Illegal am Königstuhl - Mit dem Mountain-Bike am Berg
Ein RNZ-Redakteur und "Schreibtischtäter" schwingt sich aufs Mountainbike - und versteht den Konflikt zwischen Radlern und Wanderern im Wald

Es begann mit einer Schnur, gespannt zwischen zwei Bäumen, einem mutmaßlichen Anschlag auf Mountainbiker. Das war vor zweieinhalb Wochen. Seitdem schreibe ich über den Konflikt zwischen Radlern und Fußgängern im Heidelberger Stadtwald. Ich habe mit den Wanderern und den Mountainbikern gesprochen, mit Wald-, Wander- und Radverbänden, mit den Förstern und mit deren oberstem Chef: Landesforstminister Alexander Bonde. Täglich flatterten Leserbriefe in die Redaktion. Viele waren aufgebracht über die "rücksichtslosen Radler", andere verstanden die Aufregung nicht. Leidenschaftlich gestritten wurde über Sinn und Unsinn der Regel, dass Radfahrer im Wald nicht auf Wegen unter zwei Metern Breite fahren dürfen. Wer Recht hatte in diesem Streit - ich wusste es nicht. Ich musste mehr tun, um zu verstehen.
Es ist ein trüber Samstagnachmittag, als ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Mountainbike sitze. Geliehen haben es mir die Jungs von "BunnyHop Tours", einer kleinen Heidelberger Firma, die Fahrtechniktraining und Biketouren anbietet. Inhaber René Heilemann und sein Mitarbeiter Roald Harter hatten das gespannte Seil in Neuenheim entdeckt. Sie lehnen die Zwei-Meter-Regel ab, wie alle Mountainbiker. "Du wirst später wahrscheinlich verstehen, warum", sagen sie noch, dann fahren wir los.
Zu zwölft starten wir nahe der Rhododendronanlage am Königstuhl. Zunächst geht es einen schmalen Trail nach oben - einen der wenigen legalen Pfade, der mit einem grünen "Mountainbiken erlaubt"-Schild markiert ist. Wir kriechen extrem langsam bergauf. Die Kombination aus weichen Reifen, hartem Sattel und einem leicht ansteigenden, mit Wurzeln und Steinen übersäten Weg ist Folter für Beine, Po und Lunge. Ab und zu kommen uns Biker entgegen, wir halten an, sie fahren langsam vorbei, alle grüßen. Mich überrascht, wie viele Leute ihre Freizeit dieser Mühsal opfern. An einer Weggabelung soll ich entscheiden: Weiter auf einem breiten Weg hoch zum Gipfel? Oder zurück in den Wald hinein, auf den nächsten schmalen Pfad - dieses Mal ohne grünes Schild. Ich bin hier, um zu verstehen, also rufe ich: "Los, begehen wir eine Ordnungswidrigkeit!" Ab in die Illegalität.
Um die Spannung zu ruinieren: Nichts passiert. Wieder begegnen wir nur anderen Mountainbikern. Kein Wanderer verirrt sich auf diesen schlanken, wilden Pfad. Ich mühe mich den Berg hinauf, bis zum Gipfel, wo wir rasten. René erklärt mir die Technik beim Bergabfahren. "Wir stehen, aber in der Hocke. Hände immer an die Bremse. Wenn es Dir zu steil wird, steig ab." Weiter geht's, bergab auf einem schmalen Trail. In hohem Tempo, buchstäblich über Stock und Stein. Und jäh mir wird klar, was ich am Schreibtisch nie verstand: den Sinn dieser Tortur bergauf. Den Unsinn der Zwei-Meter-Regel. Ich verstehe die Angst der Fußgänger vor rasenden Radlern. Begreife, wie schwer dieser Konflikt zu lösen ist.
Was ist geschehen? Ich habe riesigen Spaß. Spaß, den ich auf einer zwei Meter breiten "Waldautobahn" nie hätte. Immer neue schmale Wege rasant hinunterzufegen - das macht den Reiz des Mountainbikens aus. Selbstverständlich erschrecken manche Spaziergänger, wenn sie die Radler rasant heranfahren sehen. Und natürlich vermiest das einigen Menschen die Ruhe, die sie im Wald suchen. Als uns eine Spaziergängerin mit ihrem Hund entgegen kommt, halten alle schon lange vorher an, warten, bis die Frau vorbeigegangen ist. Eine Alternative dazu hätte es nicht gegeben, der Pfad ist schlicht zu schmal. Wer hier weiterrast, spinnt.
Spätestens im Tal weiß ich: Der Konflikt wird nie ganz aufzulösen sein. Die einen suchen Idylle, die anderen den Reiz der Geschwindigkeit - das geht nicht gut zusammen. Doch was folgt daraus? Mountainbiken verbieten? Wandern untersagen? Der Versuch einer pragmatischen Lösung beginnt mit einer simplen Feststellung: Mountainbiken wird immer beliebter, dieses Hobby wird nicht einfach verschwinden. Der Sport ist für schmale Pfade gedacht, das ist sein Wesen. Weil dies so ist, ignorieren die meisten Mountainbiker die Zwei-Meter-Regel. Das kann man verurteilen, zu ändern ist es nicht. Denn zur Wahrheit gehört auch: Auf den schmalen Wegen gibt es kaum Probleme, hier sind ohnehin kaum Leute unterwegs - sei es zu Fuß oder per Rad. Es sind die breiten Wege, wo die Gegensätze aufeinanderprallen. Auch, weil Radler oft zu schnell überholen. Manchen Mountainbikern fehlt eine simple Erkenntnis: Ihr subjektives Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, entspricht nicht dem Empfinden vieler Fußgänger.
Mein Plädoyer für eine Befriedung des Waldes: Zuerst die Mountainbiker entkriminalisieren und die Zwei-Meter-Regel abschaffen. Dann "Ruhewege" einrichten, die für Radler gesperrt sind. Und schließlich: Akzeptieren, dass es überall einige wenige Rücksichtslose gibt. Unter den Mountainbikern. Und unter den Fußgängern. Solche Leute gehören zum Lebensrisiko - leider auch im Wald.



