Mitarbeiter in Clubs und Bars sollen sexualisierte Gewalt erkennen
Der Frauennotruf schult Personal in Clubs und Bars zu Themen wie sexualisierter Gewalt. Im Ernstfall soll man so ruhiger reagieren können.

Von Julia Schulte
Heidelberg. Wenn Lilli Fink für die Abendleitung im Karlstorbahnhof zuständig ist, dann achtet sie nicht nur auf den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung und die Betreuung der Künstler. Auch die Stimmung der Gäste hat die 24-Jährige, die ein duales Studium für Messe-, Kongress- und Eventmanagement absolviert, genau im Blick. "Hält sich jemand oft an der Bar auf und sucht vielleicht den Kontakt zu uns? Ist jemand sehr betrunken und torkelt schon? Darauf achten wir – und bieten dann Hilfe an", sagt Fink.
Im Karlstorbahnhof befasse man sich schon länger intensiv mit dem Thema "Awareness" – einem Konzept, bei dem es um ein respektvolles Verhalten miteinander und ums Achtgeben aufeinander geht. Im März machte Fink zusammen mit anderen Mitarbeitern des Karlstorbahnhofs eine Schulung für die beiden Kampagnen "Nachtsam" und "Luisa ist hier!". Geleitet wurde diese von Miriam Ott, Ansprechpartnerin beim Frauennotruf gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen Heidelberg.
"Nachtsam" ist eine landesweite Kampagne mit Schulungskonzept für mehr Sicherheit im Nachtleben. "Wir zeigen den Mitarbeitenden von Bars und Clubs, wie sie sexualisierte Gewalt erkennen, sensibilisieren zum Thema Belästigung und klären hinsichtlich lokaler und nationaler Beratungsstellen auf", erklärt Ott. "Schließlich feiere ich lieber, wenn ich weiß, dass ich sicher bin", sagt sie. In diese Richtung zielt auch die Kampagne "Luisa ist hier!", die es schon seit 2016 gibt. Das Konzept: Wer sich unwohl mit einer Situation führt, geht zum Barpersonal und fragt "Ist Luisa hier?". Dies ist das Signal für das Personal, das sich dann um die Person kümmern kann.
"Ich wurde noch nie nach Luisa gefragt – und so viel ich weiß meine Kollegen auch nicht", sagt Fink. Sie glaubt, dass viele inzwischen das Signalwort "Luisa" kennen – und deshalb gewisse Hemmungen haben, es zu nutzen. Für die Nachtsam-Kampagne hat Fink allerdings viel Lob übrig: "Die Sensibilisierung ist sehr wichtig", sagt sie. Denn sollte Hilfe nötig sein, wüsste direkt das ganze Team, was zu tun sei. Im Karlstorbahnhof nahm nicht nur das Barpersonal an der Schulung teil, sondern auch die Mitarbeiter der Security, des Hausdienstes, der Technik und der Garderobe. Das Personal an der Tür etwa achte auch darauf, ob eine Person vielleicht nicht ganz freiwillig mit jemandem nach Hause geht, erklärt Fink.
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"Generell gilt: lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nachfragen", sagt Fink. Oft sei das hilfreicher, als zu warten, bis man angesprochen wird. Und Ott rät: "Sobald ich mich unwohl fühle – weil zum Beispiel mein Date nicht die Person ist, für die sie sich ausgegeben hat – kann und sollte ich das Personal ansprechen." Bei der Betreuung der betroffenen Person stehen dann vor allem deren Bedürfnisse im Mittelpunkt: "Wir bringen sie in einen separaten Raum, bieten ein Wasser an, fragen, ob wir ein Taxi rufen sollen – immer mit dem Einverständnis der betroffenen Person", sagt Fink. "Sie entscheidet, was passiert." Hilfreich sei bei der Schulung auch der Ratschlag gewesen, nach einem schwereren Vorfall ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen, "denn sollte es zu einer Anzeige kommen, hilft es der oder dem Betroffenen, wenn zuverlässige Zeugenaussagen vorliegen". Bislang habe sie dies jedoch nicht tun müssen, so Lilli Fink.

Ott bekräftigt, dass es immer besser sei, wenn in der Praxis kein Fall aus der Schulung auftritt. "Aber es ist in solchen Situationen schwierig, aus dem Stegreif heraus angemessen zu reagieren; eine Schulung gibt da Handlungssicherheit und man kann im Ernstfall ruhiger reagieren", so Ott. Gerade bei K.O.-Tropfen stelle sie immer wieder fest, dass Leute denken, sie wüssten, was zu tun sei – solche Situationen aber unterschätzen. "Je besser man über solche und andere Mittel Bescheid weiß, desto besser kann man reagieren", bescheinigt Fink.
Damit Mitarbeiter im Nachtleben – die laut Ott häufig noch besser als die Betreiber wissen, ob Bedarf in ihrem Betrieb besteht – auf die kostenlose Schulung aufmerksam werden, hingen im Frühjahr an den Litfaßsäulen der Stadt Plakate aus, die auf die Kampagne aufmerksam machten. "Aber auch die Feiernden wollten wir darauf hinweisen, damit sie sich über die Locations informieren und auch ihre Art zu feiern reflektieren", so Ott.
Info: In welchen Heidelberger Locations "nachtsam" gefeiert wird, kann man unter www.frauennotruf-heidelberg.de (unter "Aktuelles" auf "Projekte" klicken) nachgucken. Wer sich kostenlos schulen lassen möchte, kann sich beim Frauennotruf Heidelberg unter Telefon 06221 / 181622 melden.




