HIV-Patient atmet auf: Medikamente ermöglichen ihm jetzt ein neues Leben
Eineinhalb Jahre lang übersahen Ärzte seine HIV-Infektion.

Michael (Name von der Redaktion geändert) ist 58 Jahre alt. Sein zweites Leben hat gerade angefangen. Seit er weiß, dass er mit HIV infiziert ist und die Medikamente richtig helfen, geht es ihm wieder gut. Müde und kraftlos war er vorher, hatte heftig abgenommen und seine Operationswunden heilten nicht. Eineinhalb Jahre lang kam kein Arzt auf die Idee, dass sein körperlicher Zustand auf HIV hindeuten könnte.
Michael sitzt ganz ruhig da, erzählt seine Geschichte. Ja, er ist schwul, das hat er dem ersten Arzt, der ihn operieren sollte, auch gleich gesagt. Doch die Mediziner stellten keinen Zusammenhang zur Krankheit her. Und Michael selbst vergaß die Idee auch wieder, verlangte keinen Test. Irgendwie denkt man wohl als Laie, die Ärzte, die mit blutigen Schnitten zu tun haben, kümmern sich aus eigenem Interesse um solche Informationen. Dass er selbst einen Test organisieren könnte - darauf kam er auch nicht.
Ein bösartiger Tumor, kombinierte Chemo- und Strahlentherapie, mehrere Monate Aufenthalt in diversen Kliniken, Wunden, die nicht heilen wollten, acht Operationen - erst nach eineinhalb Jahren, bei der letzten Wundbehandlung, fragten ihn die Klinikärzte, ob sie einen HIV-Test machen dürfen. Dazu brauchten sie ja die Erlaubnis des Patienten. Die Diagnose schreckte Michael dann nicht mehr. Es suchte auch keinen Schuldigen, der ihn beim ungeschützten Geschlechtsverkehr angesteckt haben könnte: "Ich war vielleicht leichtsinnig", bekannte er. Dafür wünschte er sich viele Informationen und war ziemlich unsicher, wie er mit der Krankheit umgehen könnte.
Am Anfang wollte er sein Wissen nicht für sich behalten: "Am liebsten hätte ich es allen gesagt", sagt Michael. Aber er fand rechtzeitig heraus, dass viele Bekannte lieber nichts damit zu tun haben wollten. Ein paar Leute wissen jetzt Bescheid. Sie freuen sich mit ihm, dass das Medikament, das er seit wenigen Monaten nimmt, sofort gegriffen hat. Nur eine Tablette jeden Tag. Michael kann seinen Beruf wieder ausüben, verspürt nur noch kleine Unsicherheiten bei schnellen Bewegungen. "Unglaublich, wie sich das Befinden verbessert hat", staunt er.
"Du hattest Glück", sagt Heidi Emling, Dienststellenleiterin bei der Aids-Hilfe Heidelberg e.V.. Dort begleiten vier Sozialarbeiter 180 betroffene Menschen und 70 Zugehörige. Je eher man von seiner Infektion wisse, desto besser sei es für die Therapie, weiß Emling und verweist auf die jüngsten Schätzungen des Robert-Koch-Institutes: Etwa 14.000 Menschen in Deutschland lebten Ende 2013 mit einer HIV-Infektion, ohne es zu wissen. 80.000, darunter 65.000 Männer, wissen Bescheid und ein Großteil von ihnen wird auch therapiert.
Einer Modellrechnung zufolge infizieren sich jedes Jahr 3200 Menschen in Deutschland neu. Viele erfahren erst nach Jahren von ihrer Infektion. "Das kann gravierende Folgen für die Gesundheit haben, denn der optimale Zeitpunkt für den Therapiebeginn ist dann oftmals vorbei", sagt Heidi Emling. Die Aids-Hilfe Heidelberg empfiehlt deshalb Menschen mit einem HIV-Risiko, sich testen zu lassen; sie wie auch die Aids-Beratung des Gesundheitsamtes bieten regelmäßig anonyme und kostenlose Tests an.
Info: Anonyme Telefonberatung der Aids-Hilfe Heidelberg: 06221/19411. Mit Aktionen wie der attraktiven "Sternengala" am 29. November um 19 Uhr im Theater Heidelberg sowie Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert sie fast 40 Prozent ihres Finanzbedarfs. Größter Geldgeber ist ansonsten die Stadt Heidelberg.



