Ein Doppelhaushalt zum Wohlfühlen - bis sich der Wind dreht
Stadt-Etat steht so gut wie selten da - Es wird investiert wie noch nie

Symbolbild: dpa-Archiv
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Die gute Nachricht zuerst: Die Stadt Heidelberg steht finanziell so gut da wie selten zuvor - und kann sich deswegen Investitionen auf Rekordniveau leisten. Aber die guten Zeiten dauern nicht ewig. Schon im übernächsten Doppelhaushalt 2021/2022 werden die Zahlen deutlich schlechter.
Finanzbürgermeister Hans-Jürgen Heiß befasst sich schon seit über 25 Jahren mit dem städtischen Haushalt, seit elf Jahren ist er Kämmerer. Aber so gute Zahlen für einen Doppelhaushalt konnte er noch nie präsentieren - noch vor ein paar Jahren war völlig undenkbar, dass sich eine an sich relativ arme Stadt wie Heidelberg einen Haushalt von über 650 Millionen Euro leisten kann, ohne sich bis zur Halskrause zu verschulden. Aber der Wirtschaft geht es gut - und die Stadt profitiert davon: Mehr Leute in Lohn und Brot bedeuten höhere Einnahmen aus der Einkommenssteuer. Rasant entwickelt sich auch die Gewerbesteuer, die sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat - 2020 rechnet Heiß mit 120 Millionen Euro an Einnahmen. Das Gute daran: In Heidelberg gibt es nicht den großen Gewerbesteuerzahler, die Last liegt auf breiten Schultern, was diese Einnahmequelle relativ krisenfest macht. Nicht zuletzt: Heidelberg wächst. 15.000 neue Einwohner in den letzten zehn Jahren verheißen mehr Einnahmen - allein der Bund zahlt im Jahr pro Kopf 1400 Euro.
Nur deswegen kann Heidelberg sein hohes Investitionstempo halten: Gab in den letzten Jahren die Stadt für neue Gebäude und Straßen um die 80 Millionen Euro aus, so sind es nun fast 100 Millionen. Der größte Brocken ist ein alter Bekannter, die Schulsanierung mit 25 Millionen Euro. Allein die Generalsanierung des Hölderlingymnasiums kostet fast 20 Millionen Euro. Oberbürgermeister Eckart Würzner kündigte gestern in seiner Haushaltsrede zudem an, dass bis 2021 jede der 54 Schulen ans Glasfasernetz angebunden sein soll. Aber auch die Verlegung des Kulturzentrums Karlstorbahnhof auf das Kasernengelände in der Südstadt für 15 Millionen Euro steht im neuen Doppelhaushalt 2019/2020. Andere Großprojekte wie das neue Konferenzzentrum oder die neue Großsporthalle schlagen noch nicht haushaltsmäßig durch, weil sie von der stadteigenen Wohnungsgesellschaft GGH gebaut werden - die Stadt mietet dann die beiden Objekte zurück. Auch Kunst und Kultur dürfen sich für ihren laufenden Betrieb über mehr Geld freuen: Sogar das notorisch klamme Völkerkundemuseum soll auf einmal 200.000 Euro Zuschuss plus 50.000 Euro zum 100. Jubiläum bekommen - nach 80.000 Euro in den letzten beiden Jahren.
Die große Frage gestern war: Wie gehen die Stadträte mit diesem Geldsegen um? Würzner sagte gestern: "Es ist mir klar, dass diese hervorragende Entwicklung Begehrlichkeiten weckt. Ich kann hier nur um Zurückhaltung bitten." Denn niemand könne garantieren, dass die gute Konjunktur ewig halte. Sein Kämmerer Heiß goss noch mehr Wasser in den Wein. Bald ist ein Ende der fetten Jahre absehbar: Selbst wenn die Wirtschaft weiter brummen sollte, fressen langsam die Ausgaben die Einnahmen auf. Das liegt vor allem daran, dass die Stadt, wenn auch in Maßen, die Zahl ihrer Angestellten erhöht - sei es in den Kitas, beim Kommunalen Ordnungsdienst oder beim Landschaftsamt. Heiß warnt: "Ab 2022 wird es kritisch." Dann steigt die Verschuldung merklich an: Allein für das Jahr 2023 rechnet er mit 102 Millionen Euro Miesen. Zum Vergleich: Für den aktuellen Haushalt peilt er 20 Millionen an - für zwei Jahre.