Heidelberg

Menschenmassen in der Altstadt waren "grenzwertig" (plus Fotogalerie)

Nach dem Riesenandrang am Wochenende hofft man auf eine Entzerrung durch die Lockerungen im Umland. Ein "mulmiges Gefühl" herrscht auch bei den Händlern.

23.05.2021 UPDATE: 25.05.2021 20:15 Uhr 4 Minuten, 10 Sekunden
Die Heidelberger Hauptstraße am Pfingstsamstag. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Die Menschenmassen in der Innenstadt am Pfingstwochenende haben vielen Heidelbergern ein mulmiges Gefühl bereitet. Aus ganz Deutschland waren Besucher in die Stadt geströmt, in der Bars und Restaurants offen sind. "Am Pfingstsonntag war es – bei geschlossenen Läden – so voll wie sonst an Adventssamstagen", sagt die Vorsitzende des Stadtteilvereins Altstadt, Karin Werner-Jensen. Sie freue sich über die Lockerungen und verstehe jeden, der diese genieße – aber: "Ich habe schon Sorge, dass diese Öffnung zu schnell und übermütig geschieht." Die Pandemie sei schließlich noch nicht vorbei.

Auch Polizeisprecher Christopher Weselek sagt: "Das Wochenende in der Altstadt war grenzwertig." Zehn Beamte waren als Kommunikationsteams im Einsatz, auch mit Lautsprechern wurde auf Maskenpflicht und Abstandsregeln hingewiesen. Doch viel mehr als Präsenz zu zeigen – und Verstöße gegen Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen zu ahnden – konnte die Polizei nicht tun. Denn: So voll wie die Hauptstraße war, war Abstandhalten schlicht unmöglich.

Unterdessen freuten sich Händler, Hoteliers und Gastronomen, dass endlich wieder richtig etwas los war in der Innenstadt. Nikolina Visevic vom Citymarketingverein "Pro Heidelberg" hat sich unter den Einzelhändlern umgehört: "Einer sagte, es sei wie eine Weihnachtszeit im Mai, ein anderer konnte kaum glauben, wie viel Kunden kamen." Der Umsatz sei bei den meisten sehr gut gewesen. Visevic sagt aber auch: "Manche Einzelhändler haben schon Sorgen geäußert für den Fall, dass das mit den Massen auch die nächsten Wochen so bleiben würde." Einige wünschten sich eine noch größere Polizeipräsenz.

Die Stadt Heidelberg, deren Kommunaler Ordnungsdienst ebenfalls unterwegs war, um die Regeleinhaltung zu kontrollieren, sieht das Ganze recht entspannt: "Wir sollten jetzt keine Angst davor haben, Stück für Stück zur Normalität zurückzukehren", so ein Sprecher. Im Übrigen "können wir ja jetzt nicht Mauern an den Stadtgrenzen hochziehen – und wollen das auch gar nicht, weil Heidelbergs Gäste grundsätzlich eine Bereicherung für die Stadt sind". Zudem ist man bei der Stadt überzeugt, dass sich das Problem ein Stück weit von alleine löst, weil nun auch im Umland die Gastronomie wieder offen ist. "Da wird ein gewisser Entzerrungseffekt einsetzen", so der Stadtsprecher.

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Darauf vertraut auch Melanie von Görtz vom hiesigen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) – und sie glaubt: "Wenn wir am Samstag in Öffnungsstufe 2 kommen und dann also die Gastronomie bis 22 Uhr öffnen darf, entzerrt auch das die Massen – und macht infektiologisch Sinn." Für die Wirte sei es ein großartiges Pfingstwochenende gewesen. Aber auch von Görtz sagt: "Dass es so voll werden würde, haben wir so nicht vorausgesehen."

Polizeisprecher Weselek appelliert noch einmal und kündigt für nächstes Wochenende an: "Bei allem Verständnis für die Freude an den Lockerungen: Es gilt noch immer die Corona-Verordnung – und wir schreiten ein, wenn wir sehen, dass jemand sie missachtet."

Update: Dienstag, 25. Mai 2021, 20.16 Uhr


Rekord-Andrang in der Innenstadt (plus Fotogalerie)

Von Natascha Koch

Heidelberg. Die Altstadt war am Pfingstwochenende so voll wie sonst nur am "Heidelberger Herbst". Aus ganz Deutschland zogen die entspannte Corona-Lage in Heidelberg und der Sonnenschein die Massen an. In der Hauptstraße und in der Steingasse drängten sie sich am Samstag wie Sardinen. An Abstandhalten war vielerorts nicht mehr zu denken.

