Diese App macht barrierefreie Routenplanung möglich
Der Kampf gegen Treppen, Bordsteine und steile Wege hat begonnen - "Mobil-Atlas" ab Ende des Jahres auf dem Markt

Mithilfe des "Mobil-Atlas" können mobilitätseingeschränkte Nutzer bald den besten Weg durch die Stadt finden. Foto: Philipp Rothe
Heidelberg. (nisu) Bordsteine, steile Wege, Kopfsteinpflaster: Für Rollstuhlfahrer, ältere Menschen und Eltern mit Kinderwagen stellen sie teilweise unüberwindliche Hindernisse dar. Ein Nachmittag in der schönen Heidelberger Altstadt kann da schnell zum Albtraum werden. Hier soll in Zukunft die Routenplaner-App "Mobil-Atlas" aushelfen: Sie zeigt barrierefreie, ebene Wege in der Innenstadt an und hilft somit auch Menschen, die einen Rollstuhl schieben.
Die App funktioniert ähnlich wie Google-Maps: Man gibt Start und Ziel ein, die App berechnet die beste Route und die voraussichtliche Gehzeit. Zusätzlich kann jeder Benutzer individuell einstellen, welche Bordsteinhöhe, welche Steigung und welche Gehwegbreite er sich wünscht. "Ziel der App ist es, eine individuell passende Route für jeden Mobilitätseingeschränkten zu berechnen", erklärt Christina Reiß, die kommunale Behindertenbeauftragte. "Und wenn man auf dem Weg nochmal bei Douglas vorbeischauen will, ist das auch kein Problem: Man gibt einfach ,Routing über …‘ ein - und schon spuckt die App eine passende, begehbare Route aus", erklärt Andrea Caspar-Thron vom Referat des Oberbürgermeisters.
Damit die App auch jeden erreicht, wird eine Version in "Einfacher Sprache" entwickelt. So kann sie auch von Menschen verstanden werden, denen es schwerfällt, lange Sätze, Relativsätze und lange Wörter zu verstehen. Das sind zum einen Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung, aber auch Gehörlose, die Gebärdensprache gewohnt sind, Leute, die nicht gut deutsch sprechen und funktionale Analphabeten - also Menschen, die sehr lange brauchen, um einzelne Wörter zu lesen. Eine GPS-Funktion kann den Startpunkt auch automatisch ausfindig machen und somit die Eingabe erleichtern. Wenn man einen Ort öfter verwendet, merkt sich die App ihn und schlägt ihn vor.
Aber eine App zu bedienen, kann auch schwierig sein. Daher gibt es ein Lernprogramm in Leichter Sprache, das man online aufrufen kann. In einem einfachen Design und in großer Schrift werden drei Schritte angezeigt: Das Herunterladen, ein Video, das die App erklärt, und Aufgaben, um zu üben, wie man die App verwendet, bevor der Ernstfall eintritt. "Das Interesse ist groß. Menschen mit geistiger Behinderung lesen mittlerweile meistens im Internet und ein großer Teil verwendet Smartphones", berichtet Steffen Schwab vom Büro für Leichte Sprache. Die App funktioniert über mobile Daten und wird wohl Ende des Jahres für das IPhone-Betriebssystem und alle Android-Geräte in den App-Stores kostenlos zur Verfügung stehen.
"Mobil-Atlas" befindet sich jetzt noch in der Entwicklungsphase. Daher sind alle Betroffenen eingeladen, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und nach einem Testlauf Verbesserungsvorschläge zu machen. Denn Probleme gibt es sicherlich noch: Zum Beispiel mit Baustellen, die nicht rechtzeitig angezeigt werden können, die Auswahl des Bodenmaterials muss noch ermöglicht werden und eine Sprachfunktion soll entwickelt werden, die auch Sehbehinderten die Nutzung der App ermöglicht.
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Das Land fördert "Mobil-Atlas" bisher mit 42.000 Euro als Pilotprojekt: Ist die App erfolgreich, soll sie als Vorbild von anderen Kommunen übernommen und nach eigenen Maßstäben verändert und weiterentwickelt werden. Dazu steht die Lizenz offen im Internet zur Verfügung. "Heidelberg bietet sich als Projektstadt an, da in der engen Altstadt sehr viele Schwierigkeiten zusammenkommen", erklärt Caspar-Thron.