Flüchtlinge in Heidelberg-Kirchheim: Wo sich die Wege kreuzen

Im Kirchheimer Feld läuft die Begegnung zwischen Flüchtlingen und Reiterinnen nicht immer konfliktfrei ab

16.07.2015 UPDATE: 17.07.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Meist - wie in diesem Fall - verläuft die Begegnung zwischen Flüchtlingen und Reiterinnen völlig unproblematisch. Trotzdem kommt es täglich zu Vorfällen. Foto: Buchwald

Von Holger Buchwald

Auf einmal springt ein junger Mann aus dem Gebüsch und schlägt völlig unvermittelt dem Pferd von Ira Ribbe auf die Flanke. Die Stute scheut und will losrennen. Doch glücklicherweise hat die junge Frau ihr Tier noch an der Longe. Später wird sie sagen: "Ich habe das Pferd schon auf der Straße gesehen."

Es sind solche Vorkommnisse, die bei den jungen Frauen vom Reitverein Kirchheim für ein ungutes Gefühl sorgen. Sie sind quasi die nächsten Nachbarn der Flüchtlinge in Patrick-Henry-Village. Diese marschieren nämlich tagtäglich zu Hunderten durch das Feld, am Friedhof vorbei und durch den Heuauer Weg nach Kirchheim.

Hintergrund

Nicht alles ist friedlich in PHV

hob. Die Sicherheitskräfte wissen von einzelnen Vorfällen im Kirchheimer Feld. "Von manchen Dingen bekommen wir aber gar nichts mit, weil sie uns nicht gemeldet werden", sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle. Wenn es wirklich zu

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Nicht alles ist friedlich in PHV

hob. Die Sicherheitskräfte wissen von einzelnen Vorfällen im Kirchheimer Feld. "Von manchen Dingen bekommen wir aber gar nichts mit, weil sie uns nicht gemeldet werden", sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle. Wenn es wirklich zu Situationen am Rande der Nötigung komme, empfiehlt er unbedingt, das Polizeirevier Süd oder den Notruf 110 anzurufen. Zugleich betont Schätzle aber auch: "Wir können nicht jede Begegnung, die für den einen oder anderen merkwürdig ist, verfolgen." Damit wolle er aber nichts beschönigen. Schätzle kann sich gut vorstellen, dass die Reiterinnen auf den einen oder anderen Flüchtling eine große Anziehungskraft ausüben, und dass es dadurch zu Konflikten kommen könnte.

Die Überbelegung von PHV führt übrigens nicht nur im Kirchheimer Feld zu Problemen. Fast jede Nacht wird die Polizei in die Flüchtlingsunterkunft gerufen, wo die Beamten meist Streitigkeiten unter den Bewohnern schlichten müssen. So auch am 10. Juli, als 250 Albaner lautstark feierten, weil ihre Fußballnationalmannschaft nach dem abgebrochenen Skandalspiel gegen Serbien drei Punkte zugesprochen bekam. Einige Serben in PHV wollten auf die Albaner losgehen.

Die Kleinkriminalität nehme auch zu, berichtet Schätzle. Besonders auffällig ist die Häufung von Ladendiebstählen: Im Durchschnitt kommt es im Stadtgebiet täglich zu drei Festnahmen. Die erwischten Flüchtlinge hatten Rucksäcke voll mit gestohlener Kleidung, Lebensmittel, Handys oder Navigationsgeräten. Trotzdem: Bei 2800 Flüchtlingen in PHV sei auch diese Zahl noch gering, so Schätzle. Das Personal der Polizei wurde aufgestockt. Das Revier Süd hat für jede Schicht einen Mann mehr. Die Mindeststärke liegt nun bei sieben Personen, sodass immer drei Streifen losgeschickt werden können. Verstärkung kommt auch von der Bereitschaftspolizei, die in Kirchheim und Umgebung ständig mit vier Streifen präsent ist. Auch die Reiterstaffel ist auf den Feldern unterwegs.

