Als die Massen noch strömten
Wie die traditionsreiche "Mess" ihr unrühmliches Ende fand

So fing RNZ-Fotograf Gerhard Ballarin 1965 das Treiben des Rummels auf dem Alten Messplatz (am Czernyring gelegen) ein: die Achterbahn (die es heute auch wieder in den Campbell Barracks gibt), die Aufbauarbeiten am großen Festzelt und die müden Hilfskräfte nach getaner Arbeit. Ab 1972 wurde das Volksfest auf den Neuen Messplatz verlagert - und verkümmerte dort. Fotos: Ballarin
hö. Wer heute die alten RNZ-Fotos von der "Heidelberger Mess" sieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Es hatte tatsächlich den Anschein, als würde die halbe Stadt auf den Beginn dieser Lustbarkeit hinfiebern. Etwas in Vergessenheit geraten ist, dass es einst zwei Messen gab: im Frühjahr (meist im Mai) und im Herbst (im Oktober). Damals, 1965, ließ sich nicht nur die Stadtspitze, also OB Robert Weber, flankiert von zwei Bundestags- und gar drei Landtagsabgeordneten (neben einem veritablen Oberkommandierenden der US-Streitkräfte), zur Eröffnung auf dem Messplatz am Czernyring blicken. Die Attraktion des Jahres war eine Steilwand, über die Motorräder donnerten, "die mit dem Gesetz der Schwerkraft gefährlich spielten", wie die RNZ am 17. Mai 1965 anerkennend schrieb. Außerdem gab es ein Festzelt mit "urbayerischer Kapelle Paulus aus Au am Inn mit Solotrompeter, Jodler und Plattler". Welch eine andere Zeit es war, zeigt der spezielle "Heimkindertag": "750 mal Freude geschenkt", hieß es in der RNZ - wobei 400 Kinder auf die Mess durften, der Rest bekam die Süßigkeiten per Lastwagen in die Heime gebracht.
Im Prinzip dasselbe Spiel dann im Oktober: wieder ein Festzelt, wieder ein Autoscooter, nur OB Weber hatte in der Zwischenzeit bekannt gegeben, dass er nicht für eine zweite Amtszeit antreten will. Und so ahnte man: Es wird eine "Mess im Schatten der Wahlen". Im Jahr drauf wurde gewählt - und Reinhold Zundel gewann.
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Mittlerweile sind die Messen Geschichte: Die letzte Frühjahrsmess war 2003, die im Herbst vor fünf Jahren. Der entscheidende Unterschied war der Standort, der Neue Messplatz im Kirchheimer Weg. 1972 musste der Rummel dorthin umziehen - für die Schausteller eine Katastrophe, wie sich ihr Chef Horst Kräher erinnert: "Der neue Standort war in einem Niemandsland, es war fast wie in einem Loch." Und die Umsätze brachen ein: "Was wir früher an einem Wochenende hatten, hatten wir nun in zehn Tagen." Anfangs hatte man noch die Hoffnung, dass die Straßenbahn nach Kirchheim neues Publikum anziehen würde, doch das trog: "Früher hatten wir viele Leute aus der Weststadt und später noch nicht einmal aus Kirchheim." Umso mehr freut es Kräher, dass seit dem vergangenen Jahr das "Deutsch-Amerikanisches Freundschaftsfest" in den Campbell Barracks in der Südstadt steigt. Eröffnung ist am Samstag um 14 Uhr, am Sonntag geht es um 11 Uhr los.



