Kann ein einzelner Anwohner ein Restaurant in die Knie zwingen?

Der Streit um den Garten der alteingesessenen "Herrenmühle" eskaliert - OB Würzner soll grundsätzlich entscheiden

28.06.2014 UPDATE: 28.06.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden
Stein des Anstoßes: Der lauschige Garten mit 30 Plätzen der 'Herrenmühle'. Die Riesenglyzinie spannt sich wie ein Dach. Foto: Joe
Von Micha Hörnle

Kann es sein, dass ein Anwohner, der sich in seiner Ruhe gestört sieht, die Existenz eines alteingesessenen Gasthauses gefährdet? Durchaus, denn beim renommierten Altstadtlokal "Zur Herrenmühle" eskaliert gerade der Streit um den lauschigen Garten - und die Entscheidung, ob dort weiter bis 23 Uhr gespeist werden kann, liegt nun beim Oberbürgermeister. Wie auch immer Eckart Würzner entscheidet: Das kann weitreichende Konsequenzen für die Altstadtgastronomie haben, sofern deren Außenbewirtschaftung in einem reinen Wohngebiet liegt, wie das bei der "Herrenmühle" der Fall ist.

Denn dort gelten besonders strenge Lärmvorschriften: Ab 22 Uhr dürfen 40 Dezibel nicht mehr überschritten werden - das wäre so "laut" wie ein geflüstertes Gespräch. Bei einem solch scharfen Grenzwert ist an eine Bewirtung draußen nicht mehr zu denken, ist sich "Herrenmühle"-Pächter Daniel Dumbeck sicher. Zumindest nicht ohne kostspielige schalldämpfende Maßnahmen, beispielsweise eine massive Wand zur Wohnung von Franz Dänekamp hin. Dieser wusste um den Garten, als er vor vielen Jahren in das historische Gebäude gegenüber einzog. Doch er tolerierte das, wie er sagt, "aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand der damaligen Pächter", Ursula und Günther Ueberle. Als jene die Wirtschaft verkauften und Dumbeck als Pächter kam, kündigte Dänekamp seine bisherige Toleranz auf und informierte die Stadt darüber, dass hier fortwährend das Recht gebrochen werde.

Es gibt aber auch eine andere Lesart, die Dänekamp wiederum vehement bestreitet: Ihm sei der Innenhof von Ueberle versprochen worden, wenn er mal seine Wirtschaft aufgebe. Da der Betrieb aber unter neuer Leitung weiterlief, soll er sich um die Abmachung betrogen gesehen haben. Das verneint Dänekamp: "Ich bin weder am Hof noch am Restaurant interessiert, nur an der Einhaltung des geltenden Rechts."

Und seitdem gibt es in dieser Sache zwei Meinungen, die sich unversöhnlich gegenüberstehen: Dänekamp sieht sich um seine Ruhe gebracht, und die Stadt nehme das hin, ohne einzuschreiten. Für die Stadt sieht sich Bürgermeister Wolfgang Erichson zwischen den Fronten eines "Privatkrieges", den Dänekamp angezettelt habe. Mittlerweile sei die ganze Auseinandersetzung "hoch emotionalisiert", am Montag stellte Dänekamp selbst die Gäste einer "Herrenmühle"-Veranstaltung zur Rede und bat um Ruhe, nachdem seine Lärmmessungen ergeben hätten, dass alle Grenzwerte deutlich überschritten waren.

Tatsächlich sieht sich die Stadtverwaltung in der Zwickmühle, denn Dänekamp ist rechtlich wohl auf der sicheren Seite. Deswegen hat das Bürgeramt eine Verfügung vorbereitet, die ab sofort die Außenbewirtschaftung auf 22 Uhr beschränkt und den Einbau von "Lärm mindernden Maßnahmen" vorsieht. Doch die hält Erichson bewusst zurück: "Einen sofortigen Vollzug finde ich übertrieben, denn die Betreiber sind ja nicht unwillig." Tatsächlich hat sich Dumbeck schon umgehört, was man alles tun könne, also beispielsweise eine Wand zu Dänekamp bauen, sofern der Denkmalschutz mitspielt. Das wäre aber auch das Ende des lauschigen Gärtchens mit seinen 30 Plätzen - und wohl auch das Ende der riesigen Glyzinie, die sich wie ein Dach über den Garten rankt. Dabei, so findet Dumbeck, schlucke die doch schon jede Menge Schall.

Eine Begrenzung der Außenbewirtschaftung auf 22 Uhr oder vielleicht ihr endgültiges Aus würde das Restaurant schwer treffen: "Den Garten gibt es seit den Anfangstagen des Restaurants vor über 30 Jahren. Er ist unser Aushängeschild. Wir können nicht auf ihn verzichten", sagt der Pächter. Ohne ihn habe die "Herrenmühle" keine wirtschaftliche Perspektive mehr.

Das sieht Dänekamp anders. Das Profitstreben eines Betriebes sei nicht höher zu bewerten als das Ruhebedürfnis der Anwohner. Wobei umstritten ist, ob Dänekamp der einzige Nachbar ist, der sich vom Restaurantgarten belästigt fühlt: Der Rechtsanwalt, der auch bei der Altstadtbewohnerinitiative "Linda" aktiv ist, sagt, er spreche für die Mehrheit der Nachbarn; Dumbeck kontert, er habe mit niemandem sonst Probleme. Zumal er versichert, dass er bei der Belegung der Tische immer darauf achte, dass die am längsten belegten möglichst weit weg von Dänekamps Wand sind. Zudem halte er am sonntäglichen Ruhetag fest - um die Nachbarn zu schonen.

Tatsächlich hat "Linda" in den letzten Jahren vor allem gegen "Lärm, Dreck und Randale" im Umfeld der "Saufkneipen" in der Innenstadt mobil gemacht, nun richtet sich der Zorn gegen die gesittete Klientel in einem kleinen Garten eines gehobenen Restaurants. Das geht Erichson - ihn hält Dänekamp mittlerweile wegen Untätigkeit für befangen - zu weit: "Wir müssen jetzt die Frage klären: Wie weit gehen die Anwohnerrechte? Und deswegen bitte ich auch den OB um eine Grundsatzentscheidung, ob wir uns durch einzelne Anwohner traditionelle Wirtschaften kaputtmachen lassen." Denn würde Dänekamp recht bekommen, dann drohen vielen Restaurants der östlichen Altstadt empfindliche Einschnitte bei ihrer Außengastronomie. Sofern sich auch nur ein Nachbar beschwert.

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