Neubauten in Heidelberger Mark Twain Village werden höher - Bäume bleiben erhalten
Der Parkplatzmangel im Bebauungsplan "MTV-Nord" sorgt für Diskussionen im Bürgerforum

Im orangefarben umrandeten Bereich gilt der Bebauungsplan "MTV Nord". Die rot markierten sollen jetzt ein Stockwerk höher werden als ursprünglich geplant. Grafik: Stadt/RNZ-Repro
Von Steffen Blatt
Heidelberg. Eigentlich war es ungeheuerlich, was sich die Planer der Stadt da für den Bebauungsplan "MTV-Nord" ausgedacht hatten. In der ehemaligen US-Siedlung Mark Twain Village in der Südstadt sollen Neubauten ein Stockwerk höher werden als ursprünglich geplant - ein Vorhaben, auf das die Bürger regelmäßig sehr allergisch reagieren.
Doch der Aufschrei der "Alt-Südstädter" beim Beteiligungsforum in der Sporthalle der Pestalozzi-Schule blieb aus, stattdessen wurde über Parkplätze diskutiert - vielleicht, weil die höheren Gebäude eine Art Kompensationsgeschäft waren für einen Wunsch aus dem Stadtteil, der erfüllt worden war.
Hintergrund
ste. Beim Bürgerforum zu Mark Twain Village (MTV) in der Halle der Pestalozzischule ging es nicht nur um den Bebauungsplan für das Areal, sondern auch um die Gestaltung der Freiflächen im Westen des Gebiets. Und die Vorschläge der Landschaftsplaner von TH Treibhaus aus
ste. Beim Bürgerforum zu Mark Twain Village (MTV) in der Halle der Pestalozzischule ging es nicht nur um den Bebauungsplan für das Areal, sondern auch um die Gestaltung der Freiflächen im Westen des Gebiets. Und die Vorschläge der Landschaftsplaner von TH Treibhaus aus Hamburg kamen richtig gut an.
> Lärmschutzlandschaft: Entlang der Bahngleise wird eine etwa 100 Meter lange Mauer gebaut, um die angrenzenden Wohnungen abzuschirmen. Daran schließt sich ein vier Meter hoher Erdwall an - und dessen "Vorderseite" wird zu einer Spielelandschaft für Kinder. Als Thema wählten die Planer Mark Twain: Da gibt es "Tom und Huck’s Versteck", "Tante Pollys Schafherde" oder "Hannibals’s Lighthouse", das Bezug nimmt auf die Stadt, in der Twain aufwuchs. Der Spielplatz wird auf zwei Ebenen angelegt, es gibt einen Vorplatz mit Sitzgelegenheiten und für die etwas Älteren eine "Skate Bowl", die Bezug nimmt auf die Pioniere dieses Sports, die in Kalifornien einst in leeren Swimming Pools skateten. "Wir haben hier die Möglichkeit, mit der Topografie zu spielen", sagte Gerko Schröder von TH Treibhaus. So soll es zum Beispiel einen Aussichtspunkt geben, auch ein Kiosk ist im Entwurf vorgesehen, was besonders positiv aufgenommen wurde. Dort könnten auch Toiletten, Schließfächer oder sogar ein kleiner Raum als Treffpunkt entstehen.
> Schulhöfe: Die beiden Höfe der Julius-Springer-Schule, die kommenden Sommer ins MTV umziehen soll, sind offen angelegt. Durch die Gestaltung entstehen unterschiedliche Zonen, etwa für Gruppen, die in den Pausen zusammenstehen wollen, oder für Schüler, die mal ihre Ruhe brauchen. Geplant sind 194 Fahrradabstellplätze und 136 Parkplätze. Ob gerade Letztere für die 1600 Schüler - rund 1000 sind gleichzeitig in den Gebäuden - reichen werden, wurde jedoch angezweifelt (siehe Artikel links).
