeld hat. Letzteres kommt von einem guten fachlichen Betreuer(team) sowie durch Einrichtungen wie Graduate Schools.

Spannagel: Und auch das Land hat 2014 reagiert. Das neue Hochschulgesetz hat wirklich viel verbessert. Promovierende treffen jetzt mit ihren Betreuern eine schriftliche Vereinbarung und es gibt eine Ombudsperson, die bei Streit schlichtet. Vorher war man ziemlich abhängig vom betreuenden Professor.

Trotzdem nagen viele Promovenden am Hungertuch. Müsste man nicht das System ändern, um die klügsten Köpfe für die Forschung gewinnen zu können?

Spannagel: Eine Promotion ist eine persönliche Weiterbildung, kein Beschäftigungsverhältnis. Dadurch besteht grundsätzlich das Problem der Finanzierung. Ideal ist natürlich, wenn man währenddessen beschäftigt ist. Bei uns gibt es etwa Lehrkräfte, die im Rahmen von Promotionskollegs für drei Jahre abgeordnet werden. Zudem haben wir immer wieder Drittmittelprojekte. Darin sind dann Projektstellen vorgesehen, die von Promovierenden besetzt werden können. Und auch wir als Hochschule haben ein paar Stellen, die wir für Promovierende nutzen können.

Und damit kann man alle versorgen?

Spannagel: Nein, das sind alles begrenzte Ressourcen. Wir haben mehr Promovierende als Stellen. Aber viele arbeiten auch nebenher in einem Unternehmen oder erhalten Stipendien. Hier berät unsere Graduate School gerne.

90 Prozent der Absolventen gehen heute gar nicht mehr in die Wissenschaft. Ist die Promotion da überhaupt noch zeitgemäß?

Ort des Geschehens

Spannagel: Es gibt ganz unterschiedliche Motivationen für die Promotion. Viele wollen danach weiterforschen oder finden die Arbeit persönlich bereichernd. Anderen hilft sie, außerhalb der Wissenschaft weiterzukommen. Sie liefert vielleicht bessere Aufstiegschancen in der Wirtschaft. Man beweist ja, dass man in der Lage ist, einer Fragestellung systematisch und über einen langen Zeitraum nachzugehen. Das braucht man auch in anderen Bereichen.

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