Hat der Heidelberger Mietspiegel vor Gericht Bestand?

Auch nach dem Urteil aus Berlin ist sich die Stadtverwaltung Heidelberg sicher, dass das hiesige Verfahren methodisch das Beste ist

27.05.2015 UPDATE: 28.05.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 20 Sekunden

Wie viel darf man für eine Wohnung in Heidelberg, hier die Weststadt, verlangen? Der Mietspiegel gibt darüber Auskunft. Foto: Joe

Von Micha Hörnle

Mietspiegel waren lange Zeit unumstritten: Sie waren eine gute Orientierung für Mieter und Vermieter. Doch unlängst sprach das Amtsgericht Charlottenburg dem Berliner Mietspiegel die Gültigkeit ab. Droht nun auch der Heidelberger Variante - für sie wurden erst kürzlich 2000 Bürger befragt - juristisches Ungemach? Denn auch Thilo Koch von Haus & Grund, der Interessensvertretung der Wohnungs- und Hausbesitzer, findet, dass die Werte für Heidelberg tendenziell zu niedrig sind: "Das entspricht nicht unseren Erfahrungen." Die RNZ wollte von Joachim Hahn, dem Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, die wichtigste Fakten zum Heidelberger Mietspiegel wissen.

> Was ist ein Mietspiegel? Mieterhöhungen müssen sich laut Gesetz an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren, die durch Mietspiegel ermittelt werden, sonst sind sie ungültig. Ausschlaggebend sind dafür Lage (meist auf Stadtteilebene heruntergebrochen), Alter des Gebäudes und Besonderheiten der Ausstattung. Außerdem muss ein Vermieter begründen, weswegen er von der Mietspiegelmiete abweicht (zum Beispiel durch eine besonders ruhige Lage oder eine hochwertige Ausstattung). Generell tragen Mietspiegel dazu bei, einen Markt transparenter zu machen und Streitigkeiten zu vermeiden.

> Ist Mietspiegel gleich Mietspiegel? Nein, der Heidelberger und Berliner unterscheiden sich sehr in der Methode - und in den Ergebnissen. In Berlin arbeitet man mit einer starren Tabelle, in Heidelberg mit der Regressionsanalyse, einem statistischen Verfahren. Zudem versuchen die Berliner, möglichst jede Straße möglichst genau zu klassifizieren. Das kann zu extremen Unterschieden in einem Viertel führen, was die Richter als lebensfremd beurteilten. Außerdem werden gewisse Miethöhen bewusst nicht in den Mietspiegel aufgenommen, weil sie als Wucher gelten.

> Was halten Heidelberger Experten vom Berliner Mietspiegel? "Er gilt zwar formal als qualifiziert, aber wir haben gewisse Zweifel an seiner Richtigkeit", sagt Hahn. "Heidelberg braucht einen Mietspiegel, und es wäre ein Fehler, ihn wegen der Entwicklung in Berlin infrage zu stellen."

> Was macht Heidelberg anders? In Heidelberg ist man vorsichtiger: Dort wird für eine Mietspiegelzone ein Wert ermittelt. Wegen der Regressionsanalyse kann er aber aktuell um 21 Prozent nach oben oder nach unten abweichen. So liegt der Durchschnittswert für einen Quadratmeter (kalt) in Heidelberg bei 8,13 Euro (Basis ist der Wert für den Emmertsgrund). Für die Mietspiegelzone Handschuhsheim gibt es einen Aufschlag von 32 Prozent, also 10,73 Euro. Nun kann die Mietspiegelmiete davon 21 Prozent nach oben (13,78 Euro) oder unten (8,48 Euro) abweichen - also dann, wenn man an der Tiefburg oder in der Fritz-Frey-Straße wohnt. Außerdem muss die Wohnung, allein um vergleichbar sein, dieselben Ausstattungsmerkmale und dasselbe Alter haben. Mit anderen Worten: Die Mietspiegelmiete in Heidelberg ist nicht ein fixer Wert, sondern eine Bandbreite.

> Werden, wie in Berlin, Wuchermieten ausgeschlossen? Nein, nur wirklich extreme, also wenn die Miete nur einen Euro pro Quadratmeter beträgt - eine Gefälligkeitsvermietung. Oder wenn sie bei 50 Euro liegt - dann war es wohl ein Schreibfehler. Aber es gibt keine Definition von Wucher.

> Muss man sich an die Mietspiegelmiete halten? Nein, denn prinzipiell gilt die Vertragsfreiheit.

> Was haben dann die Mieter davon? Sie haben einen Anhaltspunkt dafür, wie viel sie ungefähr für eine Wohnung zahlen müssen. Zum Beispiel ist gesetzlich bestimmt, dass eine Miete, die über 20 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, Wucher ist und als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Bei mehr als 50 Prozent ist sie ein Straftatbestand.

> Sind Mietspiegel überhaupt anerkannt? Ja, denn auch der Mieterverein oder Haus & Grund sitzen nicht nur im Beirat, sondern zeichnen ihn auch ab.

> Wieso gibt es die politischen Diskussionen? Vor allem deswegen, weil in jüngster Zeit der Gesetzgeber die Mietpreisbremse (nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete bei Wiedervermietungen) an den Mietspiegel gekoppelt hat. Die kritisiert vor allem Haus & Grund - und nicht so sehr den Mietspiegel an sich. Außerdem glaubt Hahn nicht, dass die neue Kappungsgrenze (maximal 15 statt bisher 20 Prozent Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren) und die Mietpreisbremse den Heidelberger Mietern groß helfen werden. Denn diese Maßnahmen sind vor allem für Städte mit schnell steigenden Mieten gedacht - in Heidelberg war das Niveau schon immer sehr hoch, und die Mietsteigerungen sind, im Vergleich, eher moderat.

> Führten bisher die Mietspiegel zu Mieterhöhungen? Eher nicht, vermutet Hahn, denn bevor es sie gab, in Heidelberg vor 1997, waren die Erhöhungen eher willkürlich - und vor allem intransparenter.

> Welche Mietverträge werden vom Mietspiegel erfasst? Nur die, die in den letzten vier Jahren preislich verändert wurden oder die Erstvermietungen sind. Ausgeschlossen sind alle Sozialwohnungen, aber auch Wohnungen, in denen es keine Mieterhöhungen gab. Das hat der Gesetzgeber so festgelegt, denn es soll so der "aktuelle Rand" erfasst werden, so Hahn. Damit werden vor allem aktuelle "Ausreißer", die durch einen komplett neuen Stadtteil (etwa die Bahnstadt) oder Großvermieter entstehen könnten, verhindert.

> Wie wird der Mietspiegel erhoben? Alle vier Jahre werden stichprobenartig Heidelberger befragt, aktuell sind es rund 2000 Personen (Kosten für die Stadt: 90 000 Euro). Der neue Heidelberger Mietspiegel wird ab dem 1. Oktober in Kraft gesetzt. Danach wird er alle zwei Jahre fortgeschrieben, also die Mieten um die Höhe der allgemeinen Preissteigerung erhöht, so steht es im Gesetz.

> Gibt es wirklich einen Unterschied zwischen der "Mietspiegelmiete" und der auf dem Markt? "Es gibt keine plausible Vermutung, dass die Mieten im Mietspiegel systematisch unterbewertet sind", sagt Hahn. Denn dann müssten sich ja die Angaben in den Immobilienanzeigen und in den Mietverträgen (aus denen der Mietspiegel seine Angaben bezieht) erheblich unterscheiden.

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