> Rasenspielfeld: Diese Fläche sieht derzeit aus wie eine wuchernde Wiese. Sie soll aber provisorisch wiederhergestellt werden und dann Vereinen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Denn die Heidelberger - auch die in der Südstadt - lieben Bäume, und wo immer einer gefällt wird, ist die Kritik groß. Um möglichst viele Bäume im Gebiet nördlich der Rheinstraße zu erhalten, wurden die Kanten der Neubauten im östlichen Bereich zurückgenommen. Schon früh im Planungsprozess wurde die Bebauung zur Kirschgartenstraße hin lockerer angedacht. Das führte dazu, dass rund 2000 Quadratmeter Wohnfläche wegfielen, worauf der Heidelberger Mieterverein die Menschen aufforderte, in Stellungnahmen zum Bebauungsplan die Wiederherstellung der Wohnfläche zu fordern. Schließlich sei sonst das Ziel, 70 Prozent der Wohnungen in Mark Twain Village im bezahlbaren Bereich zu halten, gefährdet. Das Ergebnis: Von den 45 Eingaben sprachen sich 15 für die Wiederherstellung aus, zwei wollten alles so lassen. Das löste schließlich die Umplanung aus.
So sollen nun die Neubauten, welche die U-förmigen Bestandsgebäude westlich der Römerstraße schließen, fünf statt vier Geschosse bekommen, ebenso zwei Eckhäuser. Sie würden dann eine Höhe von 16 Metern haben, vorher waren es 13. Zudem soll die Gebäudetiefe der Riegel an der Römerstraße von neun auf zehn Meter erhöht werden. Damit würde man 1800 Quadratmeter Wohnfläche zurückgewinnen, was 22 Wohneinheiten entspräche, erklärte Silke Klein vom Stadtplanungsamt.
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Wer danach am Thementisch zum Bebauungsplan eine entrüstete Diskussion um diesen Vorschlag erwartet hatte, sah sich getäuscht. Nur verhalten wurden die höheren Gebäude kritisiert, ansonsten nahmen die Südstädter den Plan zur Kenntnis - nicht gerade wohlwollend, aber offenbar in dem Wissen, dass man ohne Aufstockung nicht beides haben kann: Bäume und Wohnfläche erhalten.
Stattdessen ging es um etwas, das der Heidelberger fast genauso liebt wie Bäume: das Auto - und den Platz, es abzustellen. Auch hier hatten sich die Planer etwas Neues ausgedacht. Eigentlich schreibt die Landesbauordnung vor, dass pro Wohneinheit ein Autostellplatz ausgewiesen werden muss. Dank einer Ausnahmeregelung können die Kommunen bestimmen, dass nur 70 Prozent dieses Wertes erfüllt werden müssen - und das soll auch für MTV-Nord gelten. "Gerade im bezahlbaren Segment wollen gar nicht alle einen Stellplatz mitkaufen, um Kosten zu sparen. Und Bewohner von kleinen Wohnungen haben oft gar kein Auto", so Klein.
Dass das ausreicht, bezweifelten einige der Forumsteilnehmer. Vor allem ging es ihnen dabei um die 136 Stellplätze, die für die berufliche Julius-Springer-Schule vorgesehen sind, die im Sommer 2017 in die Gebäude der ehemaligen Mark Twain High School einziehen wird. In der Tat ist wohl damit zu rechnen, dass dann mehr der 1600 Schüler mit dem Auto kommen werden, wenn sie nicht mehr wie jetzt mit S- oder Straßenbahn direkt bis zu ihrer Schule fahren können - auch wenn das nahezu der einzige Luxus in dem maroden jetzigen Gebäude an der Rohrbacher Straße ist.
Sebastian Gieler vom Amt für Verkehrsmanagement versuchte, zu beruhigen. Man sei in Gesprächen mit der Schulleitung, zu Schulbeginn und -ende müsse ein "leistungsfähiger Nahverkehr" eingerichtet werden. Er deutete an, dass es Anwohnerparkausweise geben werde - "und wenn ein Schüler dann parkt, wo er nicht darf, bekommt er eben einen Strafzettel. Beim dritten Mal überlegt er sich, ob er das noch mal macht". Zudem liege Heidelberg, was den Autobesitz betreffe, deutlich unter dem Landesschnitt.
Richtig überzeugt waren die Kritiker danach nicht, doch es meldeten sich auch andere Stimmen. Ein Vertreter des gemeinschaftlichen Wohnprojekts "Konvisionär", das auch direkt an der Schule neu bauen will, begrüßte die 70-Prozent-Regelung. "Wir wollen die Quote bei uns auf 50 Prozent oder weniger drücken", sagte er weiter. Da mussten einige erst einmal mit klarkommen: Es gibt offenbar junge Menschen, sogar Familien, die kein eigenes Auto haben wollen.



