Heidelberg

"Deutschland ist in der Verantwortung"

Eine Petition aus Heidelberg mit über 10.000 Unterschriften fordert humanitäre Hilfe und Aufnahme von Afghanen in Deutschland.

08.12.2021 UPDATE: 09.12.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden
10 000 Unterschriften haben Flüchtlingsrat, Asylarbeitskreis und Seebrücke für ihre Petition gesammelt: Vor dem Rathaus übergaben Janick Pfitsch (v.l.), Ulrike Duchrow, Annette Schiffmann und Mia Lindemann den Aufruf an Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Foto: Rothe

Von Philomena Meyer

Heidelberg. Im Sommer gingen dramatische Bilder aus Afghanistan um die Welt: Menschen klammerten sich verzweifelt an Flugzeuge, Eltern übergaben Babys an US-Soldaten, in der Hoffnung ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Durch die Machtübernahme der Taliban sind viele Afghanen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.

Doch noch immer sind humanitäre Hilfe und Aufnahmemöglichkeiten für bedrohte Menschen aus dem Land keine Selbstverständlichkeit. Darum hat der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Asylarbeitskreis Heidelberg und der Initiative Seebrücke eine Petition aufgesetzt – und das mit Erfolg: Bis zum 26. November haben über 10.000 Menschen unterschieben und ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Am Donnerstag wurde die Petition nun vor dem Rathaus an Theresia Bauer, die Landesministerin und Heidelberger Grünen-Abgeordnete, überreicht.

Die Petition fordert sichere Fluchtwege aus Afghanistan, nicht nur für Ortskräfte, sondern auch für Aktivisten und Familiennachzügler. Ein besonderes Anliegen der Initiatoren ist, das Visumverfahren zu beschleunigen, da es unzumutbar sei, Menschen während dieser langen Wartezeiten in Afghanistan ausharren zu lassen.

Seit dem Petitionsaufruf im August hat sich die Situation in Deutschland allerdings verändert: Mittlerweile gebe es eine neue Regierung mit einem Koalitionsvertrag, der diese Maßnahmen tatsächlich in Aussicht stelle, so Mia Lindemann, Mitglied des Flüchtlingsrates. Das suggerierte Aufnahmeprogramm müsse allerdings von der Landesregierung umgesetzt werden, deshalb bittet Lindemann um deren Unterstützung. "Und es muss schnell gehen, denn die Menschen sind akut gefährdet." Auch Annette Schiffmann, Vorsitzende des Heidelberger Asylarbeitskreises, hofft, dass die neue Regierung hält, was sie verspricht: "Denn es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen in Not zu helfen."

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Ministerin Bauer berichtet bei der Übergabe, wie sprachlos sie im Sommer war, als sie den unvorbereiteten Rückzug aus Afghanistan beobachtete. "Die Menschen wurden ihrem Schicksal überlassen." Es sei ein Desaster gewesen. "Darum haben wir die Verantwortung, Türen zu öffnen und Unterstützung anzubieten." Insbesondere Kommunen wie Heidelberg, die bereit seien freiwillig mehr zu tun, sollten diese Möglichkeit auch bekommen. Wie Oberbürgermeister Eckart Würzner in einem Brief im September an den Asylarbeitskreis erklärte, habe er sich bereits an Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewandt und erklärt, dass insbesondere der erweiterte Familienkreis von Ortskräften und andere schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen in Heidelberg willkommen seien.

Am Montag wurde die Petition zusätzlich an den CDU-Kreisvorsitzenden Alexander Föhr und den CDU-Landtagsabgeordneten Albrecht Schütte übergeben. Die Situation in Afghanistan treibe die beiden Politiker um, und es müsse Ortskräften, die sich für Deutschland eingesetzt haben, möglichst unbürokratisch geholfen werden, betonen sie. "Deutschland ist in der Verantwortung", so Föhr. Ministerin Bauer sieht das ebenfalls so: "Ich finde es richtig, das Kapitel nicht zu schließen und nicht wegzuschauen." Das Anliegen der Petition sei ihr darum sehr wichtig, und sie verspricht, sich dafür einzusetzen, dass "es voran geht".

Schiffmann ist überzeugt, dass Deutschland problemlos in der Lage ist, mehr Menschen aufzunehmen. Sie engagiert sich seit Ende 2015 aktiv für Geflüchtete, etwa indem sie Deutsch unterrichtet. Hunderte Ehrenamtliche in Heidelberg hätten dafür gesorgt, dass Integration klappe. Und sie sehe die Erfolge: Viele Menschen haben mittlerweile einen Job gefunden oder sind in Ausbildung. "Wir brauchen diese motivierten Menschen in unserer Gesellschaft", sagt Schiffmann. "Wenn man sie unterstützt, bekommt man das tausendfach zurück." Das Schönste für sie seien aber die engen Beziehungen, die entstehen. Einige ihrer ehemaligen Schüler seien heute ihre Nachbarn.

Bei allen Erfolgen wollen Schiffmann und Lindemann ihr Engagement jedoch nicht zurückfahren – zu dringlich sei etwa die Lage der Menschen, die in Afghanistan täglich von den Taliban bedroht werden. "Die Arbeit kann nicht aufhören", meint Lindemann, "bei dem Zustand der Welt geht das einfach nicht".

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