Heidelberg

Das wollen die Fraktionen vom Haushalt

Änderungsanträge im Gemeinderat eingebracht - Grüne wollen Klimaschutz und Radverkehr stärken - CDU mahnt Haushaltsdisziplin an - SPD will "Leben nachholen"

07.05.2021 UPDATE: 08.05.2021 06:00 Uhr 6 Minuten, 10 Sekunden
Deutlich mehr Geld für den Ausbau der Solarenergie fordern die Grünen. Foto: kaz

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Zehn Reden, 140 Minuten, 285 Änderungsanträge: Die Fraktionen haben am Donnerstag ihre Vorstellungen vom Doppelhaushalt 2021/2022 skizziert. Dabei gab es kaum Fundamentalkritik am Haushaltsentwurf von Oberbürgermeister Würzner. Doch manche Fraktionen forderten deutliche Überarbeitungen. Ein Überblick:

Grüne: Klimaschutz, Klimaschutz, Klimaschutz – und Klimaschutz

> Änderungsanträge: 104

> Sitze der Fraktion im Rat: 16 von 48

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Heidelberger Haushalt: Ein Haushalt für die Nach-Corona-Zeit

> Haushaltsrede: Felix Grädler

> Größte Einzelausgaben: 8 Millionen Euro für Radverkehr-Ausbau; 5 Millionen Euro für Photovoltaik-Ausbau für Stadtwerke

> Die Schwerpunkte: Die Grünen fordern "einen echten Klimaschutz-Haushalt" – so der Haushaltsredner der größten Fraktion im Gemeinderat, Felix Grädler, zu Beginn seiner Rede. "Ihr Haushaltsentwurf geht uns nicht weit genug, Herr Oberbürgermeister", sagte er, es fehle ein klarer finanzieller Fokus auf den Klimaschutz. Deshalb fordern die Grünen über acht Millionen Euro mehr für Klimaschutzmaßnahmen. Größter Posten: Die Stadtwerke sollen fünf Millionen für den Ausbau von Photovoltaik und anderen erneuerbaren Energien bekommen.

Mit acht Millionen mehr soll der Radverkehr gefördert werden – doch soll die Stadt davon nur zwei Millionen tragen, der Rest durch Zuschüsse aus dem Bundesprogramm "Stadt und Land" abgedeckt werden. Zudem wollen die Grünen mehrere Stellen im Klimaschutz- und Verkehrsdezernat ihres Bürgermeisters Raoul Schmidt-Lamontain schaffen, um die Verkehrs- und Energiewende umzusetzen. Auch für mehr Park-and-Ride-Parkplätze samt Schnellbussen, mehr Artenschutz, einen Bürger-Klimafonds, eine stärkere Begrünung und Entsiegelung im Stadtgebiet sowie eine CO2-Bilanzierung bei allen größeren Projekten wollen die Grünen Geld ausgeben.

Abseits vom Klimaschutz hat die größte Fraktion eher kleine bis mittelgroße Wünsche: So wollen sie etwa die Wohnkosten von Schwellenhaushalten stärker subventionieren (100.000 Euro), das Queer Festival, die freie Tanz-Szene, das Gloria-Kino und Sommer-Kulturbühnen unterstützen (insgesamt 330.000 Euro), die Gewaltambulanz am Uniklinikum mit 50.000 Euro sowie einzelne Einrichtungen mit kleineren Beträgen fördern – und mit einer Kampagne die Stadt Heidelberg als attraktive Arbeitgeberin bekannter machen (100.000 Euro).

> Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung: Die zusätzlichen Ausgabenwünsche der Grünen summieren sich auf 8,6 Millionen Euro. Dennoch steht unter dem Strich ihrer Änderungsanträge eine Ersparnis von 2,5 Millionen Euro. Die Grünen haben also verglichen mit dem OB-Entwurf 11,5 Millionen Euro eingespart. Wie das? Da ist zum einen die "möglichst flächendeckende" Ausweitung des Anwohnerparkens samt "sozialverträglicher Erhöhung" der Gebühren dafür – so sollen 1,5 Millionen Euro in den Stadtsäckel fließen. Weitere 750.000 Euro versprechen sich die Grünen durch Bußgelder für Falschparker – wofür sie den Gemeindevollzugsdienst aufstocken wollen. Und mit mehr Blitzern wollen sie 600.000 Euro von Temposündern einnehmen. Zudem soll die Planung für den Neubau der Ziegelhäuser Brücke verschoben werden, "da die Brücke noch bis 2030 halten soll", wie die Grünen im Antrag schreiben – Ersparnis: 2,25 Millionen Euro.

Den Ausgleich des Defizits beim Treuhandvermögen Bahnstadt wollen sie ebenfalls auf später verschieben und in diesem Doppelhaushalt nur zwei statt vier Millionen Euro zahlen. Die 2,5 Millionen Euro für die geplante östliche Zuführung zur Montpellierbrücke ("Schere Ost") streichen die Grünen – und fordern stattdessen ein "neues Konzept mit Ansätzen der Reduzierung des Autoverkehrs und der Kosten". Die Einnahmen sollen erhöht werden, indem städtische Eigenbetriebe Überschüsse aus Corona-Hilfszahlungen (etwa: Kurzarbeit) an die Stadt zurückzahlen. Gemeint ist hier wohl unter anderem das Theater.

