Reformationsstadt Heidelberg: Startschuss der mehrjährigen Jubiläumsfeiern
In der Heiliggeistkirche wurde das Jubiläumsjahr ganz ökumenisch begonnen.

In Heiliggeist übergab Bernd Jaeger von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa die Urkunde, die Heidelberg als "Reformationsstadt Europas" ausweist, an Oberbürgermeister Eckart Würzner und die evangelische Dekanin Marlene Schwöbel-Hug, daneben Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh (v.l.). Foto: Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Das klingt nach einer kleinen Sensation: Heidelberg ist ganz offiziell seit Montagabend "Reformationsstadt Europas": Nur: Es gibt 75 davon, die nächstgelegene ist Bretten, die Geburtsstadt des Luther-Mitstreiters Philipp Melanchthon. Heidelberg hat zwar nicht die Bedeutung Wittenbergs, allerdings spielte die Stadt eine wichtige Rolle, die Lehre Luthers im Südwesten zu verbreiten: Am 26. April 1518 kam Luther zur Heidelberger Disputation, es war sein erster theologischer Auftritt außerhalb Wittenbergs nach dem Thesenanschlag ein halbes Jahr zuvor. Hier stellte Luther, der eigentlich nur seine Thesen zum Ablass erklären sollte, die neue Theologie vor, wonach der Mensch nicht durch eigenes Tun die Gnade Gottes erhalte, sondern durch den Glauben. Auch wenn viele Professoren der Universität diese Gedanken ablehnten, verbreiteten viele studentische Zuhörer die revolutionäre Ansicht.
Insofern hat Heidelberg zu Luthers Zeit eher eine regionale Bedeutung für die Reformation - im Gegensatz zum "Heidelberger Katechismus" 45 Jahre später, der für viele calvinistisch geprägte Kirchen weltweit immer noch der wichtigste Glaubensleitfaden ist.
Am Montagabend wurde nicht nur die Reformation gepriesen - in bester ökumenischer Tradition sogar von Katholiken -, es wurde auch der Startschuss für die mehrjährigen Jubiläumsfeiern gegeben. Dazu gehört auch der neue fünfminütige Film, der über Heidelbergs Rolle für die Protestanten aufklärt: Florian Schnepf - ein Erhard gleichen Nachnamens saß einst bei der Heidelberger Disputation - rappte über Kirche und Stadt; das Heidelberger Original Peter Köppler alias "Flaschenpeter" diskutierte mit dem Theologen Philipp Stoellger über die Frage, was es heißt, ein Nächster zu sein; und Schuldekanin Beate Großklaus erklärte Ramon aus der Boxberger Waldparkschule: "Reformation heißt, dass alle die Bibel lesen können."
Das war eine Steilvorlage für Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, selbst aus gutkatholischem Hause stammend: "Die Reformation war vor allem auch eine Bildungsrevolution." Denn schon Luther habe Schulen für alle gefordert, und am Ende waren Protestanten nicht etwa deswegen oft wohlhabender als Katholiken, weil sie unbedingt fleißiger gewesen seien, sondern weil sie besser gebildet waren. Kurz: "Das Jubiläumsjahr ist eine hervorragende Gelegenheit, die Kraft der Bildung ins Gedächtnis zu rufen".
Für den evangelischen Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh ist aber noch etwas anderes entscheidend, "den Schwung mitzunehmen, den die Reformation in ihre Zeit gebracht hat". Das hatte auch Andreas Barner, Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Sinn, als er sagte: "Wir wollen den reformatorischen Schwung sichtbar machen - und Heidelberg ist dabei eine starke Wegmarke." Denn dieses Reformationsjubiläum wird ganz anders gefeiert als die zuvor: nicht nur national (sondern von allen reformierten Kirchen weltweit), nicht nur mit Bezug auf Luther allein und vor allem auch ökumenisch, also zusammen mit der katholischen Kirche: "So viel Gemeinsamkeit war noch nie." Da traf es sich gut, dass der katholische Stadtdekan Joachim Dauer zusammen mit seiner evangelischen Amtskollegin Marlene Schwöbel-Hug die Feier eröffnete. Dauer sagte: "Wir wissen um das Trennende, wollen aber das Verbindende stark machen."
Für beides steht der Ort des Festaktes, die Heiliggeistkirche, woran OB Eckart Würzner und Bernd Jaeger von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa erinnerten: Zunächst war sie 150 Jahre lang die Hofkirche der katholischen Kurfürsten, dann wurde sie reformiert (zeitweise sogar wieder katholisch) und war schließlich von 1706 für 230 Jahre durch eine Mauer zwischen den beiden Konfessionen geteilt: das Schiff für die Protestanten, der Chor für die Katholiken. Sie sollte erst am 24. Juni 1936 unter Hermann Maas, dem legendären Vermittler zwischen Juden- und Christentum, fallen. Und wo, wenn nicht hier, am alten Standort der Bibliotheca Palatina, passt besser das Motto der anlaufenden Heidelberger Reformationsfeiern: "Ökumene und Bildung"?



