"Mut zur Wut" (fast) ohne "Porn Stick"
Ausstellung "Mut zur Wut" mit sozialkritischen Plakaten in der Justiz - Ein Werk wird nur bei der Eröffnung gezeigt: "Porn Stick"

Dank der "Mut zur Wut"-Plakate kommen jedes Jahr Kunstinteressierte ins Gerichtsgebäude. Archiv-Foto: Kresin
Von Holger Buchwald
Sie sind kritisch und behandeln globale, soziale, politische oder auch sehr persönliche Themen: Die 30 Siegerplakate des Wettbewerbs "Mut zur Wut" hängen derzeit überall im Stadtgebiet. Ab Mittwoch, 29. Juli, sind sie auch im Heidelberger Justizgebäude zu sehen. Doch in diesem Jahr sorgte ein Plakat noch vor der Vernissage für Diskussionen. Sogar die Staatsanwaltschaft prüfte, ob man dieses Werk im öffentlichen Raum zeigen darf.
"Porn-Stick" heißt das Werk von Daniel Kunze. Zu sehen ist ein bei Touristen äußerst beliebter "Selfie-Stick", ein Stab, an dem man sein Handy befestigen und so besser Selbstporträts von sich aufnehmen kann. Das Besondere an dem Kunstwerk: Das Display des Smartphones zeigt einen Geschlechtsakt.
Darf man so etwas zeigen? Und dann auch noch im Justizgebäude? Der Hausherr, Landgerichtspräsident Michael Lotz, sah sich im Zwiespalt. Nachdem die Anklagebehörde das Kunstwerk als unbedenklich eingestuft hatte, entschieden er und seine Kollegen sich trotzdem dafür, das Plakat nur während der Vernissage zu zeigen. Das Problem: Man wollte die Opfer sexueller Gewalt, die im Gerichtsgebäude auf ihre Zeugenaussage warten müssen, nicht damit konfrontieren. Zwar ist das Paar auf dem Poster stark verpixelt. Je weiter sich der Betrachter aber von dem Kunstwerk entfernt, desto schärfer wird das Bild.
"Das Zeitalter der Selfies hat längst begonnen", schreibt Kunze als Erklärung seines Posters: "Egal, wo wir uns befinden oder was wir gerade tun, die einzige Einschränkung zu zeigen, wie wir uns am liebsten sehen, bleibt die Reichweite unserer Arme. Gewiefte Erfinder haben diesen evolutionären Nachteil natürlich schon längst überwunden und den Selfie-Stick erfunden." Es sei nur eine Frage der Zeit, bis er auch zu pornografischen Zwecken genutzt werde.
Bei so viel Sex im öffentlichen Raum hatte auch die Stadtverwaltung Bedenken. Letzten Endes einigte man sich mit den Veranstaltern aber auf einen Kompromiss: So wird das umstrittene Poster zwar nicht in den städtischen Plakatrahmen aufgehängt, auf privaten Grundstücken darf es aber geklebt werden. Das Motiv, so die Einschätzung, sei von der Freiheit der Kunst gedeckt.
"Mut zur Wut" ist ein Plakatwettbewerb, der Grafikdesigner, Gestaltungsbüros, Agenturen und Studenten die Möglichkeit gibt, ein Motiv ihrer Wahl zu gestalten. Die 30 besten Werke werden nach einer Ausschreibungsphase von etwa zwei Monaten von einer internationalen Jury ausgewählt und einen Monat im öffentlichen Raum in Heidelberg und Mannheim und in der Heidelberger Justiz ausgestellt. Bei der fünften Auflage wurden in diesem Jahr mehr als 2600 Plakate von 1312 Künstlern aus 50 Ländern eingereicht.
Die Vernissage am Mittwoch, 29. Juli, Justizgebäude, Kurfüsten-Anlage 15, beginnt um 17 Uhr. Es sprechen Landgerichtspräsident Michael Lotz, Oberbürgermeister Eckart Würzner, Sascha Lobe, Jurymitglied und Professor für Typografie in Offenbach, Mitinitiator und Vereinsvertreter Götz Gramlich. In der Ausstellung im Gerichtsgebäude sind die 100 Finalisten zu sehen.
Info: mutzurwut.com