Klinikbeben in Heidelberg (Update)
Um die Insolvenz abzuwenden, hat die Heidelberger Stadtmission ein Schutzschirmverfahren beantragt.

Von Klaus Welzel
Heidelberg. Es war ein Paukenschlag, mit dem die Evangelische Stadtmission am Dienstag aufwartete: Sie beantragte für ihre beiden Krankenhäuser Salem und St. Vincentius beim Amtsgericht Heidelberg die Aufnahme in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren. Mit diesem Verfahren soll eine Insolvenz verhindert werden. Es darf nur angewendet werden, wenn ein Betrieb noch zahlungsfähig ist. Genau das sei bei beiden Häusern der Fall, erfuhr die RNZ seitens der Stadtmission.
>>>Hier finden Sie weitere Informationen zur Situation an den beiden Heidelberger Kliniken<<<
> Generelle Schieflage: Drei von vier Klinken in Baden-Württemberg rutschten in diesem Jahr bereits in die roten Zahlen. Zur Abfederung der finanziellen Lasten hat das Land im Sommer ein Hilfspaket von 126 Millionen Euro geschnürt. Hintergrund sind neben den gestiegenen Energiekosten und der Inflation auch die Spätfolgen von Corona: Viele Kliniken erreichten noch nicht die Patientenzahlen von vor der Pandemie. Das sind auch die Ursachen für das Heidelberger Klinikbeben.
> Drei-Monatsfrist: Binnen dieser Zeit muss ein Konzept erarbeitet werden. Laut Stadtmission soll ein Sanierungs- und Umstrukturierungsverfahren bis Mitte 2024 greifen. Wir haben "nun die Möglichkeit, bei laufendem Betrieb die Neugestaltung unserer Krankenhäuser anzugehen", betont der Vorsitzende der Stadtmission, Prof. Helmut K. Seitz. Umfangreiche Investitionen der letzten Jahre sollen sich in naher Zukunft auszahlen.
> Patientenversorgung gesichert: Das betont die Stadtmission auf RNZ-Nachfrage. Alle Behandlungen und Operationen fänden – wie geplant – statt. Auch würden die Gehälter weitergezahlt. Die 600 Mitarbeiter des Salem und die 180 des Vincentius informierte die Leitung am Dienstagmittag.
> Kritisches Thema Krankenhausreform: Das Großprojekt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spielt in die finanzielle Notlage der beiden Heidelberger Krankenhäuser hinein. Beim RNZ-Jahresgespräch mit dem Vorstand des Heidelberger Universitätsklinikums sagte die Kaufmännische Direktorin Katrin Erk, das Salem sei "ein Opfer der fehlenden Zwischenfinanzierung der Reform". Gemeint ist die Umstellung von der Bezahlung nach behandelten Fällen hin zur Finanzierung der Fixkosten der Kliniken. Diese Umstellung müsse durch zusätzliche Mittel abgefedert werden, so Erk.
> Heidelberger Modell mit Vorbildcharakter: Im Grunde praktiziert das Uniklinikum gemeinsam mit Partnerkliniken längst das Lauterbach-Konzept, das eine Spezialisierung zwingend vorsieht. Die Grundversorgung leisten neben dem Salem die Kliniken des Rhein-Neckar-Kreises, komplexere Fälle werden am Universitätsklinikum behandelt.
> Lob für das Salem: "Dieses Krankenhaus ist für uns ein ganz wichtiger Kooperationspartner", betont der Leitende Ärztliche Direktor des Uniklinikums, Prof. Ingo Autenrieth. Es gebe eine enge Kooperation in den Bereichen Innere Medizin, Kardiologie und Chirurgie, mit dem St. Vincentius in der Onkologie.
> Universitätsklinikum schreibt "rote Null": Gemessen an den Herausforderungen zeigt sich die Kaufmännische Direktorin, Erk, sehr zufrieden mit der Bilanz 2022. So sei es bei leicht steigenden Patientenzahlen ("Da sind wir sehr stolz darauf") gelungen, einen Jahresumsatz von 1,13 Milliarden Euro zu erwirtschaften (gemeinsam mit den Tochtergesellschaften waren es 1,28 Milliarden). Die Mitarbeiterzahl konnte trotz des Fachkräftemangels auf 10.874 (mit Töchtern 13.848) erhöht werden. Das Klinikum weise einen Jahresfehlbetrag von 10,3 Millionen Euro auf (konzernweit: 20 Millionen) – für Erk "eine rote Null".
Update: Dienstag, 21. November 2023, 19.55 Uhr
Heidelberg. (we) Drei von vier Kliniken in Baden-Württemberg rutschen in diesem Jahr in die roten Zahlen. Zur Abfederung der finanziellen Lasten hat das Land im Sommer zwar ein Hilfspaket von 126 Millionen Euro geschnürt. Doch das reicht offensichtlich nicht. Am Dienstagvormittag beantragte die Stadtmission Heidelberg für ihre beiden Krankenhäuser Salem und St. Vincentius die Aufnahme in ein Schutzschirmverfahren.
Damit soll binnen einer Frist von drei Monaten eine Insolvenz abgewendet werden. Nach RNZ-Informationen stehen die Chancen gut, dass das gelingt; allerdings seien Umstrukturierungen nötig.
Experten, so hieß es aus Kreisen der Stadtmission, seien zuversichtlich, dass ausreichend Substanz vorhanden sei, um ein Aus der Kliniken abzuwenden. Finanzielle Belastungen seien etwa durch umfangreiche Investitionen im Krankenhaus Salem in den letzten Jahren entstanden. Die Patientenversorgung sei während der gesamten Schutzschirmphase gesichert. Der laufende Betrieb gehe also weiter.
Neben dem baden-württembergischen Sozialministerium werden am Dienstag um 13 Uhr die Beschäftigten beider Häuser im Rahmen einer Personalversammlung informiert. Das Salem beschäftigt 500 Mitarbeiterinnen und betreut gut 20.000 Patienten im Jahr, im St. Vincentius sind es knapp 3000 Patienten.
