Heidelberg

Justizministerin hält sich aus Streit um Faulen Pelz heraus

Beim Besuch in Heidelberg drängt Marion Gentges beim Mangel im Maßregelvollzug auf eine allgemeine schnelle Lösung.

29.07.2022 UPDATE: 29.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Justizministerin Gentges mit dem Leiter der Heidelberger Staatsanwaltschaft Andreas Herrgen (l.) und Landgerichtspräsident Helmut Perron. Foto: Arndt

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Den Streit zwischen der Stadt Heidelberg und der Landesregierung um das ehemalige Altstadtgefängnis "Fauler Pelz" möchte Marion Gentges nicht kommentieren. Am Donnerstag besuchte die baden-württembergische Justizministerin die Heidelberger Gerichte und die Staatsanwaltschaft. Und auch wenn sich die CDU-Politikerin nicht zu dem laufenden Verfahren am Verwaltungsgericht Karlsruhe äußern möchte, plädierte sie am Rande ihres Antrittsbesuchs mit Rundgang durch das Justizgebäude eindringlich für mehr Plätze im Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter. Zur Frage, ob diese in Heidelberg oder an anderer Stelle besser aufgehoben wären, sagt Gentges nur: "Dies fällt nicht in meinen Aufgabenbereich. Für die Schaffung neuer Plätze im Maßregelvollzug ist das Sozialministerium zuständig."

82 Straftäter warten derzeit laut Gentges in der sogenannten Organisationshaft in einer regulären Justizvollzugsanstalt auf einen Platz im Maßregelvollzug für psychisch kranke und suchtkranke Straftäter. Es sind alles Menschen, die laut Beschluss der Strafgerichte in einer Psychiatrie oder in einer Entzugsklinik untergebracht werden müssen. Besonders die Suchtkranken bereiten den Juristen dabei sorgen. "Wir können sie nicht beliebig lange in der Organisationshaft halten", so Gentges. Allein in diesem Jahr hätten die Gerichte im Ländle schon 20 Mal entschieden, dass sie in Freiheit entlassen werden müssen. Im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Heidelberg konnte dies in diesem Jahr noch vermieden werden, aber letztes Jahr kamen auch hier zwei suchtkranke Straftäter frei. Die Justizministerin sieht bei dieser Klientel eine erhebliche Wiederholungsgefahr: "Es ist nicht die Frage, ob sie noch einmal straffällig werden, sondern wann."

Die Zuweisung in den Maßregelvollzug durch die Gerichte hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Zum Stichtag 31. Dezember 2017 waren in Baden-Württemberg 1041 Plätze belegt, zum 31. Mai 2022 waren es 1336. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat Anfang des Jahres einen Vorschlag zur Reform des Paragrafen 64 Strafgesetzbuch vorgelegt, der die Unterbringung suchtkranker Straftäter neu regeln soll. Bislang können Personen im Maßregelvollzug schon in Freiheit entlassen werden, wenn sie die Hälfte der Strafe, zu der sie verurteilt wurden, abgesessen haben. Künftig soll dies erst nach zwei Drittel der Zeit möglich sein. Außerdem werden die Anforderungen an eine Unterbringung in einer Entzugsklinik erhöht: Es reicht künftig nicht mehr aus, dass der Beschuldigte die Tat in einem Rauschzustand begangen hat. Es muss auch eine erhebliche Alkohol- oder Drogensucht vorliegen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann sei gerade dabei, die Vorschläge zur Reform des Paragrafen 64 in einen Gesetzesentwurf zu gießen, berichtet Gentges. Sie selbst setzt aber wenig Hoffnung in die Reform und glaubt nicht, dass die Zahlen im Maßregelvollzug stark sinken werden. "Wir haben es hier auch mit gesamtgesellschaftlichen Auffälligkeiten zu tun." Andreas Herrgen, Leiter der Staatsanwaltschaft Heidelberg kann bestätigen, dass die Strafjustiz es in den letzten Jahren viel häufiger mit psychisch Kranken oder Suchtkranken zu tun hat. Er betont aber auch, dass es im Gesetzestext "unheilvolle Anreize" gebe, sodass die Verteidiger ihre Mandanten unbedingt im Maßregelvollzug und nicht im Gefängnis unterbringen wollen. Ein wichtiger Punkt sei die kürzere Dauer des Freiheitsentzugs. Landgerichtspräsident Helmut Perron brach unterdessen eine Lanze für die Bestimmung des 64-er: "Wenn schwer suchtkranke Straftäter nicht therapiert werden, sind von ihnen auch in Zukunft massive Taten zu erwarten." Die Gerichte im Bezirk des Landgerichts Heidelberg haben in 2020 für 14 Angeklagte die Unterbringung in eine Entzugsanstalt angeordnet, 2021 waren es 17 und im aktuellen Jahr bislang nur drei.

Sozialminister Manne Lucha kündigte am Mittwoch indessen an, dass der Gemeinderat von Schwäbisch Hall einer neuen Anstalt für den Maßregelvollzug in einem dortigen Gewerbegebiet zugestimmt habe. Bis Ende 2024 könne der Neubau fertig sein. Lucha lobte die Stadt, die ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werde. Ob die Plätze dort ausreichen werden, sodass der "Faule Pelz" überflüssig wird, dazu konnte sich Gentges nicht äußern. Sie mahnte aber an: "Wir brauchen schnell eine Lösung."

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