Künstlerin Sabah Outasse stellt in der Galerie Arabeske aus
Kunst aus einem Land zwischen den Zeiten: Ihre Gemälde und Plastiken erzählen von ihrer Heimat Marokko.

Von Jannik Wilk
Heidelberg. Die Galerie Arabeske beherbergt diese Woche einen besonderen Gast: Das Kulturhaus aus Handschuhsheim hat die marokkanische Künstlerin Sabah Outasse eingeladen, ihre zeitgenössischen Gemälde und Plastiken zu zeigen. Die Vernissage von "Rosé – Bleu" fand am Sonntagmittag statt. Outasse selbst führte die rund 25 Gäste durch die Ausstellung und sprach darüber, was sie mit ihrer Kunst auszudrücken versucht.
Im Zentrum ihrer Arbeit steht die marokkanische Gesellschaft, die sich seit zwanzig Jahren im Aufbruch befindet. Unter dem Zepter Mohammeds VI., Marokkos modernem König, sollte das Land dem Fortschritt geöffnet werden. Zahlreiche Gesetzesänderungen und Initiativen zeugen davon. Doch der Weg ist lang. Bis heute steht Marokko in einer eigentümlichen Spannung zwischen kultureller Offenheit und religiöser Tradition. Bis die Reformen in die hintersten Winkel des Königreichs gelangen, braucht es Zeit: "Marokko ist eine offene Gesellschaft und nicht so konservativ, wie man vermutet", erzählt Outasse. "Aber die Religion bremst diese Offenheit ein Stück weit aus."
Outasse weiß, wovon sie spricht – aufgewachsen in einer traditionellen Berberfamilie, entstammt sie dem ländlich-konservativen Milieu des Mittleren Atlas: "Mein Lebenslauf als Frau war von Hindernissen gekennzeichnet. Ich habe es vorgezogen, zu studieren statt zu heiraten, um unabhängig zu sein." Nicht zuletzt aus eigener Erfahrung heraus also dreht sich ihre Kunst um die Geschlechterklischees ihrer Heimat – und den Einfluss, den diese auf die Bildung und den Werdegang junger Mädchen haben. Es geht um Chancengleichheit, Rollenbilder, Unterdrückung. Hoffnung und Verzweiflung. Vor allem aber um den Mut, auszubrechen.
Auszubrechen aus dem engen Korsett der marokkanischen Gesellschaft, die junge Mädchen in eine Nische drängt: Von Geburt an erzieht man sie in dem Glauben, ihrer zugewiesenen Position entsprechen zu müssen. Die Merkmale und Einstellungen, die sie damit assoziieren, bestimmen ihr Denken und ihr Handeln.
Gegen all das rebelliert Outasse. Die verkrusteten Traditionen Marokkos zu brechen, Hoffnung zu geben, Vorbild zu sein – das ist das Ziel ihres provokanten Werkes: "Wenn wir die Probleme nicht durch Bildung ändern können, kriegen wir das vielleicht durch das Mittel der Kunst hin." Inzwischen lebt und arbeitet sie in der alten marokkanischen Hafenstadt Essaouira, die im Königreich ein Symbol des Fortschritts darstellt. In diesem Umfeld entstanden die Gemälde und Plastiken, die Outasse in der Galerie Arabeske zeigt. Inspirieren lässt sie sich auch durch ihren Alltag als Lehrerin an marokkanischen Schulen.
In ihrer Ausstellung spielt Outasse mit Farbklischees: Mit Rosa – einer Farbe, die für das steht, was marokkanische Mädchen sein sollen: zart, hübsch, niedlich. Aber auch zurückhaltend. Und mit Blau: Einem Farbton, der den Jungs vorbehalten ist, der Mut, Stärke und Gerissenheit vermitteln soll. Und so malt sie Jesiden-Kriegerinnen, marokkanische Mädchen, alte Koran-Schulen, Näherinnen, Pillen. Outasses Kunst ist zugänglich, direkt, und trotzdem nie banal – ihre Stärke liegt in ihrer kräftigen Symbolik.
Info: Die Ausstellung "Rosé – Bleu" ist noch bis Ende der Woche in der Galerie Arabeske, Dossenheimer Landstraße 69, zu sehen. Am Sonntag, 5. Juni, um 12 Uhr steht Outasse bei der Finissage für den Dialog mit Interessierten zur Verfügung.