Marion und Jürgen Brecht sagten ihrem Zuckerladen Adieu (Video/Fotogalerie)
Nach fast 40 Jahren öffneten die beiden Altstadt-Urgesteine ihren Laden am Samstag zum letzten Mal. Es wurde ein berührender Abschied mit liebevollen Geschenken.

Heidelberg. (shy) Es sind Kinder, Erwachsene, ganze Familien, Studenten und Senioren, die am Samstag gegen 12.45 Uhr geduldig in der Plöck warten. Alle haben nur ein Ziel: Sie wollen ein letztes Mal in den Zuckerladen, um Süßigkeiten zu kaufen – vor allem aber, um Marion und Jürgen Brecht Adieu zu sagen.
Nach fast 40 Jahren öffnete das Paar am Samstag zum letzten Mal das Geschäft, in dem Generationen von Kindern ihr Taschengeld in saure Schnüre, süße Schlümpfe oder Brausestäbchen investierten, mit Jürgen um die Wette würfelten – und auch als Erwachsene immer wieder kamen.
Die meisten Menschen, die in der Kälte ausharren, sich zwischendurch gegenüber heißen Kaffee oder auch etwas zu essen holen, sind schon seit Jahren regelmäßige Besucher im Zuckerladen. So wie Johannes und Jona. Die beiden Zehnjährigen waren bereits um 10 Uhr morgens da, eine Stunde vor Ladenöffnung. "Dafür waren wir die zweiten im Geschäft", berichtet Johannes stolz um kurz nach 13 Uhr, als sie zum zweiten Mal anstehen. Diesmal wird es länger dauern. Nicht alle halten durch. Johannes und Jona schon.
"Wie lange warten Sie schon?", ist wohl die am meisten gestellte Frage an diesem Nachmittag von jenen, die noch nachkommen und zweifeln, ob sie sich wirklich einreihen sollen in die Schlange, die bis zum Plöck-Parkhaus reicht. Die meisten tun es.
"Ich komme immer zum Lakritzkaufen. Die haben so tolle Sorten", verrät Bettina Burgstaller-Köhler. Die Handschuhsheimerin kennt den Zuckerladen ebenfalls bereits aus ihrer Jugend. Hat auch später jahrelang hier eingekauft, etwa für Kindergeburtstage oder um Schultüten zu füllen.
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Kathrin Scheenhaart steht mit ihrem zwölfjährigen Sohn in der Schlange. Sie kam zum Studium nach Heidelberg und liebt Saures. Ihre Lieblingssorten: "Die schnelle Zunge und lutsch dich wund", sagt sie lachend. Auch wenn alle vermutet haben, dass es heute lange dauern wird – nach einer Stunde Stehen wird es langsam ganz schön ungemütlich. "Aber es ist ja auch eine ganz tolle Wertschätzung", sagt Scheenhaart und erzählt, dass sie auch vielen Freunden, die nach dem Studium aus Heidelberg wegzogen, immer süße Tüten mitbrachte.
Um kurz vor 14 Uhr dann eine Riesenüberraschung und der wohl emotionalste Moment des Tages: Eine Familie ist aus Leimen gekommen, um Marion und Jürgen einen musikalischen Abschiedsgruß zu schenken. Bartolomey Can, der schon den Landeswettbewerb "Jugend Musiziert" gewonnen hat, spielt Mozart auf der Geige während Wunderkerzen funkeln. Anschließend singt die ganze Familie ein "Vater unser" auf Aramäisch. Nicht nur bei Marion fließen vor Rührung Tränen, auch zahlreiche Wartende haben verdächtig glänzende Augen, Passanten bleiben stehen, filmen, klatschen.
Um 16 Uhr, nach über drei Stunden, sind die Hände und Füße eiskalt und die Nasen rot gefroren, aber immerhin regnet es nicht und die Tür ist schon zum Greifen nahe. Dann – endlich drin und innerhalb von Sekunden wischen der unvergleichlich süße Zuckerladenduft und eine Welle von Herzlichkeit die Stunden des Wartens fort.
Jürgen lässt sich, wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht aus der Ruhe bringen und füttert zwischendurch ein kleines Hündchen mit Wurst. Marion hat heute Unterstützung von Freundinnen bekommen, aber viele wollen trotzdem von ihr bedient werden, ein paar letzte Worte wechseln, alles Gute wünschen.
