Heidelberger Linie 26: Straßenbahnstreit spaltet die Kirchheimer

Einst kämpften sie gemeinsam für die Linie 26, nun streiten sie sich über die künftige Linienführung - Es geht um vier Minuten

16.08.2016 UPDATE: 17.08.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Die Mitglieder der AG Straßenbahn des Bezirksbeirats Kirchheim wehren sich gegen die geplante Linienführung der Straßenbahn 26 über die Bahnstadt (v.l.): Marliese Heldner, Fritz Engbarth-Schuff, Imke Veit-Schirmer und Sabine Gübel. Foto: pop

Von Werner Popanda

Heidelberg. Mit knüppelharten Bandagen geht es seit einiger Zeit in Kirchheim zur Sache. Von polemischer Kritik und persönlichen Verunglimpfungen ist da die Rede, vom Diffamieren anderer Meinungen und schlechtem Stil. Stein des Anstoßes: vier Minuten. Denn so viel länger wird künftig die Fahrt mit der Linie 26 von der Rudolf-Diesel-Straße bis zum Bismarckplatz dauern - und das regt einige Kirchheimer so richtig auf.

Der Hintergrund im Straßenbahnstreit: Stadt und RNV wollen die Bahnstadt nicht nur mit der Eppelheimer Linie 22 erschließen, sondern auch mit der Kirchheimer Linie 26 (die RNZ berichtete). Diese soll künftig nicht mehr über die vier Haltestellen Montpellierbrücke, Ringstraße, Stadtbücherei und Seegarten zum Bismarckplatz fahren. Stattdessen wird ihre Route über die beiden neuen Bahnstadt-Haltestellen Hauptbahnhof-Süd und Gadamerplatz führen - und dann über die fünf bislang von der Linie 22 bedienten Haltestellen Czernybrücke, Betriebshof, Volkshochschule, Römerstraße und Altes Hallenbad führen. Aus vier Stopps werden sieben, aus 16 Minuten werden 20 Minuten Fahrzeit.

Damit wäre die Fahrt von Kirchheim in die Innenstadt sogar drei Minuten länger als vor über einem halben Jahrhundert: Laut HSB-Fahrplan vom 25. Juni 1960 betrug die Fahrtdauer von Kirchheim-Rathaus bis zum Seegarten mit einer Tram der 1972 eingestellten Linie 6 exakt 17 Minuten. Damals erreichte man die Endstation über die Bürgerbrücke und Rohrbach Markt sowie entlang des Bergfriedhofs. Nach der Einstellung wurde die "Kerchemer Bembl" sang- und klanglos durch Busse ersetzt.

Schon als die neue Linie 26 geplant und gebaut wurde, standen sich in Kirchheim deren Befürworter und Gegner beinahe erbittert gegenüber. Im Dezember 2006 wurde die neue Linie schließlich eröffnet.

Und heute? Streiten sich die früheren Befürworter der Linie 26 untereinander. So setzt sich etwa SPD-Stadträtin Irmtraud Spinnler, die sich für den Bau der Linie 26 stark gemacht hatte, für die Linienführung durch die Bahnstadt ein. Die Befürworter preisen die Vorteile: das umsteigefreie Erreichen der neuen Haltestelle Hauptbahnhof-Süd, des neuen Kinos an der Czernybrücke, der Akademie für Ältere und der Volkshochschule.

Unter den Gegnern ist etwa der Kirchheimer Stadtteilverein um seinen Vorsitzenden Jörn Fuchs sowie eine AG Straßenbahn, in der sich parteiübergreifend die Bezirksbeiräte Hannelore Beust (FDP), Fritz Engbarth-Schuff, Sabine Gübel, Roland Hoffmann (alle Grüne), Tatjana Miriam Hasse (Bunte Linke/Die Linke), Marliese Heldner (Heidelberger), Marion Koch (GAL) und Imke Veit-Schirmer zusammengeschlossen haben. Veit-Schirmer gehörte der SPD 23 Jahre lang an - doch mittlerweile hat sie ihr Parteibuch zurückgegeben. Für sie ist "das Fass nun endgültig übergelaufen".

Die Gegner der Linie durch die Bahnstadt stört aber nicht nur die längere Fahrzeit, sondern vor allem das Prozedere, wie es zu dieser Entscheidung überhaupt gekommen ist.

Laut Spinnler habe der Gemeinderat am 14. März 2013 im Rahmen der Mobilitätsnetz-Planung "einstimmig den Finanzierungsantrag inklusive Liniennetz" beschlossen. Am 7. Oktober 2014 dann, also anderthalb Jahre später, sei dann der Kirchheimer Bezirksbeirat ausführlich informiert worden.

Den meisten Bezirksbeiräten und dem Stadtteilverein allerdings reicht das nicht. Sie wollten - besonders in einer Stadt, die immer wieder mit ihrer so vorbildlichen Bürgerbeteiligung wirbt - mitreden und mitentscheiden bei der Linienführung.

Und so brachte Fritz Engbarth-Schuff am 7. Oktober 2014 im Bezirksbeirat einen Initiativantrag ein, in dem die Planungen von Stadt und RNV nachdrücklich abgelehnt wurden. 15 von 18 Räten stimmten zu. Bei der anschließenden "Kirchheim darf nicht abgehängt werden!"-Aktion gegen die neue Linienführung sammelte die AG dann noch mehr als 1750 Unterschriften.

Eine Änderung des beschlossenen Liniennetzes sei jetzt nicht mehr möglich, schrieb Irmtraud Spinnler erst neulich im Stadtblatt. Außerdem weise die neue Linienführung den "besten Kosten-Nutzen-Indikator auf und hat deutlich mehr Vorteile". Allerdings könne stattdessen das Busnetz, das grundsätzlich flexibler sei, angepasst werden.

Stadtteilvereins-Vorsitzender Jörn Fuchs hat dafür kein Verständnis: "Jemand, der als Stadträtin die öffentliche Diskussion mit einem ‚Basta‘ beenden will, hat weder Bürgerbeteiligung noch demokratische Diskussionskultur verstanden." Und Fritz Engbart-Schuff bescheinigte Spinnler im Namen der AG "mit Scheinargumenten und unzutreffenden Behauptungen" zu arbeiten. Keine Frage, in Kirchheim geht es in diesen Tagen mit harten Bandagen zur Sache.

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