Den besten Ton getroffen
Beim Festkonzert zum 40-jährigen Bestehen des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma begeisterte die Komposition von Ralf Yusuf Gawlick.

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, dessen Sitz sich in Heidelberg befindet, feierte sein 40-jähriges Bestehen ganz ungewöhnlich: Der Vorsitzende Romani Rose sprach über den langen Weg zur Anerkennung der Rechte der Minderheit, die Beiträge der Sinti und Roma vor allem für das kulturelle Europa und dessen Musikleben sowie die Verantwortung der Politik in Zukunft – "damit sich Angehörige der Sinti und Roma zu ihrer Herkunft bekennen können, ohne Ausgrenzung fürchten zu müssen."
Es gab keine Grußworte im Spiegelsaal des "Prinz Carl", auch wenn natürlich viele Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft der Einladung des Zentralrates gefolgt waren, von Mäzen Manfred Lautenschläger über Janusz Pawelczyk-Kissin, den Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde, und den Rektor der Universität, Prof. Bernhard Eitel, bis zu RNZ-Chefredakteur Klaus Welzel.
Dass in Heidelberg weniger Antiziganismus zu finden sei als anderswo, sei auch der Tageszeitung zu verdanken, die in vielen Texten immer wieder über die mehr als 600-jährige Geschichte der Minderheit informiert habe, unterstrich Rose.

Neben sechs Millionen Juden seien rund eine halbe Million Sinti und Roma von den Nationalsozialisten ermordet worden, was im Nachkriegsdeutschland nicht bekannt geworden sei, so Romani Rose. Der Antiziganismus habe sich erhalten können, bis Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 die Verbrechen an Sinti und Roma offiziell anerkannt habe.
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Mit der Gründung des Zentralrates der Sinti und Roma im gleichen Jahr habe dann eine jetzt 40-jährige Bürgerrechtsarbeit begonnen. Ein Höhepunkt: Die Errichtung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Jahr 2012 in Berlin.
Ganz aktuell gibt es mit dem Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler einen ersten Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus. "Antiziganismus ist kein Problem der Minderheit", befand Rose in seiner Ansprache, "sondern eine Bedrohung für den Rechtsstaat und das gemeinsame Zusammenleben."
Im Mittelpunkt der Feier stand die Musik des Hugo Wolf Quartetts aus Wien mit Franz Schuberts "Rosamunde" im ersten Teil. Beeindruckend war aber vor allem die Komposition von Ralf Yusuf Gawlick, "Imagined Memories" geraten. Der in Boston/USA lehrende Komponist wurde 1969 in Deutschland geboren und von seiner sehr jungen Mutter in ein Waisenhaus gebracht. Aufgewachsen ist er dann bei Adoptiveltern in Nordrhein-Westfalen.
Gawlicks Komposition, dem namhaften Hugo Wolf Quartett gewidmet, lotet eine nie gelebte Beziehung aus, die Verbindung zu seiner leiblichen Mutter. Deren Namen erfuhr er erst, als er 2009 seine Geburtsurkunde in Händen hielt. Als er seine Mutter in der Türkei tatsächlich fand und sie im Jahr 2018 erstmals umarmte, offenbarte sie ihm, dass sie keine Kurdin sei, wie stets gesagt worden war, sondern eine Romna.
Ralf Yusuf Gawlick, der mit seiner polnischstämmigen Ehefrau Basia nach Heidelberg gereist war, nahm gemeinsam mit den Musikern den begeisterten Applaus des Publikums entgegen. Kurde und Rom – in seinem Lebenslauf weist er stolz auf diese Abstammung hin.