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Und wenn die Reiter von ihren Ställen auf dem Hof von Karlheinz Rehm in die Reithalle wollen, kreuzen sich zwangsläufig ihre Wege. "Die meisten Flüchtlinge sind freundlich, grüßen und gehen ruhig ihres Weges", sagt Kathrin Etzel. Doch dann kommt das große Aber: Täglich komme es zu kleineren Zwischenfällen und Konflikten zwischen den Reiterinnen und den Flüchtlingen. Auch Etzels Töchter haben ihre Pferde im Hof von Karlheinz Rehm.

Vor-Ort-Termin im Kirchheimer Feld: Auch an diesem Tag zieht ein schier endloser Strom von Flüchtlingen von PHV in den benachbarten Stadtteil und zurück. Im Abstand von 30 bis 50 Metern folgen Kleingruppen von jungen Männern auf Familien mit Kinderwagen. Heute läuft alles ganz unspektakulär ab. Sicher schaut sich hin und wieder ein junger Mann interessiert nach den Reiterinnen mit ihren Pferden um. Das war es dann aber auch schon. Kurz darauf sitzen die jungen Frauen und die Mütter Michaela Rinaldis und Kathrin Etzel mit Karlheinz Rehm auf der Tribüne der Reithalle und sind froh, dass sich endlich einmal jemand ihre Sorgen anhört.

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Auf eines legen die Reiterinnen ganz großen Wert: Sie sind nicht fremdenfeindlich und begrüßen es, dass Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden. Doch wegen der Überbelegung von PHV komme es in den letzten drei bis vier Wochen häufiger zu Konflikten. Mal stellt sich eine Gruppe junger Männer den Reiterinnen in den Weg, vielleicht nur um Kontakte zu knüpfen, vielleicht aber um sie zu ärgern oder zu belästigen. Ein anderes Mal wollen Flüchtlinge die Mädchen fotografieren. Auch obszöne Aufforderungen zum Sex soll es schon gegeben haben. Und als eine Mitarbeiterin von Michaela Rinaldis neulich mit ihrem Auto durch das Feld fahren wollte, riss neben ihr ein Mann plötzlich die Türe auf.

Kathrin Etzel hat ihre Konsequenzen gezogen: Ihre Töchter dürfen nicht mehr alleine mit dem Fahrrad zum Stall fahren. Die Belästigungen gehen so weit, dass Ribbe sich schon überlegt hat, die Reithalle zu wechseln. Sie arbeitet nämlich häufig so lange, dass sie erst bei Dunkelheit hierher kommen kann.

Ribbe wie auch den anderen Frauen ist es fast unangenehm, dass sie über solche Vorfälle berichten, die ja eher lästig und selten strafbar sind. Fremdenfeindliche Stimmung zu machen, liegt ihnen fern. "Rechtsradikale können wir hier erst recht nicht gebrauchen", betont Ribbe. Als Roland Benn dazu kommt, meint er: "Das Problem ist doch die Gettoisierung der Flüchtlinge". So sieht das auch Ribbe: "Wenn man so viele Deutsche auf engstem Raum zusammen stecken würde, gäbe es auch Probleme." Trotzdem habe sie Angst, gibt sie zu. Und auch Samantha Klein sagt: "Ich komme nur hierher, wenn es unbedingt notwendig ist.

Die Reiterinnen haben konstruktive Vorschläge, wie man die Situation entspannen könnte. "Wir brauchen den versprochenen Shuttlebus, mit dem die Flüchtlinge in die Stadt kommen", fordert Rinaldis. Rehm schlägt vor, dass das Land Streckenposten im Kirchheimer Feld aufstellen könnte. Und Etzel wünscht sich, dass - auf halbem Weg zwischen PHV und Kirchheim - Tische und Bänke aufgestellt werden, wo man sich ausruhen kann. Dort könnte man dann auch Toiletten aufstellen. Damit die Flüchtlinge nicht mehr wild urinieren müssen.