Ein Schub für die Biotechnologie
Octapharma weihte sein neues Forschungszentrum im Neuenheimer Feld ein. Standort ist auf Expansion ausgelegt

Von Micha Hörnle
Es ist vielleicht nicht die größte, aber wohl eine der prestigeträchtigsten Ansiedlungen einer neuen Firma in der Stadt: Der international tätige Pharmakonzern Octapharma, den der gebürtige Heidelberger Wolfgang Marguerre gegründet hat, weihte am Freitag im Technologiepark ein neues Forschungsgebäude ein. Hier arbeiten zunächst "nur" 46 Angestellte, aber der Zugewinn an Renommee für die Biotechnologieregion Rhein-Neckar ist enorm, wie Professor Stefan Meuer vom Institut für Immunologie der Universitätsklinik gestern bei der Eröffnung sagte. Nicht nur dass ein 25 Millionen teures, markantes Gebäude an der Berliner Straße entstand. Marguerre verlagerte die Forschung an erfolgversprechendenden Substanzen aus München und Stockholm in seine Heimatstadt. Und das Projekt ist auf Expansion ausgelegt: Bisher werden nur 60 Prozent der Fläche genutzt: Es ist also noch "Luft nach oben", für bis zu 120 Angestellte auf drei Ebenen.
Man muss kein Experte sein - die kamen zur Genüge zu Wort -, um zu erahnen, welchen Schub diese neue Einrichtung für die Biotechnologie in der Stadt bringen könnte. Die neuen Büros und Labore sind eine Bereicherung der jetzt schon breiten Heidelberger Forschungslandschaft, die mit der exzellenten Universität, dem nicht minder angesehenen Universitätsklinikum, dem DKFZ und dem EMBL bereits heute "einzigartig in diesem Land" (Meuer) ist.
Insofern war OB Eckart Würzner auch fast schon euphorisch, als er Marguerres Engagement in Heidelberg lobte. Zumal das auch ein weiterer Beleg dafür sei, dass "Heidelberg nicht nur eine Stadt der Geschichte, sondern auch der Wissenschaft und Forschung" sei. Und die Wissenschaft sei "der eigentliche Schatz Heidelbergs", die Stadt könne sogar mit Großstädten wie München konkurrieren. Natürlich vergaß er auch nicht zu erwähnen, dass Marguerre "sein Herz in Heidelberg verloren hat" - zumal er nach 36 Jahren im Ausland wieder als 65-Jähriger in die Stadt zurückgekehrt war. Bisher war der nun 71-Jährige eher Theaterfreunden ein Begriff: Mit einer Großspende von fast 14 Millionen Euro machte er die Sanierung des Stadttheaters erst möglich. Und nach dem Mäzenatentum tat er sich am Freitag auch als Investor hervor.
Die Forschungsdirektorin und sozusagen Hausherrin des neuen Komplexes, Dr. Carola Schröder, erklärte, woran hier geforscht wird - und was vielleicht in Kürze auch produziert wird. Grob gesagt geht es um neue Therapieformen für eine Form der Bluterkrankheit und bei der Behandlung von Krebs. Grundlage ist, aus menschlichen Zellen eine Arznei zu finden - im Gegensatz zu Zellen von Tieren, die möglicherweise für den menschlichen Organismus nicht optimal sind. 100 Millionen Euro hat Octapharma schon in den letzten 15 Jahren investiert, und Marguerre bekannte: "Ich erwarte keine Gewinne von hier, eher meine Kinder." Immerhin eine weitere Therapie bei Hämophilie A ist in Sicht, wie der Forscher Professor Andreas Tiede von der Medizinischen Hochschule Hannover bestätigte. Wenn alles gut geht, steht das Medikament kurz vor der Markteinführung: "Aus meiner Sicht ist das vielversprechend und gut."
Die Ergebnisse eines anderen Forschungsansatzes sind noch nicht ganz so weit gediehen, hier geht es um ein Medikament namens GCSF, das gerade bei Krebspatienten die Reaktionen des körpereigenen Immunsystems mildert. Wie der Tübinger Forscher Professor Albrecht Wendel ausführte, hat diese Arznei große Chancen. Sie hat viele Anwendungsgebiete, gerade bei multiplem Organversagen. Er berichtete davon, wie GCSF ein früh geborenes Kind rettete, das die Ärzte fast schon aufgegeben hatten. Bei dem Frühchen hatten alle anderen Therapien versagt, dann probierte Wendel das noch nicht zugelassene GCSF aus. Nach 220 Tagen verließ das Kind endlich die Intensivstation. Heute ist es elf Jahre alt, entwickelt sich prächtig - und ist der ganze Stolz seines Opas. Und der ist der GCSF-Forscher Albrecht Wendel.



