Festival "Metropolink" startete am ehemaligen Bahnstadt-Bordell in Heidelberg
Noch größer, noch bunter, noch rätselhafter

Der Hamburger Sprayer "TenTen" gestaltete die Wand des ehemaligen Bordells. Fotos: Chlumsky
Von Milan Chlumsky
In der Vergangenheit galten sie zuweilen als Kleinkriminelle, weil sie angeblich jede zugängliche Fläche beschmierten. Doch schon vor über 30 Jahren hat sich die Szene gespalten - zwischen jenen Sprayern, denen es um Kunst geht, und jenen, die aus welchem Grund auch immer durch ihre "Tags", also die Kritzeleien, schlicht Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Wenn es um "Street Art" geht, sind eine sorgfältige Planung und genaue Ausarbeitung binnen kurzer Zeit nötig, um ein aussagekräftiges und dabei einmaliges Bild auf einer meist riesengroßen Fläche zu kreieren. Wie das geht, war schon im letzten Jahr bei der ersten Ausgabe des Metropolink-Festivals zu sehen, als etwa "WOW 123" (alias Markus Genesius) die über 100 Meter lange Rückwand des Straßenbahndepots in der Emil-Maier-Straße bemalte.
Am Freitag wurde die zweite Ausgabe des inzwischen auch außerhalb Heidelbergs bekannten Street-Art-Festivals von Theresia Bauer, Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, und Kulturamtsleiterin Andrea Edel eröffnet. Das jetzige Festival ist ambitionierter und vielfältiger als das erste. Die Kuratoren Pascal Baumgärtner und Daniel Thouw haben mit 14 hier arbeitenden Künstlern die Palette der verschiedenen Stile beachtlich vergrößert.
Das Festival startete am ehemaligen Bordell am Czernyring, hier gestaltete der Hamburger Sprayer "1010" (oder "TenTen", wie er sich nennt) eine erste Wand. Er hatte im letzten Jahr einen furiosen Auftritt mit seinem großen "Mural" in San Francisco. "TenTen" ist seit 1994 in der Street-Art-Szene aktiv; seine Arbeit aus der "Abyss-Serie" zählt zu den zehn besten "Urban Art Walls" in Hamburg. Er zeigte Arbeiten in Mailand, Galerieausstellungen in New York, San Francisco und Zürich. Auch eine rätselhafte Intervention am Pariser Boulevard Périphérique stammt von ihm, wo er ein scheinbar unendlich tiefes Loch in der Erdoberfläche geschaffen hat. 400 Liter Farbe waren notwendig, um diese Arbeit zu verwirklichen. Auch in Heidelberg hat "TenTen" eine rätselhafte Wand gestaltet, die zugleich eine illusorische Welt aus hochgezogenen Wänden ist und dabei eine seltsame Verästelung zwischen ihren Teilen, die im Begriff sind zu zerbrechen, andeutet.
Was bleibt, ist ein Symbol in Form eines Pfeiles auf der nächsten Wand, das auf das Ungewisse hinweist. "TenTen" gehört mit Sicherheit zu den interessantesten Künstlern seines Fachs.



