Heidelberger Sammlung Prinzhorn

Große Kunst auf zu engem Raum

Ministerin Bauer und Staatssekretärin Olschowski besuchten das Museum - Erweiterung dringend nötig

18.04.2017 UPDATE: 19.04.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden

Leiter Thomas Röske (hinten rechts) zeigte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (vordere Reihe, links) und Staatssekretärin Petra Olschowski (Mitte) "sein" Museum. Foto: Joe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Der Museumschef geht vor, den Klinikchef und die Ministerin hat er im Schlepptau. Die Staatssekretärin drückt sich gerade so noch in den kleinen Raum, der Mann von der Presse will auch noch rein - und der Kulturbürgermeister linst von hinten über seine Schultern. Unterdessen zeigt die einzige Restautorin des Museums, Eva Fastenau, woran sie gerade arbeitet, in ihrem winzig kleinen "Atelier".

Hintergrund

> Die Sammlung Prinzhorn ist ein Museum für Kunst von Menschen mit psychischen Ausnahme-Erfahrungen. Es ist angeschlossen an die Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Universitätsklinikums. Der historische Bestand enthält rund 6000 Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde,

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> Die Sammlung Prinzhorn ist ein Museum für Kunst von Menschen mit psychischen Ausnahme-Erfahrungen. Es ist angeschlossen an die Klinik für Allgemeine Psychiatrie des Universitätsklinikums. Der historische Bestand enthält rund 6000 Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde, Skulpturen, Textilien und Texte, die Insassen psychiatrischer Anstalten zwischen 1840 und 1945 schufen.

Dieser weltweit einzigartige Fundus wurde zum größten Teil von dem Kunsthistoriker und Psychiater Hans Prinzhorn (1886-1933) während seiner Zeit als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik zusammengetragen. 1919 bis 1921 bat er Psychiatrien, ihnen ihre künstlerischen Patientenwerke zu überlassen. Prinzhorns Buch "Bildnerei der Geisteskranken" aus dem Jahr 1922 wird zur Bilderbibel der Surrealisten - und ist bis heute ein Klassiker.

1938 werden Werke der Sammlung in der Wanderausstellung "Entartete Kunst" als pathologisches Vergleichsmaterial zur Kunst der Moderne missbraucht. Nach dem Krieg vergessen, machen nationale und internationale Ausstellungen ab den 1960er Jahren die Sammlung erneut bekannt.

Im Jahr 2001 war es endlich so weit: Die Sammlung bekam ein eigenes Museumsgebäude - einen umgebauten alten Hörsaal der Neurologie auf dem Gelände des alten Uniklinikums in Bergheim (Voßstraße 2). Seit 1980 wächst die Sammlung erneut durch Kunst von Psychiatrie-Erfahrenen. Dieser neuere Bestand umfasst aktuell rund 18.000 Werke, die gemeinsam mit den historischen Arbeiten in wechselnden Ausstellungen präsentiert werden. Das Museum will auch zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beitragen.

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Es ist verdammt eng hinter den Kulissen der Sammlung Prinzhorn auf dem Gelände des Altklinikums im Stadtteil Bergheim (siehe Hintergrund). Und so hatte der Besuch von Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) und ihrer Staatssekretärin Petra Olschowski seinen doppelten Zweck schnell erfüllt. Zum einen waren beide begeistert von der atemberaubenden Kunst - sowohl den historischen Stücken aus früheren psychiatrischen Anstalten als auch von den neueren Werken Psychiatrie-Erfahrener. Und zudem zeigte der Blick in die Ausstellung sowie hinter die Kulissen: Das weltweit einzigartige Museum für "Outsider Art" braucht dringend mehr Platz. Die geplante Erweiterung am bestehenden Standort hat bereits Projektstatus bei der "Internationalen Bauausstellung", nun hofft Museumsleiter Thomas Röske auf eine finanzielle Unterstützung des Landes.

Dass Ministerin und Staatssekretärin gemeinsam unterwegs sind, ist ungewöhnlich. Doch Theresia Bauer wollte "ihrer" neuen Staatssekretärin, die den Posten nach der Wahl 2016 bekam, einen "Ort herausragender Qualität zeigen, der beim Land aktuell noch nicht so im Fokus steht". Olschowski erkannte diese Qualität an. "Wahnsinn", entfuhr es ihr mehrfach. Und einmal sogar: "Irre!" - worüber die Umstehenden und sie selbst lachen mussten.

Die Platzsituation ist tatsächlich prekär: Die Ausstellungsfläche beträgt gerade einmal 360 Quadratmeter, sodass stets nur ein Bruchteil der inzwischen rund 24.000 Werke gezeigt werden kann. In klug kuratierten Wechselschauen schaffen Röske und sein Team es dennoch immer wieder, das Beste aus den Räumlichkeiten zu machen. So hat Kuratorin Ingrid von Beyme mit "Geistesfrische - Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn" einen spannenden Ansatz gewählt: Der österreichische Grafiker Alfred Kubin besichtigte 1920 die Sammlung Prinzhorn - und hatte einen "ganz übergewaltigen Eindruck", wie er seiner Frau schrieb. Der rote Faden der aktuellen Ausstellung ist der leidenschaftliche Bericht, den Kubin zwei Jahre später in eine Kunstzeitschrift veröffentlichte.

"Besonders schade ist natürlich, dass wir zwischen den Ausstellungen für den Umbau immer vier bis sechs Wochen schließen müssen", erklärte Röske. Deshalb sollen in einem ersten kleinen Schritt Räume, die aktuell etwa als Büros dienen, zur Ausstellungsfläche werden. Der zweite Schritt wäre dann, den angrenzenden Bau, in dem aktuell etwa das Prüfungsamt der Philosophischen Fakultät sitzt, für die Sammlung zu beanspruchen.

Ministerin Bauer kennt die Sammlung natürlich schon länger - und unterstützt grundsätzlich die Planungen. Besonders das temporäre Schließen sei ein "großer Nachteil", sagte sie nach dem Rundgang. Eine finanzielle Unterstützung des Landes konnte sie aber noch nicht fest zusagen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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