Schließlich greifen die Grünen zur "globalen Minderausgabe" – also ein Betrag, den die Verwaltung irgendwie im laufenden Betrieb einsparen soll. Im OB-Haushaltsentwurf ist dieses Instrument bereits mit sechs Millionen Euro eingepreist – die Grünen satteln noch zwei Millionen drauf.

CDU: Sparen, Sparen, Sparen – und Schulen sanieren

> Änderungsanträge: 33

> Sitze der Fraktion im Rat: 7

> Haushaltsrede: Jan Gradel

> Größte Einzelausgabe: 4 Mio. Euro für Erhöhung des Bauunterhalts

> Die Schwerpunkte: CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Gradel zäumte das Pferd genau andersherum auf wie Grädler – und warnte angesichts des Haushaltsentwurfs: "Die Zahlen könnten schlechter nicht sein." Der Schuldenstand steige gemäß der mittelfristigen Finanzplanung bis Ende 2025 auf über 500 Millionen Euro. "Dies kann die Stadt so nicht tragen. Ich hoffe, das ist allen klar." Deshalb fordert die CDU eine Haushaltskommission, die bis zum nächsten Doppelhaushalt – also bis Ende 2022 – intensiv daran arbeiten soll, das strukturelle Defizit wieder auf höchstens 20 Millionen Euro pro Jahr zu begrenzen. Dabei sollen Fachvertreter aus der Bürgerschaft – etwa von Gesamtelternbeirat, Sportvereinen und Kultur – mitreden.

Die CDU legt den Schwerpunkt auf die Sanierung von Schulen. Foto: Rothe

Doch auch im aktuellen Haushalt setzt die CDU deutliche Akzente. Die Kernforderung: Vier Millionen Euro und drei zusätzliche Stellen mehr für das Hochbauamt zum Zwecke des Gebäudeunterhalts – insbesondere für die Schulsanierung. In diesem Bereich würde der Gemeinderat oft ehrgeizige Pläne vorgeben, die dann aber nicht eingehalten werden könnten. "Die Vergangenheit zeigt uns, dass, wenn wir hier sparen, wir die Mittel später oftmals in doppelter Höhe ausgeben."

Neben diesem großen Brocken hat die CDU eine Reihe kleinere Wünsche, etwa 100.000 für die Fenstererneuerung an der Kurpfalzschule, den Erhalt einer Filiale des Karlstorkinos am alten Standort, ein Sportstättenentwicklungsplan, einige Stadtteilprojekte und – wie bei den Grünen – 50.000 Euro für die Gewaltambulanz. Zudem will die CDU das verschobene Sirenennetz zur Warnung in Katastrophenfällen doch schon jetzt angehen (400.000 Euro).

> Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung: Auf der Suche nach Einsparpotenzial bei den Investitionen befand Gradel: "Man findet nicht wirklich viel." Deshalb will die CDU nur Planungen strecken und verschieben – bei der Zuführung zur Montpellierbrücke ("Schere Ost"), der neuen Radbrücke über den Neckar, dem Elektroanschluss für Kreuzfahrtschiffe und der Verkehrsberuhigung Altstadt. Die globale Minderausgabe bemüht die CDU noch stärker als die Grünen – mit drei Millionen Euro. So stehen bei den Anträgen der CDU unter dem Strich 500.000 gesparte Euro.

SPD: Menschen wertschätzen, Menschen helfen – und mit Menschen feiern

> Änderungsanträge: 77

> Sitze der Fraktion im Rat: 7

> Haushaltsrede: Anke Schuster

> Größte Einzelausgabe: 1,5 Mio. Euro mehr für Schulsanierungen; 800.000 Euro für "Sozialfonds Sondermittel Corona"

> Die Schwerpunkte: Auch SPD-Fraktionschefin Anke Schuster bezeichnete die Finanzlage als "alarmierend" – aber: "Wir befinden uns auch in einer Ausnahmezeit." Der OB-Entwurf bilde im Großen und Ganzen den Grundkonsens des Gemeinderats ab – und doch fehle etwas: "Nach 14 Monaten Leben in der Pandemie ist das zu wenig." Die SPD fordert "mehr Botschaft, mehr Vision, mehr Hoffnung – ein Haushalt mit Empathie und Emotionalität!"