In der Plöck ist am Samstag die Schlange von Autos zum Parkhaus so lang, dass sie sich über die Straße hinaus erstreckt. Die Kennzeichen sind fast ausschließlich von außerhalb. Aus dem Rhein-Neckar-Kreis, aber auch aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Schwabenland reisen die Menschen an. "Ich würde behaupten, unsere Gäste kommen zu 80 Prozent aus anderen Teilen Deutschlands", sagt Nicole Weigold, Inhaberin des Restaurants Kleiner Spanier an der Alten Brücke, das nun das zweite Wochenende geöffnet hat. Ob sie sich Sorgen mache? Schließlich sind die Inzidenzen im Umland so viel höher. "Nein, ich mache mir da gar keine Gedanken", sagt sie. Es werde schließlich viel getestet.

Auch im unteren Geschoss des Kleinen Spaniers gibt es nun ein Testzentrum. Wer also 20 Minuten Geduld hat, der kann sich im Anschluss sofort setzen – neuerdings auch auf der Alten Brücke. So wie Andreas Haug. Der gebürtige Heidelberger ist mit seiner Frau aus Bad Kreuznach angereist. "Ich finde das hervorragend", sagt er. "Das wertet das Stadtbild richtig auf." Zu Besuch seien sie, weil in Bad Kreuznach noch vieles geschlossen habe. "Heidelberg ist super aufgestellt mit dem Testen”, sagt er. "Und jetzt können wir endlich wieder ein Glas Wein genießen."

Die Hauptstraße wird mit jeder Stunde voller. Die Menschen müssen lange vor den Läden warten; zwar brauchen sie keinen Test mehr, aber Personenbegrenzungen gibt es trotzdem. Im Sportscheck dürfen 130 Personen in den Laden. In den größeren Geschäften ist Platz für alle. In den Kleineren erfordern die Lockerungen noch etwas mehr Feinjustierung. "Wir mussten uns erst langsam wieder reinfinden", sagt Armel Peillonex, Inhaber des kleinen Handtaschengeschäfts CS Lederwaren in der Hauptstraße. "Aber letztes Wochenende war schon sehr gut." Eine Frau unterbricht, sie bittet darum, eine Handtasche zu kaufen. Im Klamottenladen Tredy Fashion steht eine Frau gestresst hinter der Theke, sie will nicht reden, sie habe keine Zeit. Im Adenauer & Co dasselbe. Und auch sonst scheint jeder im Pfingst-Boom sehr eingespannt zu sein.

Vor dem Schuhgeschäft Salamander stehen etwa acht Personen in der Schlange, darunter Atika Pasha und ihre Freundin. Sie kommen eigentlich aus Dortmund, dort aber gelten noch Ausgangssperre und FFP2-Maskenpflicht. Dass es in Heidelberg so voll ist, stört die beiden nicht: "Wir tragen ja beide Masken, und man kann sich überall testen lassen", sagt Pasha. "Das ist für uns kein Problem."

Sich durch die Menschenmenge zu zwängen, wird nun zunehmend schwierig. Abstand einzuhalten erst recht. Es ist später Nachmittag, am Universitätsplatz steht die Polizei: "Liebe Heidelberger, liebe Heidelbergerinnen, liebe Freizeitgenießer, liebe Sonnengenießer", so richtet sich ein Polizist per Lautsprecher an die Passanten. Es sei zu einer Anhäufung von Menschen gekommen, deswegen solle man ausdrücklich auf den Mund-Nasen-Schutz und den Abstand zum Nebenmann achten. Wenn das so einfach wäre. Auf der Hauptstraße ist es kaum mehr auszuhalten.

In der Kulturbrauerei ist die Lage schon wesentlich entspannter – in dem idyllischen Biergarten hat man noch Abstand zu den anderen. Joshua Merz, der Geschäftsführer, freut sich auch schon wieder über ausländische Gäste. Seit letzter Woche nehme das Hotel Buchungen an.

Es ist Abend geworden, einige Regentropfen fallen, aber nicht genug, um die Menschen zu verjagen. Die Läden schließen nach und nach, um 21 Uhr machen auch die Restaurants zu, aber die Hauptstraße schläft nicht. Noch um 22 Uhr werden hier Straßenpartys gefeiert, ein bisschen Reggaeton, um den Tag ausklingen zu lassen. Das Wochenende in Heidelberg hat ja auch gerade erst begonnen.

Update: Montag, 24. Mai 2021, 20 Uhr

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