Immer wieder bringen Besucher auch Geschenke. Blumensträuße, Karten, Kinder überreichen selbst gemalte Bilder und ganz viele wollen noch ein Erinnerungsfoto. Letzteres ist wirklich eine Besonderheit, denn Fotografieren und Filmen war im Zuckerladen nie gestattet.
Auch die Tochter der Inhaber ist gekommen, um in der letzten Stunde mitzuhelfen. "Sie ist ja quasi hier aufgewachsen", sagt Marion und freut sich. Ob es allerdings wirklich die letzte Stunde heute sein wird, ist fraglich. Eigentlich sollte der Zuckerladen zwar um 17 Uhr schließen, aber am Freitag gingen die letzten Kunden um 22.40 Uhr. Die Schlange vor der Tür ist um 16.30 Uhr jedenfalls kein bisschen kürzer geworden, als sie es zur Mittagszeit war. Es wird also noch etwas länger dauern, bis sich der letzte Besucher endgültig verabschiedet hat.
Aber die gute Nachricht ist ja auch: Selbst wenn Marion und Jürgen nun in Ruhestand gehen, wird der Zuckerladen – wenn alles gut läuft – bleiben. Ein paar Hürden gilt es noch zu überwinden, aber eine Nachfolgerin ist gefunden. Auch wenn ihr Name noch nicht öffentlich genannt werden darf, so viel lässt sich verraten: Sie ist Heidelbergerin, kennt den Zuckerladen schon aus Kindertagen und sprüht regelrecht vor Begeisterung. Der RNZ gegenüber sagt sie: "Für mich würde damit ein Traum in Erfüllung gehen!
Update: Sonntag, 4. Februar 2024, 12.41 Uhr

Es gibt eine Nachfolgerin für den Zuckerladen
Heidelberg. (shy) Es sind wunderbare Nachrichten: Marion und Jürgen Brecht haben eine Nachfolgerin für den Zuckerladen gefunden. Noch darf Marion allerdings keinen Namen nennen, es finden noch Verhandlungen statt. Hundertprozent sicher ist die Sache also leider nicht. Marion und Jürgen sind allerdings fest davon überzeugt, dass sie die Richtige ist.
"Sie ist Heidelbergerin, sie ist seit ihrer Kindheit zu uns gekommen, sie weiß, worum es geht, und es ist ihr eine echte Herzensangelegenheit", berichtet Marion. Sie selbst habe gesagt: "Wenn es klappen würde, würde ein Traum in Erfüllung gehen – für sie und ganz Heidelberg." Im Zweifelsfall würde sie mit dem Zuckerladen sogar umziehen, macht Marion deutlich, wie sehr die Frau dahintersteht.
Unabhängig davon werden Marion und Jürgen am Samstag zum letzten Mal die Türen ihres Zuckerladens öffnen. Es werden wohl Hunderte Menschen kommen, um den beiden Adieu zu sagen, denn schon seit vielen Wochen reißt die Schlange vor dem Laden nicht mehr ab. Selbst in eisiger Kälte harren Menschen aus, um ein letztes Mal vorbeizuschauen, Süßigkeiten zu kaufen und um mit Jürgen ein letztes Mal zu würfeln.
Ein Jahr lang haben die Inhaber des Zuckerladens Nachfolger für das Geschäft in der Plöck gesucht – ohne Erfolg. Noch kurz vor Weihnachten war die RNZ zu Besuch und sprach mit den beiden. Da sah es ganz danach aus, als müsste der Zuckerladen für immer schließen. Das scheint nun abgewendet.
Gegründet haben Marion und Jürgen den Laden 1986, seitdem sind sie in der Altstadt heimisch. Generationen von Kindern haben hier ihr Taschengeld investiert und kommen als Erwachsene immer noch – teils von weit her. Denn ein Besuch im Zuckerladen ist immer wie ein Besuch bei Freunden. Am Samstag, 3. Februar, sind Marion und Jürgen ab 11 Uhr in der Plöck 52 ein letztes Mal für alle Freunde des Zuckerladens da.