Deshalb hat die SPD drei Kernforderungen. Erstens: Die Stadt soll den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege 318.000 Euro mehr zugestehen und damit die Tarifsteigerung für 2021 und 2022 finanzieren. "Applaudiert haben wir ihnen im letzten Jahr, jetzt können wir beweisen, dass wir ihre wichtige Arbeit auch wirklich wertschätzen", sagte Schuster. Zum Zweiten will die Fraktion einen "Sozialfonds Corona Sondermittel" mit 800.000 Euro einrichten. Gedacht ist er für soziale Angebote wie Schuldnerberatung, Schulsozialarbeit und Familienhilfe. Schuster: "Wir wollen, dass alle Menschen in Heidelberg, die in diesem und im nächsten Jahr Hilfe benötigen, diese auch bekommen können."

Die SPD hofft darauf, dass möglichst bald wieder möglichst viel Kultur und Zusammenkommen möglich ist. Foto: Rothe

Und drittens: Heidelberg soll wieder zu einer "Stadt des Miteinanders auf Straßen und Plätzen werden, am besten gleich diesen Sommer, auf alle Fälle nächstes Jahr", so Schuster. Dafür fordert ihre Fraktion eine "Kultur des Ermöglichens" für Veranstaltungen und Zusammenkünfte. Die Stadt soll Sommerbühnen fördern, mobile Bewirtung auf den Plätzen genehmigen, neue Grillplätze einrichten und bei der Raumvermietung temporär Bestimmungen lockern. Zudem sollen die Stadtteilvereine gefördert werden. Heidelberg Marketing solle für den Plan – Schuster nennt das: "gemeinsam Leben nachholen" – ein Konzept erarbeiten.

Zudem will die SPD 1,5 Millionen Euro mehr in die Hand nehmen, um dem Sanierungsstau bei Schulen entgegenzuwirken. Die Ertüchtigung der Zeppelinstraße will die Fraktion vorziehen und sie direkt zur Fahrradstraße machen – und auf diese Weise von Bundesförderung zu profitieren.

> Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung: Auch die SPD macht Einsparvorschläge. So will sie – wie die Grünen – den Neubau der Ziegelhäuser Brücke erst später planen und – wie CDU und Grüne – die Arbeiten an der Montpellierbrücke ("Schere Ost") verschieben. Aber es gibt auch viele kleinere Kürzungen – etwa die Halbierung der Mittel für die Abschlusspräsentation der Internationalen Bauausstellung 2022 auf 50.000 Euro. Bei den Bußgeldern rechnet die SPD mit 700.000 Euro zusätzlich. Die globale Minderausgabe setzt man mit 2,5 Millionen an.

Die Kleineren: Zwei Fraktionen beantragen gar nichts

Überraschend: Die "Heidelberger" (4 Sitze) und die Grün-Alternative Liste (GAL; mit Freie Wähler 3 Sitze) stellten gar keine Anträge. Heidelberger-Fraktionschefin Larissa Winter-Horn begründete dies mit einem "vernünftigen Vorschlag", die Verwaltung genieße das Vertrauen ihrer Fraktion. Dennoch warnte sie angesichts der finanziellen Lage und regte an, nun gemeinsam "vor allem die Großprojekte auf Herz und Nieren zu prüfen". Zudem kritisierte sie zu viel Geld für den Radverkehr: "Aktuell können wir uns weiß Gott keine rein ideologischen Vorhaben leisten, die keinen Radler mehr auf die Straße bringen." GAL-Stadträtin Judith Marggraf sagte in ihrer Zwei-Minuten-Rede: "Wir halten den Haushalt für angemessen und sind beruhigt, dass andere Fraktionen wichtige Dinge aufgegriffen haben."

"Die Linke" (3 Sitze) stellte 19 Anträge mit Fokus unter anderem auf bezahlbaren Wohnraum, die sozialen Träger, Spielplätze und eine stärkere Förderung des Queer Festivals. Fraktionsvorsitzende Sahra Mirow sagte: "Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn Parteien auf kommunaler Ebene die Finanzsituation monieren, und die gleichen Parteien auf Bundesebene Umverteilung verhindern ... – liebe Grüne, liebe SPD!"

Die FDP (3 Sitze) stellte fünf Anträge. Sie will die Stadtteilvereine (mit je 8000 Euro pro Jahr) und den Einzelhandel stärken. Sparen will man bei Winterdienst-Autos und den Fraktionskosten. FDP-Fraktionschef Karl Breer findet das Schuldenmachen während der Krise im Sinne einer antizyklischen Wirtschaftspolitik vertretbar – und versprach: "An den zweiten Teil von Keynes’ Theorie – Schulden abbauen, wenn es gut läuft – erinnert die FDP dann gerne."

Die Bunte Linke (2 Sitze) stellte 29 Anträge mit Fokus auf Klimaschutz und Soziales – zudem fordert sie ein eigenes Planungsbudget für die Bezirksbeiräte. Die AfD (2 Sitze) beantragte nichts, "Partei"-Stadtrat Björn Leuzinger stellte 17 Anträge, wobei er etwa "Bourgeoise exklusiv deluxe"-Plätze für 500 Euro im Theater schaffen will.

In den nächsten Wochen verhandeln die Fraktionen. Am 24. Juni soll der Doppelhaushalt dann verabschiedet werden.

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